Positionen des Ausschusses für Medien- und Filmwirtschaft

IHK Reutlingen, Tübingen und ZollernalbFoto: kckate16/Shutterstock.com

Der landesweite Ausschuss Medien- und Filmwirtschaft, der sich 2016 bei der IHK Reutlingen konstituierte, hat im Herbst 2020 dieses Positionspapier beschlossen. Die in dem Papier enthaltenen Positionen und Forderungen schreiben die Forderungen von 2016 für die künftige Ausschussarbeit fort.

Mit dem vorliegenden Positionspapier soll ein stärkeres Bewusstsein für die Medien- und Filmbranche gefördert sowie ein Fahrplan für eine florierende Medien- und Filmwirtschaft in Baden-Württemberg aufgezeigt werden. Eine prosperierende Filmwirtschaft wirkt sich positiv auf alle Branchen im Land aus, die zur Herstellung von Bewegtbild notwendig sind (zum Beispiel Requisiten, Kulissen, Drehorte, Visual Effects, Unterkunft, Verpflegung, Technik, Bürobedarf, IT, Autovermietung). Ebenso profitieren das Image des Landes, der Tourismus, die Fachkräfteentwicklung und weitere medienunabhängige Wirtschaftszweige.

Der Ausschuss fordert:

  • Eine starke Kooperation der für den Filmstandort zuständigen Ministerien (Staatsministerium, Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Wohnungsbau, Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst, Ministerium für Kultus, Jugend und Sport), sowie konsequente Koordinierung durch das Staatsministerium.
  • Eine klare Vision mit dem Ziel, in welche Richtung der Standort entwickelt werden soll.
  • Die zügige Umsetzung der Filmkonzeptionen von 2008 und 2020 mit konkreten Maßnahmen, Zuständigkeiten und einem Zeitplan.
  • Einen bedarfsgerechten, gezielten, kontinuierlichen Ausbau der MFG Filmförderung Baden-Württemberg, der die Filmwirtschaft selbständiger und damit langfristig insgesamt unabhängiger von Förderungen macht.
  • Medien- und Filmwirtschaft als Innovationstreiber wahrnehmen / Vernetzung mit weiteren Wirtschaftszweigen fördern.
  • Eine Stärkung des Film- und Medienstandortes in der öffentlichen Wahrnehmung durch ein Sichtbarwerden bei Festivals, Sendern, in Kinos, etc.

Dies bedeutet aus Sicht des Ausschusses im Einzelnen:

Kooperation der für den Filmstandort zuständigen Ministerien

Für die Medienunternehmen im Land sind das Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Wohnungsbau, das Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst, das Ministerium für Kultus, Jugend und Sport sowie das Staatsministerium von Bedeutung. Diese haben teilweise unterschiedliche Zuständigkeiten und Ziele. Bewegtbild ist heute mehr als Fernsehen (Staatsministerium) oder Kino (Kunst), es ist heute wesentlicher Bestandteil von Unternehmen (Wirtschaft), wodurch es einer gesamtheitlichen Strategie und klarer ministeriellen Zuständigkeiten bedarf. Für eine effektivere Zusammenarbeit ist es deshalb aus Sicht des Ausschusses dringend notwendig, die zuständigen Ministerien zu koordinieren, z.B. durch das Staatsministerium. Es braucht Strukturen, die der weiter wachsenden Bedeutung der Film- und Medienwirtschaft gerecht werden und diese stärker in der Landespolitik verankern.

Das Ziel des Ausschusses ist ein starker Film- und Medienstandort unter den ersten zwei bis drei Plätzen nach Umsatzvolumen in Deutschland. Aus diesem Grund bedarf es übergreifender und aufeinander abgestimmter Strukturen, in denen sich private wie öffentlich-rechtliche Rundfunkunternehmen (TV, Radio und Online), Streamingdienste, Filmproduzenten, Dienstleister, Filmschaffende, die Kinobranche und werbetreibende Wirtschaft wiederfinden. Hohe Investitionen auch seitens des Landes in die Ausbildung müssen sich langfristig in einer hervorragenden, inhaltlichen Qualität des Contents wiederfinden sowie in wirtschaftlichen Erfolgen für ortsansässige Firmen/Filmschaffende zeigen. Die Ausbildungsstätten sollen sich mit Blick auf Inhalte und Anzahl der Absolventen am Bedarf des Marktes orientieren. Den Sendern muss das Potenzial der hiesigen Filmszene erkennbar gemacht werden, um diese im Sinne der Medienvielfalt einzubinden. Der Wirtschaft sollten die Möglichkeiten und deren kreativen Ressourcen im Werbe- und Imagefilmbereich im Land bekannt sein.

