Gründung als Unternehmensnachfolge

Die neue Generation

Wie gelingt es, als Gründer einerseits das Lebenswerk der Eltern und Großeltern fortzuführen, andererseits aber auch eigene Impulse zu setzen? Eine Unternehmerin und ein Unternehmer erzählen, wie sie die Nachfolge im Familienbetrieb erleben.

Patrick HerterÜbernahm Anfang 2023 die Herter Edelweiss Jersey GmbH & Co. KG: Patrick Herter. Foto: PR

„Ich stamme aus einer Unternehmerfamilie“, erzählt Patrick Herter, Geschäftsführer der Herter Edelweiss Jersey GmbH & Co. KG in Albstadt. „Meine Großmutter und ihr Bruder haben den Betrieb 1955 gegründet. Geführt hat ihn erst mein Großvater und nach ihm mein Onkel.“ Dass Herter eines Tages das Erbe seiner Großeltern antreten und das Textilunternehmen übernehmen würde, war zunächst nicht abzusehen.

Nach dem Abitur entschied er sich für ein duales Studium mit Schwerpunkt BWL. In seinem Lehrbetrieb arbeitete er sich ehrgeizig vom Assistenten des mittleren Führungsmanagements bis in die Stabsstelle der Geschäftsführung im Bereich Planung, Projektmanagement und Strategie hoch.

Stillstand kam für mich noch nie infrage

Patrick Herter

„Kurz vor Abschluss meines berufsbegleitenden Masterstudiums in Business Administration bot sich die Möglichkeit, mich innerhalb des Unternehmens noch einmal weiterzuentwickeln“, erinnert sich Patrick Herter. „Gleichzeitig kam aber das Angebot meines Onkels, in den Familienbetrieb einzusteigen – und das wollte ich mir nicht nehmen lassen.“ Zum Jahreswechsel 2020/2021 wagte er den Schritt ins Familienunternehmen. Zwei Jahre später übernahm er den Betrieb und wurde damit endgültig vom Angestellten zum Unternehmer.

Widerstände überwinden
„Den perfekten Zeitpunkt für eine Betriebsübernahme gibt es vermutlich nicht“, überlegt Herter. „Ich muss aber ganz ehrlich sagen, dass es mir vorkam, als würden mir alle erdenklichen Steine in den Weg gelegt.“ Während Themen wie die Finanzierung der Übernahme oder anstehende Verhandlungen mit Partnern längst Teil der Planung waren, kamen andere Herausforderungen ganz unverhofft hinzu. „Bescheidene volkswirtschaftliche Prognosen, dazu die Explosion der Energiekosten und Investitionsstau: Intern wie extern gab es einiges zu tun.“

Von Unwegsamkeiten wie diesen lässt sich Herter aber nicht beirren. „Meine Risikoaffinität hat zwar deutlich nachgelassen, seit ich für knapp dreißig Mitarbeiter verantwortlich bin“, sagt er. „Aber Stillstand kam für mich noch nie infrage.“ Mit der Übernahme hat er ein neues Kapitel in der Geschichte des Familienbetriebs aufgeschlagen, der neben klassischen Bekleidungstextilien etwa auch Schutzausrüstung und Arbeitsbekleidung fertigt. „Wir bauen auf der bestehenden Infrastruktur auf, optimieren unsere Prozesse und haben auch damit angefangen, das im Betrieb vorhandene Wissen zu digitalisieren“, berichtet Herter. „Jetzt liegt mein Fokus darauf, neue Geschäftsfelder zu erschließen. Ich gehe davon aus, dass unser heutiges Geschäftsmodell so in zehn Jahren nicht mehr existieren wird. Daher braucht es jetzt Mut zur Veränderung.“ Und der mache sich in Form neuer Partner, Produkte und Projekte bereits heute bezahlt.

Susanne Schöpfer und Corinna LettmannAktuell bildet Corinna Lettmann (r.) bei der Schöpfer GmbH & Co. KG noch eine Doppelspitze mit ihrer Mutter Susanne Schöpfer. In naher Zukunft wird sie das Unternehmen im Alleingang führen. Foto: PR

Neue Impulse für die Firma
Auch Corinna Lettmann weiß, wie es ist, in einen Familienbetrieb hineinzuwachsen. Ihr Urgroßvater Adolf Schöpfer gründete 1920 die erste Reutlinger Schildermalerei. Sie entwickelte sich zur heutigen Schöpfer GmbH und Co. KG, einem Werbetechnikunternehmen mit umfangreichem Dienstleistungsangebot. „Für mich war immer klar, dass die Firma ein Teil von mir ist und ich hier eines Tages auch selbst arbeiten würde“, erzählt Lettmann. „Anders als bei einer klassischen Gründung fängt man zwar nicht bei null an, wenn man ein Unternehmen übernimmt, aber dafür tritt man auch in große Fußstapfen.“

Nach der Mittleren Reife entschied sie sich dafür, ihre Ausbildung im Familienbetrieb zu absolvieren. „Ich war schon immer ein praktisch veranlagter Mensch, daher kam für mich ein Studium nicht wirklich infrage“, erklärt sie. „Außerdem war das Timing perfekt: Ein Jahr vor meinem Schulabschluss wurde der Mediengestalter als neuer Ausbildungsberuf eingeführt. Das war für mich die Möglichkeit, mein eigenes Ding zu machen und gleichzeitig etwas Neues einzubringen. Es war ja schon damals abzusehen, dass digitale Themen auch in unserer Branche immer wichtiger werden. Mit dieser Ausbildung konnte ich mir das passende Know-how aneignen.“

Viel Herzblut
Mit Abschluss ihrer Ausbildung stieg Corinna Lettmann fest in den Familienbetrieb ein. Als Mediengestalterin übernahm sie die Verantwortung für ein eigenes Team, das sich unter anderem auf Digitaldruck spezialisierte.

Wer gründet oder ein Unternehmen übernimmt, muss sich darüber im Klaren sein, dass man ein arbeitsreiches Leben haben wird

Corinna Lettmann

Nach ihrer ersten Elternzeit wurde sie schließlich Teil der Geschäftsleitung. Seitdem führt sie das Unternehmen gemeinsam mit ihrer Mutter – und hat die Vorteile der Doppelspitze sehr zu schätzen gelernt. „Zwei Chefinnen in einem Betrieb: Wir werden oft gefragt, wie das funktioniert“, lacht sie. „Aber tatsächlich ist es ein tolles Miteinander. Wir teilen uns nicht nur ein Büro, sondern auch den Tag. Mein jüngster Sohn ist vier Jahre alt, daher kann ich nicht bis spät in den Abend hinein arbeiten. Meine Mutter fängt deshalb später an und übernimmt, wenn ich am frühen Nachmittag Feierabend mache, um mich um meine Kinder zu kümmern.“

In naher Zukunft wird aber auch Corinna Lettmann ihren Familienbetrieb im Alleingang führen. Aus diesem Grund investiert sie derzeit jede freie Minute in ihr Team. „Kommunikation ist einfach alles, gerade in einem Betrieb, in dem das Miteinander sehr familiär ist“, findet sie. „Wer gründet oder ein Unternehmen übernimmt, muss sich darüber im Klaren sein, dass man ein arbeitsreiches Leben haben wird. Aber wenn man sein Herzblut in diese Aufgabe hineinsteckt, bekommt man sehr viel zurück.“ /

(Dieser Artikel erschien in der WNA-Ausgabe 2+3/2024.)