TV-Journalistin Sandra Maria Gronewald

„Moderatorin ist kein Vorlesejob“

Man kennt ihr Gesicht aus dem Fernsehen: Die gebürtige Tübingerin Sandra Maria Gronewald ist eine der Frontfrauen der „Drehscheibe“ im ZDF. WNA sprach mit ihr über Boulevard in den Öffentlich-Rechtlichen, journalistische Unabhängigkeit und die Liebe der Deutschen zu „Bella Italia“.

Sandra Maria GronewaldArbeitet seit über zwanzig Jahren vor und hinter der Kamera für das ZDF: Sandra Maria Gronewald. Foto: Jana Kay

WNA: Sie haben „Leute heute“ und „Hallo Deutschland“ moderiert. Derzeit sind Sie eines der Gesichter des ZDF-Mittagsmagazins „Drehscheibe“: Was gefällt Ihnen an der Magazinmoderation?
Gronewald: Im Magazinjournalismus geht es genauso um Information und gut recherchierte Fakten wie bei den Hard News. Aber – und das liegt mir persönlich sehr – es geht auch um Emotionen und um eine zwischenmenschliche Ebene. Moderator und Zuschauer bauen eine Verbindung auf. Es macht mir seit Jahren große Freude, ein Bindeglied zwischen unseren Inhalten und den Konsumenten vor den Bildschirmen zu sein. Meine Persönlichkeit einbringen zu können, dafür bietet die Magazinmoderation mehr Raum.

Moderatorinnen und Moderatoren sehen sich manchmal mit dem Vorurteil konfrontiert, dass man für den Job nur gut sprechen und hübsch aussehen muss. Ärgert Sie das?
Gibt es dieses Vorurteil wirklich? Ich für meinen Teil habe jahrelang sehr glücklich als Fernsehjournalistin hinter der Kamera an Interviewfragen, an Schnittplätzen, bei Pressekonferenzen, in Regieräumen und an roten Teppichen gearbeitet, bevor ich moderiert habe. Ich würde den Job im Fernsehstudio heute anders machen, wenn ich dieses journalistische „Vorleben“ nicht gehabt hätte. Während der Livesendung weiß ich genau, welche Fäden jetzt gerade wo gezogen werden und wer was zu tun hat, damit alles funktioniert. Ich finde: Erst wenn man den ganzen Beruf des TV-Journalisten kennt, weiß man die Teamarbeit so richtig zu schätzen und nimmt sich selbst als Gesicht der Sendung nicht so wichtig. Ich persönlich verstehe den Job des Moderators also nicht als Vorlesejob eines womöglich attraktiven Menschen, der gut spricht. Sondern als Teil eines größeren Ganzen: nämlich des so vielseitigen und spannenden Jobs des TV-Journalisten.

Inwieweit sind Sie in die Gestaltung von Programminhalten eingebunden?
Jeden Morgen um 8.30 Uhr wird der aktuelle Tag besprochen. Das aktuelle Aufmacherthema muss eins sein, das möglichst viele Menschen bewegt, zu dem viele eine Meinung haben. Welches Thema das ist, das entscheiden wir als Redaktion gemeinsam – jeden Tag neu.

Sie haben Ihre journalistische Karriere als Redakteurin bei der „Drehscheibe“ begonnen. 20 Jahre später sind Sie eine der Frontfrauen der Sendung. Wie war es, wieder zu den Wurzeln zurückzukehren?
Es war eine Herausforderung, dieselbe Arbeit Jahre später aus einer anderen Perspektive zu erleben, nämlich als Moderatorin. Eine der größten Änderungen war natürlich die Digitalisierung: Zu meinen ZDF-Anfängen schnitten wir die Beiträge noch analog und schoben noch Disketten in den PC. Es ist also generell jetzt ein ganz anderes Arbeiten als in den späten 1990er-Jahren. Und es war natürlich schön, dass ich viele Kolleginnen und Kollegen schon von früher kannte, zum Beispiel meine Moderationskollegin Babette von Kienlin, mit der ich mich seit mehr als zwanzig Jahren sehr gut verstehe.

