Statements

„Es muss sich gewaltig etwas ändern“

Autofreie Innenstädte, bessere Gehälter für Berufskraftfahrer und Außendienst-Fahrzeuge mit minimalem CO₂-Ausstoß: Wenn es um die Mobilität von morgen geht, haben die Unternehmen in der Region schon heute viele gute Ideen – und dringende Wünsche. WNA hat nachgefragt.

Anita GaiserFoto: PR

„Funktionierende Konzepte müssen ineinandergreifen“

Anita Gaiser, Projektmanagerin bei der Teil-Auto Neckar-Alb eG, Tübingen

Natürlich trifft die angespannte Kosten- und Liefersituation auch uns, beispielsweise mit Blick auf die Beschaffung von Neufahrzeugen. Aber so ist eben die Lage – und wir versuchen, konstruktiv damit umzugehen. Dabei setzen wir unter anderem auf stärkere Digitalisierung, um unsere Prozesse noch effizienter zu machen. Anstelle einer Chipkarte können unsere Kundinnen und Kunden inzwischen ihr Smartphone nutzen, um unsere Autos zu öffnen, und in naher Zukunft werden auch die Anmeldung und die Validierung des Führerscheins komplett digital ablaufen.

Darüber hinaus ist die Mobilität der Zukunft ein Thema, mit dem wir uns schon seit langem intensiv beschäftigen. Als erfahrener Carsharing-Anbieter entwickeln wir zum Beispiel Mobilitätskonzepte für Quartiere mit reduziertem Stellplatzschlüssel. Diese Form der Zusammenarbeit mit der Wohnungswirtschaft halten wir auch für sehr wichtig: Die Verkehrswende bewältigen wir schließlich nur, wenn funktionierende Konzepte so ineinandergreifen, dass Synergie entsteht. /

Robin MorgensternFoto: PR

„Ein effizienter Ausbau der Ladeinfrastruktur ist unerlässlich“

Robin Morgenstern, Vorstandsvorsitzender der Morgenstern AG, Reutlingen

Da unsere Servicetechnikerinnen und Servicetechniker täglich bei unseren Kunden vor Ort sind, umfasst unsere Fahrzeugflotte für den Außendienst derzeit mehr als 100 Fahrzeuge. Infolgedessen macht sich der exorbitante Anstieg der Energiekosten auch stark in unserer Kalkulation bemerkbar. Wir planen zwar längst den Umstieg auf E-Autos, weil uns das Thema Umwelt sehr am Herzen liegt, aber in der aktuellen Situation schafft das nur bedingt Abhilfe. Zum einen sind die Stromkosten massiv gestiegen, zum anderen wollen wir für die E-Mobilität im Außendienst ein Konzept mit einer wirklich umweltgerechten Gesamtbilanz entwickeln.

Dafür müssen wir zahlreiche Faktoren abwägen: Wie lange fahren die Autos, wie stark beladen sind sie und wo kann man sie überhaupt aufladen? In der Stadt findet sich schnell eine Ladesäule, aber im ländlichen Raum muss noch vorausschauend geplant werden, um nicht am Ende mit leerem Akku dazustehen. Damit der ganzheitliche Wechsel zur E-Mobilität gelingt, ist daher ein effizienter Ausbau der Ladeinfrastruktur unerlässlich. /

IHK Reutlingen, Tübingen und ZollernalbFoto: PR

„An starken Gehältern in der Branche führt kein Weg vorbei“

Armando Munoz, Speditionsleiter bei der Wagner GmbH Europatransporte, Nehren

Für uns gestaltet sich derzeit die Personalgewinnung als heikles Thema: Ganz Europa leidet unter akutem Fahrermangel. Das ist allerdings eine Problematik, die sich in der Branche schon lange angebahnt hat. Der klassische Fernverkehr, für den Fahrer oft die ganze Woche unterwegs sind, ist ein harter Job. Damit der wieder attraktiv wird, muss sich gewaltig etwas ändern – vor allem am Verdienst. Dadurch steigen die auch aufgrund von Inflation und explodierenden Dieselpreisen ohnehin hohen Frachtkosten noch weiter, aber an starken Gehältern im Fernverkehr führt meiner Meinung nach kein Weg vorbei.

Gleichzeitig sehe ich aber auch die Politik in der Pflicht, den Ausbau der Infrastruktur voranzutreiben, denn auch der Parkplatzmangel wirkt sich stark auf die Arbeitszeiten der Fahrer aus. Wenn sie ihre Lenkzeit immer wieder vorzeitig beenden müssen, um noch einen sicheren Platz für die Nacht zu finden, verlängert das die Fahrten – und auch das macht den Beruf weniger attraktiv, als er sein könnte. /

Martin RiethmüllerFoto: PR

„Es fehlt an gut gemachten Alternativen zum Auto“

Martin Riethmüller, Geschäftsführer der Osiandersche Buchhandlung GmbH, Tübingen:

Beim Thema Mobilität denke ich als Geschäftsführer einer Buchhandelskette sofort an die Situation in den Innenstädten. Ich bin berufsbedingt oft in den einzelnen Osiander-Filialen unterwegs und dabei fällt mir immer wieder auf, in wie vielen Städten es derzeit an gut gemachten Alternativen zum Auto mangelt. Grundsätzlich halte ich autofreie Innenstädte für eine lobenswerte Idee. Aber bevor es an die konkrete Umsetzung geht, muss eine zentrale Frage beantwortet werden: Wie kommen die Leute in die Stadt, wenn sie das Auto stehen lassen?

Vielerorts fehlen kostengünstige Parkmöglichkeiten am Stadtrand, Anbindungen für Fahrradwege und zentrale Bushaltestellen. Außerdem könnte das ÖPNV-Angebot sicher noch etwas attraktiver werden – auch mit Blick auf die Preise. Gleichzeitig glaube ich, dass es in diesem Kontext wichtig ist, zu betonen, dass keine Stadt der anderen gleicht: Eine Lösung, die in der Großstadt erfolgreich ist, muss im ländlichen Gebiet nicht zwingend funktionieren und umgekehrt. /

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„Die Menge an Bürokratie ist ein echtes Fiasko“

Cliff Werz, Inhaber des Taxiunternehmens Werz, Eningen unter Achalm:

Bei aller berechtigten Sorge ums Klima darf man nicht vergessen, dass es Menschen gibt, die im und mit dem Auto ihr tägliches Brot verdienen – so wie wir. Dieselben Maßnahmen, die Fahrten durchs Stadtgebiet unattraktiv machen sollen, werden da schnell zum Problem. Wie stark der Verkehr zum Beispiel in Reutlingen ausgebremst wird, merken wir an den Krankentransporten, denn die bezahlt die Krankenkasse eben nicht nach Zeit, sondern pro gefahrenen Kilometer. Wenn wir für eine Strecke aufgrund neuer Verkehrsführung wesentlich länger brauchen als bisher, stimmt der Kilometerpreis nicht mehr.

Ändern können wir daran kaum etwas: Die Tarife für reguläre Fahrten im sogenannten Pflichtfahrgebiet legt das örtliche Landratsamt fest, bei Krankentransporten gibt die Krankenkasse den Preis vor. Schnelle, flexible Tarifanpassungen, die aktuelle Herausforderungen wie die steigenden Benzinpreise abfedern könnten, sind so nicht möglich: Die schiere Menge an Bürokratie, die es zu bewältigen gilt, bevor sich etwas ändert – das ist ein echtes Fiasko. /

(Diese Statements erschienen in der WNA-Ausgabe 12/2022+1/2023.)