Immer mehr Unternehmen möchten Produktionstechnologen beschäftigen – doch die sind bislang noch rar. Zwei Betriebe aus Neckar-Alb haben sich deshalb dazu entschlossen, das Berufsbild selbst auszubilden. Eine dritte Firma steht bereits in den Startlöchern.
„Wir sind uns sicher, dass Produktionstechnologen in unserem Unternehmen beim Ausbau der Produkt- und Prozessentwicklung wertvolle Aufgaben übernehmen werden“, sagt Marc Bitzer, der technische Ausbilder bei der August Steinmeyer GmbH & Co. KG. Das Unternehmen, Teil einer weltweit agierenden Firmengruppe, beschäftigt an seinem Standort in Albstadt rund 410 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Sie entwickeln, konstruieren und produzieren hochpräzise Kugelgewindetriebe für verschiedene Branchen und Anwendungen.
Interesse an Technik ist Pflicht
Seit September verstärken zwei angehende Produktionstechnologen das Team. Diese lernen während ihrer dreijährigen Ausbildung unter anderem, wie sich Produktionsprozesse planen und koordinieren, Produktionskosten berechnen und Arbeitsabläufe optimieren lassen. Auch die Auswertung von Leistungskennzahlen und die Durchführung von Reparaturen sowie von Qualitäts- und Sicherheitskontrollen zählen zu den Aufgaben von Produktionstechnologen. Dabei arbeiten sie eng mit unterschiedlichen Unternehmensbereichen zusammen und besetzen die Schnittstelle zwischen Entwicklung, IT und Produktion.
Der Berufsschulunterricht findet in Aalen als Blockunterricht statt und gliedert sich in 13 Lernfelder. Gelehrt werden etwa die Analyse von Funktionszusammenhängen in produktionstechnischen Anlagen, die Herstellung mechanischer Komponenten im Produktionsprozess sowie die Organisation von Logistikprozessen. „Wer Produktionstechnologe werden möchte, sollte sich für technische Prozesse, Mathematik und Physik interessieren“, sagt Marc Bitzer. „Zudem sollte man kommunikativ sein und selbstständig arbeiten können.“
Synergien nutzen, Beruf etablieren
Auch die Assa Abloy Sicherheitstechnik GmbH aus Albstadt bildet seit September einen Produkttechnologen aus. „Wir haben immer mehr vernetzte Produktionsanlagen“, erklärt Ausbildungsleiter Jürgen Boss. „Dafür benötigen wir eine Schnittstelle und eine Anbindung an Informatik, Logistik und Steuerung.“ Er verweist auf den Einsatz von Roboter- und Fördertechnik sowie auf die Optimierung von Abläufen hinsichtlich der robotergestützten Automatisierungsketten. „Wir wollen Prozesse effizienter machen. Hierfür können wir einen Produktionstechnologen gut gebrauchen.“
Als deutlich wurde, dass es diese in der Region jedoch noch kaum gibt, entschied sich das Unternehmen dazu, den Nachwuchs selbst auszubilden – zusätzlich zum bisherigen Ausbildungsangebot, das von der Ausbildung zum Industriemechaniker bis hin zum Kombi-Studium Maschinenbau reicht. Jürgen Boss steht mit Marc Bitzer von der August Steinmeyer GmbH & Co. KG in engem Kontakt. Gemeinsam sollen die Azubis beider Betriebe auf Prüfungen vorbereitet und Synergien gebündelt werden.
Das langfristige Ziel beider Unternehmen ist es, den Ausbildungsberuf in Neckar-Alb so zu etablieren, dass er von regionalen Berufsschulen ins Lehrangebot aufgenommen wird. „Wir haben jetzt Zeit, auszuprobieren und Erfahrungen zu sammeln“, so Boss. „Wir sind so etwas wie Vorreiter und beweisen damit Mut. Nach drei Jahren kann es sein, dass wir manche Inhalte verstärken, je nach Bedarf.“
Bei vielen Schulabgängern ist das Berufsbild noch nicht präsent
Wichtige Arbeit an Schnittstellen
Drittes Unternehmen im Bunde ist die Hartmetall-Werkzeugfabrik Paul Horn GmbH aus Tübingen. „Wir suchen immer nach Ausbildungsberufen, die uns bei unseren Produktionsprozessen weiterhelfen“, berichtet Ausbildungsleiter Patrick Wachendorfer. Er sieht in einigen Bereichen Nachholbedarf, hat sich deshalb mit mehreren Produktionsleitern zusammengesetzt und festgestellt, dass es keine richtige Schnittstelle zwischen Arbeitsvorbereitung und Produktion gibt.
„Hier könnten wir einen Produktionstechnologen bestens einsetzen.“ Ab Beginn des Ausbildungsjahres 2024/2025 will das Unternehmen deshalb zum ersten Mal diesen Beruf ausbilden. Er stehe schon in Kontakt mit Marc Bitzer und Jürgen Boss und profitiere von ihren Erfahrungen, erzählt Wachendorfer. Im Web wird die Ausbildungsstelle bereits beworben. „Bei vielen Schulabgängern ist dieses Berufsbild noch nicht präsent. Daran sollte dringend etwas geändert werden“, findet Patrick Wachendorfer. Er bezeichnet den Beruf aufgrund seiner Wichtigkeit im Produktionsprozess und aufgrund seiner technischen, wirtschaftlichen und organisatorischen Aufgaben bei der industriellen Erzeugung von Produkten als „oben angesiedelt“. In der Ausbildung im eigenen Betrieb sieht er die Chance, eine Schnittstelle zwischen Abteilungen in den Bereichen Instandhaltung, Arbeitsvorbereitung, Produktionsentwicklung, Logistik und Verkauf zu schaffen – und dadurch höchste Qualität der Produkte bei bestmöglicher Wirtschaftlichkeit. /
(Dieser Artikel erschien in der WNA-Ausgabe 12/2023+1/2024.)
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