Europawahl 2024

Wie kann eine wirtschaftsfreundliche Europapolitik, die Wettbewerb und Fairness fördert, zukünftig gelingen? Dafür benötigt es dringend krisensichere Handelsabkommen, eine starke Innovations- und Forschungslandschaft, eine sichere und vertrauensvolle Nutzung von Daten und Künstlicher Intelligenz, schnelle und unbürokratische Entscheidungswege sowie qualifizierte Fachkräfte. Mit diesen Themen und Positionen richtet sich die IHK Reutlingen an die Kandidatinnen und Kandidaten zur Europawahl 2024.

Binnenmarkt

Der Binnenmarkt, das Herzstück Europas, muss weiter vorangetrieben werden. Die Rahmenbedingungen sollten mit Augenmaß gesetzt werden. Dies stärkt die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Unternehmen und macht die EU als Investitionsstandort attraktiv. Handelshemmnisse sollten verringert und die Bürokratie abgebaut werden. Dies betrifft den Waren-, Dienstleistungs-, Personen- und Kapitalverkehr. Rechtsvorschriften müssen dabei einheitlich angewendet und konsequent durchgesetzt werden.

Internationaler Handel

Offene Märkte und regelbasierter internationaler Handel sind ein entscheidender Motor für Wohlstand und Beschäftigung in Deutschland, Europa und in der Welt. Die EU-Handelspolitik sollte Unternehmen beim Ausbau ihrer Wettbewerbsposition auf den Weltmärkten unterstützen, Protektionismus entgegentreten und EU-Wirtschaftsinteressen souveräner verteidigen. Zur Diversifizierung und Absicherung der Lieferketten der deutschen Wirtschaft sollten neue Handelsabkommen weltweit angestrebt werden. Handelsabkommen müssen grundsätzlich mittelstandsfreundlich ausgestaltet sein.

Fachkräftesicherung

Die Förderung der beruflichen Bildung sollte praxisnah und eng mit der Wirtschaft verknüpft sein. Ziel ist die Etablierung der Gleichwertigkeit von beruflicher und akademischer Bildung, um verschiedene Bildungswege gleichwertig anzuerkennen. Darüber hinaus ist es wichtig, informell erworbene berufliche Kompetenzen sichtbar zu machen und zu bewerten, um die berufliche Qualifikation zu verbessern. Die Beschäftigungspotenziale können maximiert werden, indem die Erwerbsbeteiligung gesteigert und Integration unterstützt werden. Die Rekrutierung von Fachkräften aus Drittstaaten soll vereinfacht werden.

Corporate Social Responsibility

Die Einhaltung von Menschenrechten und Umweltstandards ist ein gemeinsames Ziel von Politik und Wirtschaft. Darum sollte sie seitens der EU durch verstärkte Unterstützung und die Förderung von Corporate Social Responsibility (CSR) -Kompetenzen erfolgen, nicht durch Überregulierung und unnötige Bürokratie. Die Komplexität und der Aufwand der Nachhaltigkeitsberichterstattung sollten begrenzt und kompatibel gestaltet werden. Bei grenzüberschreitenden Themen sollte die EU über internationale Ordnungspolitik möglichst gleiche Wettbewerbsbedingungen auf globaler Ebene herstellen.

Energie und Klima

Für eine sichere Energieversorgung ist es notwendig, den Energiebinnenmarkt zu vollenden und die Energieinfrastruktur auszubauen. Die Verfügbarkeit erneuerbarer Energien und eines Wasserstoffmarktes fördern umweltfreundliche Energiequellen. Auch beim Klimaschutz sollte die internationale Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen gewährleistet werden. Grundsätzliches Ziel sollte die technologieoffene Gleichbehandlung verschiedener Marktakteure sein.

Umwelt

Effektiver Umweltschutz erfordert Augenmaß. Die europäische Umweltgesetzgebung sollte sich verstärkt an der praktischen Umsetzbarkeit orientieren, um sicherzustellen, dass die Vorschriften effektiv umgesetzt werden können. Die Kreislaufwirtschaft sollte ausgewogen und mit Beteiligung aller Akteure gefördert und umgesetzt werden. Vorgaben zu Langlebigkeit, Reparaturfreundlichkeit und Recyclingfähigkeit von Produkten sollten Unternehmen daher genügend Freiraum bei der Produktentwicklung einräumen.

Sustainable Finance

Die EU-Taxonomie sollte vereinfacht werden, um sicherzustellen, dass sie dynamisch und in der Praxis effektiv umsetzbar ist. Dabei ist es wichtig, die Verhältnismäßigkeit im Hinblick auf die Vielfalt der Wirtschaft zu wahren. Die Anforderungen müssen für Unternehmen unterschiedlicher Größe und Branchen angemessen sein. Globale Standards müssen unterstützt werden, um die Wettbewerbsfähigkeit des Standorts Europa zu sichern.

EU-Haushalt, NGEU, Wirtschafts- und Währungsunion

Die Empfehlungen der EU für Investitionen und Wachstum sollten verbindlich gestaltet werden. Dies sollte Hand in Hand gehen mit Maßnahmen zur Förderung des Schuldenabbaus und der Wettbewerbsfähigkeit der Nationalstaaten. Zudem ist es wichtig, bei Förderprogrammen kurze Bewilligungsverfahren mit effektiver Erfolgskontrolle zu kombinieren.

