Viertagewoche und Arbeitsrecht: Das sollten Betriebe wissen

Ein gezeichnete Mann steht mit einem Bleistift an einem Wochenkalender, in dem vier Arbeitstage eingetragen sindVier Tage Arbeit, drei Tage frei: Das Prinzip der Viertagewoche ist einfach, doch bei der Umsetzung müssen auch Details beachtet werden. Grafik: iStock.com/Nuthawut Somsuk

Viele Unternehmen machen sich derzeit Gedanken über neue Arbeitszeitmodelle, um Fachkräfte anzulocken und an sich zu binden. Besonders im Fokus: die Viertagewoche. Nadine Kirsch, Fachanwältin für Arbeitsrecht sowie Certified Compliance Officer (DIZR) bei der Voelker & Partner Rechtsanwälte Wirtschaftsprüfer Steuerberater mbB in Balingen, beantwortet die wichtigsten Fragen zum Thema.

Was sind aus Arbeitgebersicht die Vorteile einer Viertagewoche? Was spricht für und was gegen die Einführung?

Studien zeigen, dass die Viertagewoche – abhängig von Branche und Tätigkeit – die Produktivität der Beschäftigten erhöhen sowie die Attraktivität des Unternehmens als Arbeitgeber steigern kann. So kann sie gerade in Branchen, in denen der Fachkräftemangel besonders ausgeprägt ist, als ein Instrument zur Personalgewinnung genutzt werden. 

Natürlich gibt es aber auch Branchen und Tätigkeiten, die nicht für eine Viertagewoche geeignet sind. Dürfen die Beschäftigten ihren freien Tag frei wählen, kann zudem erhöhter Abstimmungsbedarf innerhalb des Unternehmens entstehen, was sich negativ auf die betrieblichen Prozesse auswirken kann. Unternehmen sollten die Viertagewoche daher erst nach sorgfältiger Analyse der Arbeitssituation und gegebenenfalls zunächst befristet einführen.

Wie können Unternehmen die Viertagewoche rechtlich korrekt ausgestalten?

Für die Umsetzung der Viertagewoche gibt es verschiedene Modelle. Maßgeblich bei der Gestaltung sind immer die Variablen Gehalt und Wochenarbeitszeit. Das einfachste und wohl am häufigsten praktizierte Modell besteht in der Reduzierung der wöchentlichen Arbeitszeit auf 80 Prozent, zum Beispiel von 40 auf 32 Wochenstunden, bei gleichem Gehalt. Der freie Tag kann fest vereinbart oder – sofern im Unternehmen praktikabel – von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern flexibel genommen werden.

Ein anderes Modell, das sogenannte Belgische Modell, ist aus arbeitsrechtlicher Sicht problematischer. Es lässt das Gehalt sowie die wöchentliche Arbeitszeit unverändert, verteilt die Lage der Arbeitszeit jedoch um. Bei einer 40-Stunden-Woche wird dann an vier Tagen jeweils zehn Stunden lang gearbeitet. Da die tägliche Arbeitszeit laut Arbeitszeitgesetz zehn Stunden nicht überschreiten darf, ist damit allerdings bereits die tägliche Höchstarbeitszeit erreicht. Überstunden sind nicht mehr erlaubt. Es muss in diesem Modell also immer strikt darauf geachtet werden, dass die arbeitsrechtlichen Vorschriften zu Höchstarbeits-, Pausen- und Ruhezeiten dennoch eingehalten werden. Somit dürfte es sich für viele Betriebe nicht eignen.

Darf der Arbeitgeber die Viertagewoche auch ohne Rücksprache mit seiner Belegschaft einführen?

