Deutschland hat beim Ausbau der erneuerbaren Energien noch einen weiten Weg vor sich. Mit der Solarpflicht will Baden-Württemberg auch in der Region den Bau von Photovoltaikanlagen vorantreiben.

Installation einer PV-AnlageHier werden gerade Solarmodule installiert. Die Solarpflicht soll dafür sorgen, dass dieses Bild in Neckar-Alb künftig noch häufiger zu sehen ist. Foto: dusanpetkovic1 - stock.adobe.com

Das Ziel ist ambitioniert: Bis 2040 will Baden-Württemberg klimaneutral werden. Das kann jedoch nur mit dem Ausbau erneuerbarer Energien gelingen, unter anderem mit der verstärkten Installation von Photovoltaikanlagen. Laut dem Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft sind bislang gerade einmal zehn Prozent der solargeeigneten Dachflächen in Baden-Württemberg tatsächlich mit Solarmodulen bestückt. Im Rahmen seiner Klimaschutzstrategie hat das Land im Jahr 2022 deshalb die Solarpflicht eingeführt.

Alle Neubauten von Pflicht betroffen
Für welche Gebäude gilt sie? Zunächst einmal für alle Neubauten: Wohnhäuser, größere Parkplätze und Firmengebäude. Anfang 2023 wurde sie zusätzlich auf grundlegende Dachsanierungen ausgeweitet.

Die Pflicht sieht vor, dass 60 Prozent der Gesamtfläche eines Daches mit Solarpanels ausgestattet sein müssen. Die Rechnung bezieht sich hierbei nur auf die Dachflächen, die tatsächlich solargeeignet sind. Bereiche, die als Flucht- und Rettungswege, zur Pflege, zur Wartung und zur Instandhaltung des Daches dienen, zählen nicht dazu. Bauherren dürfen bei der Planung selbst festlegen, welche der geeigneten Flächen sie mit Anlagen versehen möchten. Alternativ können sie die Elemente auch auf anderen Außenflächen anbringen.

Hintergrund

65.289 neue Photovoltaikanlagen wurden in der ersten Jahreshälfte 2023 in Baden-Württemberg in Betrieb genommen.

4.152 davon wurden in den Landkreisen Reutlingen, Tübingen und Zollernalb installiert.

76,8 Megawatt Leistung  haben die PV-Anlagen in Neckar-Alb. 1 Megawatt sind 1 Million Watt.

(Quelle: Internationales Wirtschaftsforum Regenerative Energien/Marktstammdatenregister, Stand: Juli 2023)

Dass eine PV-Anlage auf dem Firmengelände nicht nur Klima und Umwelt schont, sondern auch ihnen selbst Vorteile bringt, haben zahlreiche Unternehmen in der Region dabei längst erkannt. Schon vor der Einführung der Solarpflicht haben viele von ihnen Solarmodule installiert, um zumindest einen Teil ihres Strombedarfs selbst zu decken. Das bietet sich auch an: In den meisten Betrieben fallen die Arbeitszeit und die Produktionszeit des Solarstroms zusammen, sodass der erzeugte Strom direkt genutzt werden kann.

Was sagen die Stadtwerke?
Doch macht sich das auch schon bei den Stadtwerken bemerkbar? Wird gerade jetzt im Sommer weniger Strom bei ihnen abgerufen? WNA hat bei allen regionalen Stadtwerken nachgefragt und Antworten aus Tübingen und Mössingen erhalten. Sie lauten: Nein, aktuell eher noch nicht. Es sei jedoch damit zu rechnen, dass die zunehmende Umstellung auf Eigenverbrauch den Strombezug aus dem Netz künftig verringern werde. Die Stadtwerke Mössingen blicken hier auf vergangene Erfahrungen zurück: „Viele Industriekunden haben ihre Dächer bereits ohne Solarpflicht mit PV-Modulen bestückt. Die Umstellung auf Eigenverbrauch lässt bei diesen Kunden, je nach Anlagengröße, die Stromabnahme sinken.“ Pauschale Aussagen könnten jedoch nicht getroffen werden, erklären die Stadtwerke Tübingen: „Die Höhe des möglichen Selbstverbrauchs aus einer PV-Anlage ist stark vom individuellen Strombedarf und der erzeugbaren Strommenge abhängig.“

Baden-Württemberg hatte im vorigen Sommer rund 900 Sonnenstunden

Bevor eine PV-Anlage Strom liefern kann, muss sie aber natürlich erst einmal aufs Dach. Sie muss geplant, konzipiert und
installiert werden. Sobald sie läuft, geht es nicht ohne regelmäßige Überwachung und Instandhaltung. Ebenfalls nicht zu
vergessen: Versicherung und Abrechnung.

„Sicher haben sich manche Firmen wegen dieser Aspekte bisher eher gegen eine PV-Anlage entschieden – selbst wenn sie sich eigentlich dafür interessiert haben“, sagt Martin Schöfthaler, Vorstand der Bürgerenergiegenossenschaft Erneuerbare Energien Neckar-Alb eG mit Sitz in Reutlingen. „Durch die Solarpflicht kommen Betriebe zumindest bei Neubauten aber gar nicht mehr darum herum, sich mit der Installation auseinanderzusetzen.“ Das sei zeitintensiv, zudem seien die Regelungen bei Dachsanierungen noch unscharf.

Es bleiben noch gut 16 Jahre
Unternehmen müssen sich nicht zwangsläufig selbst um die Solarmodule auf dem Dach kümmern. Es ist sogar ratsam, sich bei Planung und Umsetzung Hilfe von externen Experten – etwa von den regionalen Klimaschutzagenturen – zu holen. Zudem besteht die Möglichkeit, die geeigneten Solarflächen auf dem Firmendach zu verpachten. „Viele Betriebe sagen: Wir finden eine PV-Anlage auf dem Dach gut, aber es ist nicht unser Kerngeschäft, sie zu konzipieren und zu betreiben“, so Martin Schöfthaler.

Seine Genossenschaft hat schon einige Firmen auf dem Weg zur eigenen PV-Anlage unterstützt. „Bei der Verpachtung des Dachs kann das Unternehmen den Solarstrom längerfristig zu einem festen, vergünstigten Preis beziehen. Zugleich muss es keine oder nur sehr geringe Investitionen tätigen und kann die komplette Verantwortung für die Anlage abgeben.“ Optional könnten sich die Gesellschafter und Beschäftigten des Betriebs über Genossenschaftsanteile auch an der Finanzierung der Anlage auf dem Firmendach beteiligen und sich damit direkt mit den Klimaschutz- und Stromkostensparmaßnahmen des eigenen Unternehmens identifizieren.

Im Sommer 2022 lag die Anzahl der Sonnenstunden in Baden-Württemberg bei 900, nur im Saarland schien die Sonne noch häufiger. Gute Voraussetzungen, um das Land bis zum Jahr 2040 vielleicht wirklich klimaneutral zu machen. Es bleiben noch etwas mehr als 16 Jahre. /

(Dieser Artikel erschien in der WNA Ausgabe 8+9/2023.)