Mobilität der Zukunft

„Die Technik wird den Straßenverkehr sicherer machen“

Mobilitätsexperte Wolfgang Echelmeyer spricht im Interview über E-Mobilität, autonomes Fahren und die Frage, wie wir zukünftig in die Innenstadt kommen.

IHK Reutlingen, Tübingen und ZollernalbProf. Dr.-Ing. Wolfgang Echelmeyer, 55, studierte Produktionstechnik. Er arbeitete an der Universität Bremen, für DHL und bei Thyssenkrupp in der Roboterentwicklung. Seit 2009 lehrt und forscht Echelmeyer an der Hochschule Reutlingen im Themenfeld technische Logistik.

WNA: Wasserstoffbetriebene Fahrzeuge mit Brennstoffzellen oder batteriebetriebene Elektrofahrzeuge: Welche der beiden Lösungen wird sich am Ende durchsetzen?
Echelmeyer: Kurz gesagt: die effizientere Lösung. Und da ist es so, dass der Gesamtwirkungsgrad bei der Batterie ungefähr dreimal höher ist als beim Wasserstoff. Nicht zuletzt aus diesem Grund sind batteriebetriebene Pkws günstiger als Autos, die mit Wasserstoff durch eine Brennstoffzelle angetrieben werden. Da die Kunden sich immer für das preiswertere Produkt entscheiden, wird sich das batteriebetriebene Fahren zumindest im privaten Bereich durchsetzen. Für Lkws und den öffentlichen Nahverkehr ist allerdings auch die Wasserstofftechnologie interessant. Wenn Strom in Zukunft mit erneuerbarer Energie günstiger produziert werden kann und ein Überschuss an Wasserstoff verfügbar ist, wird diese Art des Antriebs immer sinnvoller.

Welche Vor- und Nachteile haben die beiden Ansätze?
Hier ist der Blick auf die Umweltbilanz entscheidend. Sie fällt für die Förderung von Seltenen Erden und Metallen, die für die Herstellung von Batterien benötigt werden, äußerst problematisch aus. Der Lithiumabbau verbraucht Unmengen an Wasser, was in trockenen Regionen wie etwa dem bolivianischen Hochland das Ökosystem strapaziert. Die Herstellung von Wasserstoff kann dagegen bei einem Ausbau von Solar- und Windstrom in Zukunft klimaneutral stattfinden.

Die Politik subventioniert klimaneutrale Antriebe in Fahrzeugen. Dennoch fahren in Deutschland noch wenige Menschen elektrisch oder mit Wasserstoff. Was muss die Politik tun, um diese Entwicklung zu beschleunigen?
Letztlich überzeugt man die Bevölkerung in erster Linie über den Preis. Wer sich mit dem Thema beschäftigt, sieht, dass man derzeit elektrisch schon günstiger unterwegs ist als mit dem Verbrenner. Auch ich selbst fahre mittlerweile privat batterieelektrisch. E-Autos müssen zudem deutlich seltener in die Werkstatt, da in ihnen weniger Einzelteile verbaut sind.

Was ist mit dem Reichweitenproblem?
Menschen, die häufig lange Strecken fahren, wird man wahrscheinlich auch mit günstigeren Preisen schwer dazu überzeugen können, auf ein batteriebetriebenes Auto umzusteigen. Es wird auch noch eine Weile dauern, bis kleinere Batterien auf dieselben Reichweiten kommen wie Verbrenner. Man kann natürlich auch heute schon Batterien einbauen, die so weit fahren können, aber sie sind natürlich viel schwerer. Es macht meiner Meinung nach keinen Sinn, Batterien mit 800 Kilometer Reichweite in jedes E-Auto einzubauen, wenn die meisten Nutzer beinahe das ganze Jahr über weniger als 100 Kilometer am Tag fahren. Es ist viel sinnvoller, ein kleines E-Auto zu haben, das man jeden Abend an der Steckdose wieder aufladen kann, im besten Fall mit erneuerbaren Energien.

„Unterm Strich passieren beim autonomen Fahren deutlich weniger Unfälle.“

Sind klimaneutrale Antriebe in der Verkehrs- und Logistikbranche bereits mehr akzeptiert als im privaten Sektor?
Da würde ich zustimmen. Ich komme aus Norddeutschland, dort sind seit kurzem zwei Wasserstoffzüge unterwegs. Weil das Projekt erfolgreich läuft, schafft man nun weitere an. Der Vorteil hier ist die Energiedichte. Wenn man ein Kilo Wasserstoff speichert, kann man eine Leistung abrufen, die so per Batterie nicht möglich ist. So kommt man auf deutlich größere Reichweiten. Im privaten Sektor ist Wasserstoff aufgrund seiner hohen Produktionskosten hingegen noch unattraktiv. Günstiger kann Wasserstoff erst werden, wenn er in unser Gasnetz eingespeist wird oder extrem günstig produziert werden kann. Dies könnte zukünftig mit Solarstrom aus Afrika geschehen.