„Mich bewegen die Schicksale, über die ich berichte“

Sandra Maria Gronewald

Die Themen Ihrer Sendungen sollen nah dran sein an den Bürgern und Geschichten aus den Bundesländern vor Ort erzählen. Wie gelingt es, wirklich über die Themen zu berichten, die das Land bewegt?
Ganz einfach: indem wir rausgehen. Unsere Reporterinnen und Reporter sind in jedem Bundesland und weltweit unterwegs. Sie spüren die Themen und Emotionen auf, die die Menschen vor Ort bewegen. Gerade vor Landtagswahlen zum Beispiel nehmen wir die Sorgen, Ängste und Hoffnungen der betreffenden Region genau unter die Lupe. Die Menschen des Bundeslandes kommen täglich zu Wort. Unsere Themen entstehen generell nicht am Schreibtisch, sondern draußen bei den Menschen. Wir haben Rubriken wie „zdf.in“ oder „Expedition Deutschland“, die genau diesen direkten Kontakt mit den Menschen spiegeln. Bei „Hallo Deutschland“ besuchen wir Auswanderer, also Deutsche, die den Sprung ins Ausland gewagt haben. Oder wir zeigen Schicksale und Geschichten, die wir monate-, manchmal jahrelang im Auge behalten. Der Mensch steht im Mittelpunkt.

Immer wieder geht es auch um Kriminalität und Unglücke. Verändert sich beim Berichten der Blick auf die Welt, wenn man ständig mit solchen Themen konfrontiert wird?
Leider schon ein bisschen. Man bekommt jeden Tag vor Augen geführt, was alles passieren kann. Das kann die eigene Unbeschwertheit schon ein wenig beeinflussen. Mich bewegen die Schicksale, über die ich berichte, und auch traurige Nachrichten lassen mich nicht kalt. Damit umzugehen, das lernt man mit der Zeit, und das ist schon irgendwie ein Teil von mir geworden.

Sie haben auch „Leute heute“ moderiert. Das ZDF setzt das beliebte People-Magazin im Herbst ab. Ist die Zeit der öffentlich-rechtlichen Promi-Magazine vorbei?
Nein, die beliebten und meines Erachtens auch wichtigen „bunten“ Themen wie Prominente, Glamour und Eskapismus werden ab dem Herbst bei „Hallo Deutschland“ stattfinden. Und zwar – das kann ich jetzt schon garantieren – ebenso seriös und fundiert recherchiert, wie das in den vergangenen Jahrzehnten bei „Leute heute“ der Fall war.

Prominente sind dank Social Media längst nicht mehr auf die klassischen Medien angewiesen. Wie sieht heute guter People-Journalismus aus?
Ja, Prominente nutzen heutzutage die sozialen Medien, um ihre eigenen Meldungen zu veröffentlichen. Wichtig ist, dass man als Boulevardjournalist auch diese genau prüft und nicht auf alles draufspringt, nur weil ein prominenter Name dahintersteht. Solche Veröffentlichungen einzuordnen und auch mal zu hinterfragen – das sind nach wie vor Aufgaben des Journalisten.

Sandra Maria GronewaldSandra Maria Gronewald lebt mit ihrem Mann, dem Sportmoderator Klaus Gronewald, und den beiden gemeinsamen Kindern in Wiesbaden und München. Foto: Jana Kay