Aufgrund der Komplexität und Bedeutung des Themas ist es erforderlich, dass alle genannten Ministerien an der Weiterentwicklung des Medien- und Filmstandortes Baden-Württemberg beteiligt sind. Zur jährlichen Evaluation aller Gesichtspunkte der entsprechenden Lage ist die Etablierung eines Beirats, in dem auch die Stimme der Wirtschaft vertreten ist, unbedingt ratsam. Eine klare Strategie mit konkreten Maßnahmen auf Basis eines deutlich erhöhten Budgets, die alle Beteiligten mit Nachdruck verfolgen, wird nach Einschätzung des Ausschusses in kurzer Zeit zu einer spürbaren Verbesserung und Weiterentwicklung der Film- und Medienwirtschaft in Baden-Württemberg führen.

Umsetzung der Filmkonzeptionen von 2008 und 2020

Obwohl Baden-Württemberg eines der bevölkerungsreichsten Bundesländer ist, wird beispielsweise im Verhältnis zum Gebührenbeitragsaufkommen noch zu wenig im Land produziert. Um Absolventen der Hochschulen und Filmschaffende/Dienstleister dauerhaft an den Standort zu binden, ist eine Erhöhung und Verbesserung des Auftragsvolumens maßgeblich – ein Aspekt, der schon in der 2008 veröffentlichten Filmkonzeption II von der Landesregierung beschlossen wurde und zusätzlich Erwähnung in der Filmkonzeption 2020 findet, jedoch nicht ganzheitlich umgesetzt ist. Mit seiner Hauptabteilung Film und Doku sowie seinem Landesprogramm kommt dem SWR als öffentlich-rechtliche Sendeanstalt eine bedeutende Rolle für die lokalen Filmschaffenden zu: Der SWR ist ein wichtiger Türöffner in die ARD, vergibt allerdings weniger als ein Drittel aller Aufträge an Filmschaffende in Baden-Württemberg. In seinem Produzentenbericht 2015 bestätigt der SWR selbst: „Insbesondere die Produzenten aus der Region besitzen das notwendige Gespür und die erforderlichen Kenntnisse, interessante regionale Inhalte und Themen zu entwickeln“. Im Gegensatz dazu beauftragt der SWR nach eigenen Angaben immer weniger in Baden-Württemberg ansässige Filmproduktionsunternehmen. In den Jahren 2014 bis 2018 hat die Zahl der beauftragten Unternehmen in Baden-Württemberg von über 50 auf 43 pro Jahr abgenommen. Dies entspricht lediglich 23% der insgesamt bundesweit beauftragten 184 Firmen. Die Aufträge landen somit weit überwiegend bei Produzenten in Berlin, Köln/Düsseldorf, Hamburg oder München. Der Produzentenbericht gibt leider auch keine Auskunft, ob einige wenige Firmen den größten Anteil des Budgets bekommen oder ob sich der Programmauftrag und damit auch die Sichtbarkeit im Programm gleichmäßig verteilt. Der Ausschuss fordert eine Sensibilisierung der Redaktionen für in Baden-Württemberg ansässige Unternehmen – nicht zuletzt auch um Potentiale für die hiesige Wirtschaft zu heben. Hierfür braucht es dringend ein Dialogformat, das einen Ausbau der Zusammenarbeit gewährleistet und sicherstellt. Zusätzlich braucht es in der gebührenfinanzierten Sendeanstalt über den Debütbereich hinaus, klare Strategien und innovative Ideen insbesondere für Animationsserien- und (Animations-)Spielfilme sowie für Dokumentarfilme und Dokumentationen, Serien, Unterhaltung und Show. Hierbei sollte auch eine internationale Verwertbarkeit bedacht und von förderbaren Vertriebsstrategien gestützt werden.

Dabei fordert der Film- und Medienausschuss bei den Anstrengungen nicht nachzulassen, z.B. Filmaufträge der ARD Degeto nach Baden-Württemberg zu holen und hiesige Produzenten zu empfehlen. Darüber hinaus wären beim SWR regelmäßige Sendeplätze und Budgets für Kinokoproduktionen zur Entwicklung des Filmstandortes notwendig. Weiter sollten die Anfänge verstärkt werden, um neben dem Nachwuchs auch die etablierten Unternehmen an den Standort zu binden. Das kann eine bezahlte Stoffentwicklung sein oder die Umsetzung redaktionell entwickelter Ideen. Dabei besteht für den Sender die Chance, die geforderte, inhaltliche Qualität zu erhalten, Produzenten kennenzulernen und an den Sender zu binden. Gerade ein öffentlich-rechtlicher Sender, bei dem die regionale Vielfalt im Auftrag steht, sollte hier proaktiv werden, investieren, weiterqualifizieren und Türen öffnen.

