IHK-Expertin im Bundeskanzleramt
„Wir brauchen pragmatische Lösungen“
Ein Jahr nach Einführung des Chancen-Aufenthaltsrechts zog Staatsministerin Reem Alabali-Radovan mit Vertreterinnen und Vertretern der Wirtschaft im Bundeskanzleramt Zwischenbilanz. „Das Chancen-Aufenthaltsrecht hat bereits für etwa 43.000 Menschen den Arbeitsmarktzugang erleichtert, unterstützt durch die Verkürzung des Beschäftigungsverbots auf sechs Monate“, fasste Alabali-Radovan zusammen. Es sei wichtig, diese Entwicklung fortzusetzen, um die Integration von Geflüchteten durch Arbeit weiter zu fördern. Der einheitliche Tenor seitens IHK und Unternehmen: An manchen Stellen muss dafür dringend nachgebessert werden.
Kritikpunkte Sprache und Lohn
IHK-Integrationsexpertin Aleksandra Vohrer kritisiert vor allem zwei Schwachstellen im Gesetz, die in der Praxis zu erheblichen Problemen führen: Das Sprachniveau, das nicht anerkannte Geflüchtete mitbringen müssen, um über das Chancen-Aufenthaltsrecht in Deutschland arbeiten zu dürfen, wurde sehr niedrig eingestuft. Trotzdem müssen sie eine Prüfung über Allgemeinwissen zu Deutschland ablegen, die ein viel höheres Sprachniveau erfordert. „An dieser Stelle ist das Scheitern für viele geduldete Geflüchtete vorprogrammiert.“
Zweites Problem: Nicht anerkannte Geflüchtete brauchen die Zustimmung der regionalen Agentur für Arbeit, um arbeiten zu dürfen. Dadurch müssen Unternehmen den geduldeten Geflüchteten und Geflüchteten im Asylverfahren den ortsüblichen Mindestlohn bezahlen, der in vielen Regionen höher als der gesetzliche Mindestlohn ist. Vielen Unternehmerinnen und Unternehmern nehme das die Bereitschaft, Geflüchtete zu beschäftigen, schildert Vohrer ihre Erkenntnis aus vielen Gesprächen mit Arbeitgebern. „Sie bringen einen immensen Einsatz, weil sie gemeinsam mit den Geflüchteten sprachliche und fachliche Hürden nehmen müssen, und müssen ihnen dann auch noch einen höheren Lohn zahlen als anderen Arbeitskräften.“ Sie forderte die Politik dazu auf, schnelle und pragmatische Lösungen zu finden, die die Integration von Geflüchteten in Unternehmen weiter erleichtern und dadurch die Wirtschaft stärken.
Hintergrund
Staatsministerin Alabali-Radovan ist verantwortlich für Migration, Flüchtlinge und Integration sowie Antirassismus. Sie traf sich mit Vertreterinnen und Vertretern engagierter Mitgliedsbetriebe des Netzwerks Unternehmen integrieren Flüchtlinge (NUiF) und der Industrie- und Handelskammern (IHKs). Die Veranstaltung machte einmal mehr deutlich, wie essenziell der fortlaufende Austausch zwischen den politischen Entscheidungsträgern und der Wirtschaft ist, um die Integration von Geflüchteten in den Arbeitsmarkt nicht nur zu verbessern, sondern auch zu beschleunigen.
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