Zuletzt gab es Schlagzeilen rund um Journalisten der Öffentlich-Rechtlichen, die Moderationsaufträge der Bundesregierung angenommen haben. Sie moderieren ebenfalls Veranstaltungen von Bundesministerien. Verstehen Sie, dass sich Bürgerinnen und Bürger daran stören?
Selbstverständlich muss die journalistische Unabhängigkeit gewahrt sein und es darf kein Interessenkonflikt bestehen. Ich persönlich arbeite als freie Journalistin fürs ZDF und achte bei meinen anderen Jobs immer auf journalistische Unabhängigkeit. Ich moderiere ausschließlich Veranstaltungen, die nicht mit meiner Arbeit beim ZDF korrelieren. Wegen meiner Fremdsprachenkenntnisse sind das meist mehrsprachige Veranstaltungen, die einen Bezug zu anderen Ländern haben, vor allem zu Italien. So habe ich zum Beispiel die deutsch-italienische Wirtschaftskonferenz des Bundeswirtschaftsministeriums moderiert, in der es um die wirtschaftlichen Beziehungen der beiden Länder ging.

„Italien hat so einiges, was viele Deutsche wohl auch gerne hätten“

Sandra Maria Gronewald

Sie pflegen eine besondere Beziehung zu Italien und haben ein Buch über Florenz geschrieben, das im Herbst erscheint. Warum ist Italien so ein Sehnsuchtsort für die Deutschen?
Italien hat so einiges, was viele Deutsche wohl auch gerne hätten: eine gewisse Lässigkeit im Alltag, eine wunderschön melodiöse Sprache und dann auch noch fantastisches Essen und schönes Wetter. Ich glaube, dass viele Deutsche auch die Werte, die in vielen italienischen Familien gelebt werden, toll finden: Familie steht vor allem. Gegessen wird stundenlang, um zusammen zu sein, nicht schnell, schnell, um den Hunger zu stillen. Und was Florenz angeht – das strotzt ja vor Kunst, Kultur und Ästhetik. In meinem Buch erzähle ich meine Geschichten dieser wunderbaren Stadt, in der ich in den 1990er-Jahren gelebt habe, kurz vor meinem Start beim ZDF.

Und warum ist Italien für Sie persönlich Ihr Place to be?
Bei meiner ersten Reise nach Italien war ich drei Jahre alt, seitdem hat mich das Land nie mehr losgelassen. Meine Eltern liebten es auch. Ihnen habe ich es zu verdanken, dass ich mich schon damals so unsterblich in dieses Land und vor allem seine Sprache verliebt habe. Immer wenn ich dort bin und die Sprache sprechen kann, geht mein Herz auf. Und es ist mir sehr wichtig, die freundschaftlichen Beziehungen zwischen Deutschland und Italien zu fördern und zu pflegen, zum Beispiel durch mein Engagement bei der Italienischen Botschaft.

Als Reisejournalistin: Wie würden Sie Ihre Heimatstadt Tübingen anmoderieren?
Das schöne Tübingen ist leider „nur“ meine Geburtsstadt: Mein Vater hat dort in den 1970ern promoviert und kurz nach meiner Geburt ist unsere Familie berufsbedingt weggezogen. Ich würde vielleicht Worte wählen wie: „Und jetzt zu einem Ort, der mir persönlich sehr am Herzen liegt, obwohl ich nur wenige Monate dort verbracht habe. Doch man vergisst nie den Ort, an dem man das Licht der Welt erblickt hat.“ Wo meine Wiege stand, da ist mein Heimatland – so hieß es doch mal in einem Lied. (lacht) /

(Dieser Interview erschien in der WNA-Ausgabe 6+7/2023.)

Vita

Dr. Sandra Maria Gronewald wurde 1976 in Tübingen geboren. Sie studierte unter anderem in Mainz und Mailand Romanistik und Journalismus und promovierte an der Uni Mainz.

Seit 2000 ist Gronewald als Reporterin und Moderatorin für das ZDF tätig, unter anderem für „Drehscheibe“, „Hallo Deutschland“ und „Leute heute“.

Zudem moderiert Sandra Gronewald Veranstaltungen und Galas. Die Journalistin spricht fünf Sprachen und wurde mit dem Verdienstorden der Republik Italien („Orden des Sterns von Italien“) ausgezeichnet.

Im Herbst erscheint ihr neues Buch: „Nice to meet you, Florenz!“, eine Entdeckungstour durch die Hauptstadt der Toskana.