Sorge um die Wettbewerbsfähigkeit

Ein Problem kommt selten allein

Fachkräftemangel, Bürokratie, Energiepreise, Klimawandel: Industriebetriebe in der Region suchen an allen Ecken und Enden nach Lösungen für die aktuellen Herausforderungen. Doch das ist gar nicht so einfach.

Markus TressMarkus Tress, Geschäftsführer der Franz Tress GmbH & Co. KG in Münsingen Foto: PR

Fragt man Markus Tress, was derzeit die größte Herausforderung für seine Firma ist, muss er nicht lange überlegen. „Der Klimawandel rollt auf uns zu“, sagt der Geschäftsführer der Franz Tress GmbH mit Hauptsitz in Münsingen. Seit mehr als 50 Jahren produziert der Betrieb Nudeln und Spätzle, mittlerweile an insgesamt drei Standorten.

„Wir beziehen das Getreide für unsere Produkte aus Österreich, der Slowakei, Slowenien, Deutschland und Frankreich. Die Bauchbarkeit der Ernte ist jedoch von Wetter und Klima abhängig.“ Sowohl andauernde Hitze als auch Dauerregen, die immer häufiger auftreten, führen zu Schwierigkeiten. „Zunächst gibt es eine schöne Aussaat und wir haben Hoffnung. Doch dann kommt die Hiobsbotschaft: Die Ernten sind verregnet“, beschreibt Tress das  stetige Bangen um die Qualität seiner Rohstoffe, die das Unternehmen in der Produktion gegebenenfalls mit großem Aufwand wieder ausgleichen muss.

Ein Sorgenkind: das Hühnerei
Und auch der zweite wichtige Rohstoff für die Teigwaren ist ein Sorgenkind: das Hühnerei. „Seitdem in Deutschland keine Küken mehr getötet werden dürfen, kosten deutsche Eier im Vergleich zu den Eiern aus anderen europäischen Ländern deutlich mehr“, erklärt Markus Tress. „Das ist ein Wettbewerbsnachteil für uns.“ Viele Dinge, die die Politik angehe, so wie das Tötungsverbot für Küken, seien wichtig und richtig. „Sie stellen uns Unternehmer jedoch vor Probleme, mit denen wir dann alleine gelassen werden.“

„Der Politik fehlt das langfristige Denken“

Markus Tress, Geschäftsführer der Franz Tress GmbH & Co. KG, Münsingen

Für bessere Wettbewerbschancen sollten die EU-Länder anfangen, gemeinsam zu agieren. „Ich wünsche mir, dass Deutschland im Einklang mit Europa handelt. Wir sind doch alle zusammen ein Markt“, betont Tress. „Der Politik fehlt das langfristige Denken und häufig auch die Offenheit, bestimmte Diskussionen überhaupt erst zu führen. Sie ist zu oft an den eigenen Interessen orientiert.“ Dies werde immer mehr zum Problem, schließlich funktionierten Wirtschaft und Gesellschaft nur dann reibungslos, wenn alle gesellschaftlichen Gruppen gut zusammenarbeiten.

Markus Tress ist überzeugt davon, dass mehr Interesse der Politik an den Sorgen und Problemen der Unternehmen den Wirtschaftsstandort Deutschland wieder stärken könnte – insbesondere in Anbetracht des vorherrschenden Fachkräftemangels, der auch vor der Franz Tress GmbH keinen Halt macht. „Es muss attraktiver sein zu arbeiten, als nicht zu arbeiten“, fordert Tress. „Mancher, der durch die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit sein Wohngeld und seine Zuschüsse vom Staat verliert, entscheidet sich letztlich eher fürs Nichtarbeiten.“

Blick in die Fertigung der Joma-Polytec GmbHBlick in die Fertigungshalle der Joma-Polytec GmbH in Bodelshausen. Foto: PR

Arbeitskräfte sind Mangelware
Anderer Ort, selbes Problem: „Unsere momentan größte Herausforderung ist der Personalmangel“, sagt auch Dr. Hans-Ernst Maute. Gemeinsam mit seinem Bruder führt er die Joma-Polytec GmbH in Bodelshausen. Das Familienunternehmen hat sich unter anderem auf Kunststofftechnik und die Fertigung von Komponenten für die Branchen Automobil, Medizin und Bau spezialisiert.

Dass Arbeitskräfte längst Mangelware sind, führt Hans-Ernst Maute vor allem auf die Demografie zurück, aber auch darauf, dass trotz der hohen Migration nach Deutschland nur wenige Fachkräfte tatsächlich auf dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stünden. Einer der Gründe dafür sei die Bürokratie. „Sie macht sowohl den potenziellen Arbeitskräften als auch uns Unternehmen das Leben schwer und zieht das Verfahren bis hin zur Arbeitserlaubnis stark in die Länge“, sagt Maute. Würde die Digitalisierung der zuständigen Stellen schneller voranschreiten, könnte Bürokratie abgebaut und der Staat bei seinen Prozessen schneller werden. „Das würde uns enorm entlasten – ebenso wie ein Bürokratieabbau beim Ausbau der erneuerbaren Energien. Hier brauchen wir ebenfalls schnellere Verfahren, damit es für Firmen zeitnah bezahlbare Alternativen zu Öl und Gas gibt.“

„Die Bürokratie macht uns das Leben schwer“

Dr. Hans-Ernst Maute, Geschäftsführer der Joma-Polytec GmbH, Bodelshausen

Die Inflation und die Folgen
Ein weiteres Problem sind die Folgen der Inflation: Die derzeitige Teuerung lässt nicht nur die Rohstoffkosten für Unternehmen stark steigen, sondern sie mindert auch die Kaufkraft der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Die Folge: Sie fordern Lohnsteigerungen, die die selbst angeschlagenen Betriebe jedoch nicht immer realisieren können.
„Bei Joma verschärft sich diese Situation, da wir uns in einem räumlichen Umfeld mit boomenden Betrieben der wachsenden Medizinbranche befinden“, sagt Maute. Diese Firmen könnten den Beschäftigten vielfach höhere Löhne bieten, was sie bei potenziellen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern verständlicherweise attraktiver mache.

Dr. Hans-Ernst MauteDr. Hans-Ernst Maute ist einer der beiden Geschäftsführer der Joma-Polytec GmbH. Foto: PR

Die Transformation kostet Geld
Die technischen Transformationen, die momentan in fast allen Branchen stattfinden, kosten die Betriebe zusätzliches Geld. Dr. Hans-Ernst Maute beschreibt beispielhaft den Wandel in der Mobilität, den sein Unternehmen unmittelbar miterlebt: weg vom Verbrenner hin zur Elektrotechnik. Dieser Prozess erfordert neue Produkte und Verfahren, neue Maschinen sowie neue Produktionsstrukturen – und ist dadurch mit hohen Investitionen verbunden. Immer wieder kommt es auch vor, dass Kunden schon vor dem Ende der vertraglich festgelegten Serienlaufzeit verkünden, eine Serie vorzeitig einzustellen, wodurch Joma-Polytec auf einem Teil der Investitionskosten sitzen bleibt.

Wie also könnte ein vorläufiges Fazit aussehen? Vielleicht so: Wohl kein Industriebetrieb hat es derzeit leicht – und oft löst ein Problem direkt das nächste aus. Unterstützung durch die Politik ist deshalb nicht nur erwünscht, sondern dringend notwendig. Nur so können die regionalen Unternehmen wettbewerbsfähig bleiben. /

(Dieser Artikel erschien in der WNA-Ausgabe 10+11/2023.)