Märkte und Rummel

Prinzip Hoffnung

Endlich wieder Rummel. Schausteller und Marktverkäufer sind erleichtert, wieder ohne Zugangsbeschränkungen arbeiten zu können. Doch die Freude ist noch getrübt: Höhere Kosten, weniger Personal und die Sorge vor Absagen beschäftigen die Branche.

RummelTrotz Corona-Krise haben nur relativ wenige Schausteller ihr Geschäft aufgegeben. Foto: hanneliese - stock.adobe.com

Man braucht schon einen stabilen Magen, wenn man sich in den Breakdancer setzt und chaotisch im Kreis dreht. Die wirtschaftliche Situation der vergangenen beiden Jahre dürfte sich für Schausteller Timo Zöllner ähnlich angefühlt haben wie das Fahren in seinem Fahrgeschäft. „Wir haben diese Zeit echt durchlitten. Gut, dass es wieder losgeht.“

Die Pandemie hat Schaustellern und Marktverkäufern zugesetzt. 2020 ging so gut wie gar nichts, 2021 ein bisschen.Nur dank staatlicher Hilfen kam man über die Runden. Die Weihnachtsmärkte – ein Garant für den Jahresumsatz – fielen zweimal ins Wasser, im vorigen  Jahr sogar sehr kurzfristig, nachdem einige schon investiert und aufgebaut hatten. Trotzdem haben nur relativ wenige Schausteller ihr Geschäft aufgegeben. Der Schaustellerverband Südwest geht davon aus, dass ein Fünftel der Betriebe Insolvenz angemeldet hat. Dafür haben sich viele beruflich umorientiert, was gerade zu heftigem Personalmangel führt.

„Es ist alles nicht so einfach gerade.“

Schausteller Timo Zöllner

Pandemie hinterlässt Spuren
Auch bei Timo Zöllner. Gewöhnlich ist er von Ostern bis Weihnachten unterwegs, mit einem 26-Tonner-Lastwagen für die Geräte und Stände, und einem Wohnwagen. In der Region schlägt er jedes Jahr in Reutlingen und Hechingen auf. Den Betrieb stemmt Zöllner üblicherweise zusammen mit seiner Frau und vier bis sechs Festangestellten für die Saison. Die ihm jetzt alle fehlen. Dass sein Terminkalender noch einige Lücken hat, liegt unter anderem auch daran. „Den Leuten ist unser Geschäft zu unsicher geworden, es könnte ja wieder Absagen oder Einschränkungen geben.“ Wenn derzeit diskutiert werde, ob man wegen der Ukraine-Krise lieber auf Feste verzichten sollte, trage das auch zu dieser Unsicherheit bei. „Es ist alles nicht so einfach gerade.“

Weitere Auswirkungen haben freilich auch die Spritpreise. Denn Schausteller und Marktkaufleute sind ein fahrendes Volk. Die höheren Kosten will man bisher nicht durch Preiserhöhungen kompensieren. Man freut sich, wieder arbeiten zu können – aber die Freude über den Neustart ist gedämpft. Wer in dem Gewerbe buchstäblich unterwegs ist, muss sowieso zäh sein. Im Prinzip verzichtet man auf so gut wie jedes Wochenende im Jahr, ist ständig auf Achse. Wenn Märkte und Feste beginnen, haben Schausteller und Marktverkäufer schon einige Stunden Arbeit hinter sich.

Für die Krämer geht ein Markttag etwa um 3 Uhr morgens los und dauert bis 18 Uhr, vor 21 Uhr ist man nicht zu Hause. Die Schausteller bleiben in der Regel direkt vor Ort, arbeiten oft bis Mitternacht. Dazu kommen jeweils eineinhalb Tage für Auf- und Abbau, dann geht’s weiter zum nächsten Fest. Für eine Platzvergabe muss man sich bewerben. Oft hängt die Zuteilung damit zusammen, wie etabliert man im Geschäft ist. Der Rest ist Konkurrenzkampf. Und schließlich wäre da noch das Wetter, das einem jederzeit das Geschäft verhageln kann. 

„Man muss es mit Leib und Seele wollen, sonst kann man es lassen.“

Marktbeschicker Bernhard Gut, Straßberg

„Das muss man mit Leib und Seele wollen, sonst kann man es lassen“, meint Bernhard Gut. Vor über 30 Jahren übernahm er mit Bruder Reiner Gut den Familienbetrieb, die Strickerei in Straßberg. Textilproduzent, Geschäftsführer und Außendienst in Personalunion – so hielten es schon die Großeltern. Bis heute verkaufen die Brüder Gut, meistens parallel, ihre Strickmode von der Alb direkt in kleineren und mittleren Orten im Südwesten. Die starken Verkaufsmonate sind ab September bis Weihnachten. Auf Frühjahrsmärkten verkauft man Sommerkleider, die aus Italien zugekauft werden.

Die beiden vergangenen Jahre waren schwierig: Maximal 20 Prozent Umsatz habe man erwirtschaften können. Auch, weil sich Kommunen gegen Märkte entschieden hätten, obwohl es die damalige Situation zuließ. Der diesjährige Terminkalender von Bernhard Gut ist eigentlich recht gut gefüllt. Doch es bleiben Restzweifel. „Wir hoffen sehr, dass die Situation stabil bleibt und es im Herbst nicht wieder zu Absagen kommt.“ 

„Der Bedarf ist vorhanden - wenn man uns arbeiten lässt.“

Marktbeschicker Edgar Schweizer, Trochtelfingen

Von Kommunen im Stich gelassen
Wenn die zweite Jahreshälfte halbwegs normal verlaufe, ergänzt Edgar Schweizer, sei man aus dem Gröbsten raus. In Trochtelfingen führt Schweizer ein Hut- und Mützenmachergeschäft und vertreibt seine Ware auf Krämermärkten, Festen und Kirben. Die Nachfrage auf den bisherigen Veranstaltungen dieses Jahr sei gut gewesen. Und das bei teilweise recht kaltem Wetter.

Schweizer sieht dafür zwei Gründe: Zum einen, weil die Leute sich nach Normalität sehnen, zum anderen, weil die Krämer mancherorts den Einzelhandel mehr als ergänzen. „Gerade in kleineren Kommunen sind einige von uns Spezialisten, die eine gewisse Tiefe anbieten können, die es stationär oft nicht mehr gibt.“

Trotzdem blieb der Huthändler in den beiden Pandemie-Jahren auf Saisonware sitzen, weshalb man im vorigen Herbst für dieses Frühjahr moderat geplant und bestellt hat. Im Gegensatz zu einigen Kommunen, die Marktverkäufer unterstützten und ihnen ein Geschäft im kleineren Rahmen ermöglichten, hätten sich manche Gemeinden aus der Verantwortung gestohlen oder in der Corona-Krise gar die Gelegenheit gesehen, Krämermärkte ganz abzuschaffen. „Eigentlich entscheidet die Nachfrage, ob Bedarf besteht“, sagt Edgar Schweizer. „Und der ist vorhanden, aktuell sogar sehr – wenn man uns arbeiten lässt.“ /

(Dieser Artikel erschien in der WNA-Ausgabe 5/2022.)

MarktstandNach der Corona-Zwangspause hoffen Schausteller und Marktverkäufer ihre Verluste wieder wettmachen zu können. Foto: PR