Des Weiteren sollte das ZDF, vor allem nach Beendigung der für den Standort wichtigen Serienproduktion „Dr. Klein“, anteilig an seinem Rundfunkbeitragsaufkommen stärker für Produktionen im Land in die Pflicht genommen werden (aktuell einzig verbliebende Serienproduktion ist die SOKO Stuttgart). So werden in Baden-Württemberg kaum ZDF-Fernsehfilme produziert. Gleiches gilt für die bundesweiten, privaten Rundfunkanstalten wie RTL oder ProSiebenSAT1. RTL wurde beispielsweise vor Jahren aus der Verantwortung entlassen, ein regionales, landesweites Programmfenster zu vergeben. Hiesigen, privaten, journalistischen Zulieferern entgehen hier jährlich Aufträge in Millionenhöhe und die Möglichkeit, die Bürgerinnen und Bürger auch über diesen Weg mit regionalen, landesweiten Themen zu erreichen. Damit ist eine große, journalistische Vielfalt verloren gegangen. Private, regionale Medienanbieter brauchen eine bessere Unterstützung.

Ein weiterer Punkt aus der Filmkonzeption 2020 ist der erkannte Mangel an Fachkräften in den Berufen der Filmgeschäftsführung, Aufnahmeleitung und Produktionsleitung. Zu diesem Thema hat sich an der IHK Reutlingen ein Arbeitskreis aus Fachleuten gebildet, der Zertifikatslehrgänge in genau diesen drei Bereichen entwickelt hat. Eine Förderung der individuellen Weiterbildung von Filmschaffenden oder Quereinsteigern ist dringend notwendig, weil hiesige Firmen / Filmschaffende häufig nicht über das notwendige Kapital verfügen.

Ausbau der MFG Filmförderung Baden-Württemberg

Die MFG Filmförderung Baden-Württemberg ist ein entscheidender Bestandteil in der Weiterentwicklung des Film- und Medienstandortes Baden-Württemberg.

Nur eine starke MFG Filmförderung Baden-Württemberg ist in der Lage, auf aktuelle Entwicklungen zu reagieren und im nationalen und internationalen Wettbewerb bestehen zu können. Sowohl national rüsten andere Bundesländer wie Bayern, Nordrhein-Westfalen und Berlin-Brandenburg wie auch die europäischen Nachbarländer ihre Fördervolumina massiv auf, während Baden-Württemberg den Status quo aufrechterhält.

Dabei erzielen geförderte Produktionen Wertschöpfungseffekte im Land von 120% bis 500%. Das heißt, dass bei 500.000 Euro baden-württembergischer Fördersumme bis zu 2.500.000 Euro in Baden-Württemberg verausgabt werden. Produktionsunternehmen stehen in einem internationalen Wettbewerb, wo zusätzlich bestimmte Rahmenbedingungen im Ausland deutsche Unternehmen benachteiligen. Während ein deutsches Produktionsunternehmen in Frankreich aufgrund der gesetzlichen Bestimmungen eine französische Koproduktionsbeteiligung braucht, kann ein französisches Unternehmen problemlos ohne deutschen Produzenten mit einem deutschen Sender ko-produzieren.

Die MFG spielt auch eine große Rolle dabei, die Absolvent*innen der Filmakademie Baden-Württemberg GmbH zu fördern und Perspektiven in Baden-Württemberg aufzuzeigen. Die Aufgabe der MFG muss dabei in einem ausgewogenen Ausgleich zwischen Start-ups, kleinen, unabhängigen Filmunternehmen und den großen Medienunternehmen in Deutschland mit Auftragsvergaben nach Baden-Württemberg liegen.

Für das Fördermodul Incentive Funding der MFG wird empfohlen, dieses in der Weise weiterzuentwickeln, dass Produzenten kontinuierlich bei der Entwicklung von Stoffen und Pitches unterstützt werden, um Produzenten stärker als bisher die Teilnahme am Wettbewerb um Auftragsproduktionen zu ermöglichen.

Ohne die MFG Filmförderung wäre das Land auch um zahlreiche Kinobetriebe ärmer, welche sonst nicht die Umstellung von analog auf digitale Technik geschafft hätten. Investitionsförderungen für die Kinos sind auch weiterhin notwendig, um eine flächendeckende, vielfältige Kinolandschaft in Baden-Württemberg und das Gemeinschaftserlebnis Kino zu erhalten und zu erweitern, um auch der kulturellen Bedeutung des Films für alle Bevölkerungsschichten gerecht zu werden.