Unternehmensfinanzierung und Finanzmärkte

Eine zielgerichtete Ausrichtung der Bankenregulierung gewährleistet die Stabilität des Finanzsektors. Gleichzeitig sollte die Kapitalmarktunion gezielt genutzt werden, um die Finanzierung für den Mittelstand zu verbessern. Die Einführung eines digitalen Euro, in enger Zusammenarbeit mit Banken und zur Förderung von Innovationen, ist ein weiterer Schritt in Richtung einer modernen und zukunftsorientierten Finanzinfrastruktur.

Steuern

Die Umsetzung der OECD-Maßnahmen im Bereich der Unternehmensbesteuerung sollte mit Augenmaß erfolgen, um die Wettbewerbsfähigkeit zu wahren. Gleichzeitig ist es wichtig, das EU-Mehrwertsteuersystem weiter zu harmonisieren und transparenter zu gestalten und die Bemessungsgrundlagen bei den Unternehmenssteuern zu vereinheitlichen. Auf die Einführung einer Finanztransaktionssteuer (FTS) sollte verzichtet werden, um mögliche negative Auswirkungen auf die Finanzmärkte zu vermeiden und die Handlungsfähigkeit der EU zu erhalten.

Industrie und Innovation

Die Resilienz strategischer Wertschöpfungsketten sollte gestärkt werden, um auf unvorhergesehene Herausforderungen vorbereitet zu sein. Bei der Entwicklung industriepolitischer Maßnahmen sollte der Fokus darauf liegen, den europäischen Standort attraktiver und wettbewerbsfähiger zu machen. Innovationen in der EU sollten gefördert werden, um den Durchbruch neuer Technologien und Geschäftsmodelle zu ermöglichen. Dabei ist es wichtig, den Schutz des geistigen Eigentums, auch in Krisenzeiten, sicherzustellen. Wissenschaft muss vor allem in den Zukunftstechnologien stärker gefördert werden und die Standortbedingungen des Forschungsstandorts Europa im Vergleich zu den USA vereinfacht und verbessert werden.

Mittelstandspolitik

Die Stärkung des Mittelstands ist die Basis für eine robuste und vielfältige Wirtschaft. Die EU sollte wieder einen verstärkten Fokus darauf legen, Wachstumschancen für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) zu identifizieren und die Bedürfnisse des größeren Mittelstands stärker zu berücksichtigen. KMU-Vorhaben müssen auf Mittelstandstauglichkeit und unter Einbeziehung des Mittelstands überprüft werden. Auch in der Handelspolitik muss auf die Mittelstandsfreundlichkeit der Abkommen geachtet werden. Bürokratische Hürden müssen gemäß einer „One in – five out“-Regelung abgebaut und die EU soll stärker auf die Selbstverpflichtung der Unternehmen gesetzt werden.

Regional- und Strukturpolitik

Die europäische Förderpolitik sollte aktiv strukturelle Veränderungen und Krisen begleiten. Der Zugang zu Fördermitteln sollte erleichtert und die Effektivität gesteigert werden sowie regionale Besonderheiten angemessen berücksichtigt werden. Darüber hinaus sollten Fonds gezielt auf Zukunftsthemen ausgerichtet werden, um die wirtschaftliche Entwicklung und Innovation voranzutreiben. Die Subventionspolitik der EU sollte vor allem den Top-Unternehmen helfen, Marktführer zu werden, um die internationale Wettbewerbsfähigkeit der EU zu sichern.

Verkehr und Mobilität

Mobilität in Europa sollte erleichtert und gleichzeitig Umweltauswirkungen reduziert werden. Dafür ist es notwendig, Engpässe zu beseitigen und Netzlücken zu schließen. Dies erfordert eine vorausschauende Planung und die Sicherstellung der Finanzierung für Infrastrukturprojekte. Gleichzeitig sollte die Umweltverträglichkeit des Verkehrs durch technologischen Fortschritt gesteigert werden. Die Fortsetzung der EU-Harmonisierung und Liberalisierung des Verkehrs unterstützt einen effizienten, grenzüberschreitenden Verkehr.

Digitaler Binnenmarkt

Die europäische Politik sollte verlässliche Voraussetzungen für eine wettbewerbsfähige Wirtschaft 4.0 schaffen. Glasfaser- und 5G-Infrastrukturen müssen flächendeckend ausgebaut werden sowie Maßnahmen zum Schutz vor Cyberbedrohungen entwickelt werden. Ein "Level Playing Field" bei der Digitalgesetzgebung sollte faire Wettbewerbsbedingungen für alle Akteure im digitalen Raum gewährleisten.

Europäisches Wirtschaftsrecht

Die Ausweitung von Auskunfts-, Informations- und Dokumentationspflichten sollte kritisch hinterfragt und dabei die Aufwand-Nutzen-Relation und Verhältnismäßigkeit stets im Blick behalten werden. Digitale Unternehmensgründungen sollten als attraktive Option gestaltet werden, um zusätzliche bürokratische Hürden zu verringern.

Datenschutz

Die Umsetzung sollte vereinfacht und die Durchsetzung vereinheitlicht werden. Eine Evaluierung und Überarbeitung der DSGVO ist dringend erforderlich, um verbindlichere und praxisorientierte Ausnahmen von den umfangreichen Dokumentations- und Nachweispflichten speziell für KMU zu schaffen.

Katharina Lein

Katharina Lein

Hauptgeschäftsführung
IHK-Zentrale
Position: Leiterin Politik/Public Affairs
Schwerpunkte: Politikkontakte, BWIHK, Medien- und Filmwirtschaft, IHK-Strategie, Koordination "IHK vor Ort", IHK-Netzwerk Young Professionals
Telefon: 07121 201-270
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