Die Lage der Arbeitszeit wird vom Arbeitgeber einseitig im Rahmen seines Direktionsrechts festgelegt. Die Beschäftigten haben hier, sofern es keine abweichenden arbeitsvertraglichen oder tariflichen Regelungen gibt, kein Mitspracherecht. Der Arbeitgeber hat jedoch billiges Ermessen auszuüben. Er muss die Interessen der betroffenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter angemessen berücksichtigen und sichergehen, dass ihnen die geänderte Lage der Arbeitszeit zumutbar ist. Sofern mit der Arbeitszeit auch das Gehalt reduziert werden soll, geht dies nur im Einvernehmen oder gegebenenfalls durch eine Änderungskündigung, für die dann jedoch ein Kündigungsgrund vorliegen muss.

Soweit keine abweichenden gesetzlichen oder tariflichen Regelungen bestehen, hat zudem der Betriebsrat bei der Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage ein Mitbestimmungsrecht, das beachtet werden muss. Es umfasst auch die Frage, an wie vielen Tagen in der Woche gearbeitet werden soll.

Was muss bei der Viertagewoche in Bezug auf Überstunden und Pausen beachtet werden?

Eine Arbeitszeitreduzierung kann zu Überstunden führen. Wenn das Arbeitspensum im Unternehmen bereits in einer Fünftagewoche für den Großteil der Beschäftigten nicht zu schaffen ist, macht es vermutlich wenig Sinn, die Viertagewoche einzuführen. Tut es ein Betrieb dennoch, können in der Folge problematische Konflikte mit dem Arbeitszeitgesetz entstehen, indem Pausen nicht genommen oder Höchstarbeits- und Ruhezeiten nicht eingehalten werden. Gerade das Belgische Modell erlaubt, wie geschildert, keinerlei Flexibilität für Mehrarbeit und Überstunden.

Welche Regeln gelten bei der Viertagewoche für Azubis, Teilzeitbeschäftigte und Schwangere?

Das Modell der Viertagewoche, bei der die Wochenarbeitszeit bei gleichbleibendem oder reduziertem Gehalt gesenkt wird, ist für die genannten Personengruppen unproblematisch. Das Belgische Modell hingegen scheidet für Auszubildende und Schwangere aus: Die tägliche Arbeitszeit von Schwangeren und Stillenden darf achteinhalb Stunden nicht übersteigen. Jugendliche dürfen täglich maximal acht Stunden arbeiten. Für Teilzeitbeschäftigte gibt es in diesem Modell keine Beschränkungen, sofern keine abweichenden arbeits- oder tarifvertraglichen Regelungen vorliegen.

Hat die Viertagewoche Auswirkungen auf Krankheits-, Urlaubs- und Feiertage?

Nur scheinbar. Krankheitstage müssen in der Viertagewoche ebenso wenig „nachgeholt“ werden wie in der Fünftagewoche. Auch bei den Feiertagen werden Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht benachteiligt. Natürlich kann es sein, dass ein Feiertag auf den ohnehin freien Tag fällt. Das kann aber immer vorkommen. Auch beim Urlaub gibt es keine Schlechterstellung: Hat ein Arbeitnehmer in der Fünftagewoche 20 Tage Urlaub, sind es in der Viertagewoche „nur“ 16. Er benötigt hier aber auch nur vier Tage Urlaub, um eine ganze Woche freizuhaben.

Einzig im Belgischen Modell ergibt sich für Arbeitgeber unter Umständen ein Nachteil. Hier umfasst der einzelne Arbeitstag zehn Stunden statt zuvor acht. Das kann bei einzelnen Ausfalltagen ins Gewicht fallen.

(Dieser Artikel erschien in der WNA-Ausgabe 4+5/2024.)

 

Saskia Neugebauer

Saskia Neugebauer

Zentrale Dienste und Kundenmanagement
IHK-Zentrale
Position: Projektmanagerin Personal
Schwerpunkte: Ausbildungsleitung, Bewerbermanagement, HR-Software, Netzwerk Beruf und Familie
Telefon: 07121 201-135
E-Mail schreiben
vCard herunterladen
Zur Detailseite