Sowohl aus wirtschaftlichen als auch kulturellen Gesichtspunkten ist der Erhalt einer vielfältigen und möglichst flächendeckenden Kinolandschaft im Land und die Unterstützung bei der Entwicklung neuer Geschäftsmodelle der Kinos, insbesondere in Folge der Corona-Pandemie eine bedeutende Zukunftsaufgabe des Landes und der MFG.

Die Arbeit der MFG ist eine klare Erfolgsgeschichte, die nach Sicht des Ausschusses von der Politik weiter stark unterstützt und bedarfsgerecht signifikant ausgebaut werden muss, um wettbewerbsfähig bleiben zu können. Der Ausschuss sieht großes Potential darin, die MFG Filmförderung in Baden-Württemberg stärker unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten auszurichten, auch weil damit die kulturelle Aufgabenstellung gestärkt werden wird. Dabei sollte auch ein Modell gefunden werden, das private, regionale und landesweite Rundfunkanbieter in die Lage versetzt, mit den Filmproduktionsunternehmen kooperieren und neue Projekte auf den Weg bringen zu können.

Vernetzung der Medien- und Filmwirtschaft mit weiteren Wirtschaftszweigen

Die Medien- und Filmwirtschaft ist ein innovativer Wachstumstreiber - sei es z.B. in Form von Virtual Reality bei der Planung und Durchführung komplizierter Operationen in der Medizin, Anwendungen im Einzelhandel, 3D-Visualisierungen von Maschinen, Simulationen in fast allen Wirtschaftsbereichen, Games-Technologien in der Medizintechnik oder die grenzenlose Vernetzung von Informationen durch Suchmaschinen oder Plattformen.

Unternehmerisches Handeln muss gestärkt und gefördert werden. Dafür braucht es zum einen eine stärkere Vernetzung zwischen und innerhalb der Wirtschaftszweige, beispielsweise in Form von entsprechenden Workshops und Fachveranstaltungen für Filmschaffende und Marketing-Experten (unter anderem zu Fragen wie „Wie können Kooperationsverträge zwischen der Film- und der Werbewirtschaft rechtssicher ausgestaltet werden?“). Durch Kooperationen mit der werbetreibenden Wirtschaft können beispielsweise Filmgenres wie Unterhaltung, Komödie, Action etc. erfolgreicher gestaltet werden. Solche Filmprojekte können bei der Finanzierung, der Produktionsqualität und bei der Vermarktung profitieren. Die Konzentration von Filmfinanzierungen ausschließlich auf öffentliche Filmförderungen hemmt Kooperationen mit Werbetreibenden. Hier möchte der Ausschuss mehr Bewusstsein schaffen für förderunabhängige Wege der Finanzierung. Hierfür bedarf es auch einem stringenten Umgang des SWR gegenüber kooperativen Werbeformen (analog zur Sportwerbung). Die Grundlage hierfür ist bereits im Medienstaatsvertrag geschaffen.

Stärkung des Film- und Medienstandortes in der öffentlichen Wahrnehmung

Der Film- und Medienstandort Baden-Württemberg braucht eine stärkere, öffentliche Wahrnehmung, damit der Einsatz öffentlicher Mittel seitens der Politik eine breite Akzeptanz bei der Bevölkerung findet. Eine wichtige Rolle sieht der Ausschuss in der öffentlichen Wahrnehmung insbesondere für die Filmschau Baden-Württemberg als prominente Leistungsschau (mit Preisverleihungen und den entsprechenden Preisgeldern), die weiterentwickelt und ausgebaut werden sollte. Dabei könnte das Internationale Trickfilm Festival Stuttgart (ITFS) einerseits als Vorbild dienen, andererseits aber auch als Chance wahrgenommen werden, den nationalen und internationalen Branchenblick auf den Standort zu lenken und weiter auszubauen. Das ITFS ist ein populäres Publikumsfestival, aber zugleich ein internationaler Branchentreff. Diese Art von Veranstaltungen ist auch wichtig für die Öffentlichkeitsarbeit. Der Ausschuss regt weitere Veranstaltungen dieser Art und den Ausbau der bestehenden Festivals an.

Das Positionspapier des Ausschusses für Medien- und Filmwirtschaft wurde von der Vollversammlung der IHK Reutlingen am 16. Dezember 2020 behandelt und beschlossen.

Katharina Lein

Katharina Lein

Hauptgeschäftsführung
IHK-Zentrale
Position: Leiterin Politik/Public Affairs
Schwerpunkte: Politikkontakte, BWIHK, Medien- und Filmwirtschaft, IHK-Strategie, Koordination "IHK vor Ort", IHK-Netzwerk Young Professionals
Telefon: 07121 201-270
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