Vorsteuerabzug bei Betriebsveranstaltungen
Bundesfinanzhof bekräftigt Abzugsverbot
In seinem Urteil vom 10. Mai 2023, V R 16/21 – veröffentlicht am 27. Juli 2023 – versagt der Bundesfinanzhof (BFH) den Vorsteuerabzug für ein „Kochevent“ im Rahmen einer Weihnachtsfeier. Seiner Auffassung nach dienten die bezogenen Leistungen ausschließlich dem privaten Bedarf der Mitarbeiter. Die Absicht, durch gemeinsame Freizeitgestaltung das Betriebsklima zu verbessern, führe nicht zu einem vorrangigen Unternehmensinteresse, das die Entnahmebesteuerung ausschließt. Da die 110 Euro-Freigrenze für Aufmerksamkeiten überschritten sei, komme auch auf dieser Basis ein Vorsteuerabzug nicht in Betracht.
Vorlagefall
Im Vorlagefall mietete der Kläger für eine betriebliche Weihnachtsfeier ein Kochstudio. Dort bereiteten die Teilnehmer unter Anleitung von zwei Köchen gemeinsam das Abendessen zu, das sie anschließend gemeinsam verzehrten. Der Kläger beantragte den gesamten Vorsteuerabzug mit dem Hinweis, der volle Abzug bestehe auch dann, wenn die Kosten der Veranstaltung die Freigrenze von 110 Euro je Arbeitnehmer überstiegen. Das Finanzamt lehnt den Vorsteuerabzug mit Hinweis auf das BMF-Schreiben vom 14. Oktober 2015 ab. Die Klage vor dem Finanzgericht (FG) blieb erfolglos. Das Kochevent stelle eine einheitliche Leistung dar; die Kosten des sogenannten „äußeren Rahmens“ seien daher bei der Berechnung der Freigrenze für Aufmerksamkeiten von 110 Euro zu berücksichtigen. Im Ergebnis schließt sich der BFH dieser Einordnung an.
Kein überwiegendes Unternehmensinteresse
Der BFH stellt in seiner Entscheidung nochmals heraus, dass Leistungen, die ein Unternehmer für sogenannte Betriebsveranstaltungen bezieht, nur dann zum Vorsteuerabzug berechtigen, wenn die bezogenen Leistungen nicht ausschließlich dem privaten Bedarf der Betriebsangehörigen dienen, sondern durch die besonderen Umstände seiner wirtschaftlichen Tätigkeit veranlasst sind. Zwar hat der Europäische Gerichtshof in der Rechtssache Danfoss und AstraZeneca (EuGH-Urteil vom 11.12.2008, C-371/07) die unentgeltliche Abgabe einer Mahlzeit an das Personal als überwiegend betrieblich motiviert eingestuft. Allerdings sollte damit vermieden werden, eine Arbeitssitzung durch eine private Mahlzeit unterbrechen zu müssen. Das unternehmerische Motiv nach ungestörter Fortsetzung der Sitzung ohne allzu großen Zeitverlust stand im Vordergrund und drängte das private Bedürfnis der Arbeitnehmer deutlich in den Hintergrund.
Demgegenüber diente die Betriebsveranstaltung nach Ansicht des BFH lediglich dazu, das Betriebsklima durch gemeinsame Freizeitgestaltung zu verbessern. Die Abgabe der Speisen und Getränke erfolge gerade nicht während der Arbeitszeit und damit im außerunternehmerischen Bereich. Zudem lasse die besondere Qualität der Speisen und Getränke die Zuwendung an die Arbeitnehmer nicht als bloßen Reflex eines überwiegenden betrieblichen Eigeninteresses und damit „nebensächlich“ erscheinen. In einem solchen Fall liege ein ausschließlicher Zusammenhang der für die Betriebsveranstaltung bezogenen Leistungen zum privaten Bedarf des Personals und damit zu einer Entnahme nach § 3 Abs. 9a Nr. 2 UStG vor, die nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt.
Grenze für Aufmerksamkeiten überschritten
Dem Unternehmer würde der Vorsteuerabzug erhalten bleiben, sofern es sich lediglich um eine "Aufmerksamkeit" im Sinne des § 3 Abs. 9a Nr. 2 UStG handelt und entsprechend die Entnahmebesteuerung unterbleibt. Allerdings überschreiten die Aufwendungen pro Arbeitnehmer die Grenze von 110 Euro. Der BFH orientiert sich insoweit am Einkommensteuerrecht – aber weiterhin als Freigrenze. Die Umwandlung in einen Freibetrag scheitert nach Ansicht des BFH am Wortlaut des § 3 Abs. 9a Nr. 2 UStG. Der dort verwendete Begriff "sofern" bedeutet nach seinem Wortsinn "vorausgesetzt" im Sinne einer Bedingung, die entweder erfüllt sein kann oder nicht. Auch der Sinn und Zweck der Entnahmeregelung, wonach lediglich geringfügige Zuwendungen von der Besteuerung ausgenommen werden sollten, spreche für eine Freigrenze.
Berechnung der Freigrenze
Der BFH folgt dem FG in seiner Feststellung, dass es sich bei dem Kochevent um eine einheitliche Leistung handelt. Diese könne nicht in einzelne Kostenbestandteile aufgespalten werden. Einheitliche ("komplexe") Leistungen liegen unter anderem dann vor, wenn mehrere Einzelleistungen oder Handlungen des Steuerpflichtigen für den Kunden so eng miteinander verbunden sind, dass sie objektiv eine einzige untrennbare wirtschaftliche Leistung bilden, deren Aufspaltung wirklichkeitsfremd wäre. Das Kochevent stelle ein marktgängiges Gesamtpaket dar, das vom Zusammenspiel der besonderen Örtlichkeit und dem gemeinsamen Zubereiten und Verzehren von Speisen und Getränken geprägt werde. Die Raummiete aus diesem Gesamtpaket herauszulösen, würde zu einer künstlichen Aufspaltung führen.
Letztlich bekräftigt der BFH, dass es bei der Berechnung auf die Anzahl der teilnehmenden Arbeitnehmer ankomme.
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