Tesla gilt als Vorreiter in Sachen E-Mobilität. Wie ist die deutsche Automobilindustrie bei diesem Thema aufgestellt?
Die deutschen Unternehmen haben deutlich aufgeholt. BMW hinkt derzeit zwar noch etwas hinterher, Mercedes und VW sind bei der E-Mobilität aber vorn dabei. Es fehlt bei den deutschen Autoherstellern derzeit allerdings noch an einem wirklich kleinen Pkw mit kleiner Batterie speziell für den Stadtverkehr. Gerade werden bei uns große Modelle in großer Stückzahl produziert. Das liegt daran, dass es derzeit einen Mangel an bestimmten Teilen gibt, die Nachfrage aber sehr groß ist. Wer ein kleines E-Auto kaufen will, wird wohl eher einen Dacia oder einen Fiat 500 kaufen.

Sind wir schon bald in selbstfahrenden Fahrzeugen unterwegs oder werden wir auch in Zukunft noch selbst am Steuer sitzen?
Wir werden auch in 20 Jahren noch hinter dem Steuer sitzen, um im Notfall eingreifen zu können. Die Technik wird uns aber immer stärker unterstützen. Unterm Strich passieren beim autonomen Fahren deutlich weniger Unfälle. Derzeit können autonome Systeme bis zu 15 km/h fahren. In naher Zukunft werden sicher 30–35 km/h möglich sein. Dann sind wir schon nahe an der Marktreife. Mit dem Ausbau des 5G-Netzes werden Autos, Lkws oder Busse dazu in der Lage sein, untereinander in Echtzeit Informationen über Verkehrsaufkommen, Wetter oder umgestürzte Bäume auf der Straße auszutauschen. Das wird den Verkehr reibungsloser und sicherer machen.

Haben Sie dafür ein Beispiel?
Wenn 400 Meter vor mir auf der Straße Stau ist, werden die Fahrzeuge auf der Straße mit meinem eigenen Auto kommunizieren und so dafür sorgen, dass mein Pkw bereits vorher die Geschwindigkeit verringert.

„In Zukunft brauchen wir eine Verschiebung hin zu mehr öffentlichem Nahverkehr und zum Fahrrad.“

Der frühere Verkehrsminister Andreas Scheuer machte vor wenigen Jahren Werbung für Flugtaxis. Glauben Sie daran, dass sie sich irgendwann durchsetzen werden?
Ich kann mir das tatsächlich gut vorstellen. Der Knackpunkt ist die Rentabilität. Sind sie für den normalen Bürger erschwinglich und im Alltag einsetzbar? Diese Gebräuchlichkeit haben wir dann, wenn das Flugtaxi die Reisezeit signifikant reduziert. Ansonsten könnte ja genauso gut jeder in sein Privatauto steigen. In dicht besiedelten Gebieten wird das wahrscheinlich nicht der Fall sein, weil die Abdeckung über den ÖPNV und das Straßennetz für private Pkws schon so gut ist, dass ein Flugtaxi nicht viel schneller am Ziel ist. Für den Personentransport in ländlichen Gebieten macht das Ganze schon mehr Sinn. Bevor man eine Stunde auf den nächsten Bus warten muss, steigt man dann lieber ins Flugtaxi und ist schnell am Ziel.

Von Radschnellwegen bis zur Regionalstadtbahn: Wie kommen wir zukünftig in die Innenstadt?
Die meisten Menschen, die die Innenstädte besuchen, kommen aktuell noch mit dem eigenen Pkw. In Zukunft brauchen wir eine Verschiebung hin zu mehr öffentlichem Nahverkehr und zum Fahrrad. Der Individualverkehr würde dann nur noch auf 15 Prozent kommen. Die Verschiebung wird allein deshalb stattfinden müssen, um die Ziele zu erreichen, die wir uns zur Emissionsreduktion gesetzt haben. Ich denke, dass der Anteil der Menschen, die mit dem ÖPNV in die Innenstadt kommen, auf bis zu 50 Prozent steigen könnte. Menschen, die weiter entfernt wohnen, könnten ihr Auto vor der Stadt abstellen und dann mit dem Bus oder der Straßenbahn weiterfahren. Dafür muss der öffentliche Nahverkehr natürlich entsprechend ausgebaut werden.

Welches Verkehrspotenzial hat das Fahrrad?  
Etwa 30 Prozent der Innenstadt-Besucher könnten mit dem Rad kommen. Dazu müssen aber noch mehr Radschnellwege gebaut werden. Derzeit stehe ich in Reutlingen häufig noch mit dem Rad neben dem Auto an der Ampel. Sinnvoll wäre es, dem Radverkehr ebenso wie Bussen eine Priorisierung an Ampeln einzuräumen. Dieses Problem wird allerdings erfreulicherweise immer mehr von der Politik angegangen. /

(Dieses Interview erschien in gekürzter Form in der WNA-Ausgabe 12/2022+1/2023.)