Geschäftsreisen und Tagungen

Bald wieder im grünen Bereich?

Viele Hotels in der Region leben von Geschäftsreisenden und Tagungsgästen – die während der Pandemie lange Zeit ausblieben. Nun zieht das Geschäft wieder an, doch Corona hat Spuren hinterlassen.

TagungenBereit für die Gäste: Blick in einen Tagungsraum im City Hotel Fortuna in Reutlingen. Foto: PR

In den Tagungsräumen von Speidel’s Braumanufaktur in Hohenstein ist momentan viel los. „Die Tagungen in unserem Hotel laufen wieder sehr gut“, berichtet Geschäftsführer Wolfgang Speidel. „Unsere Räumlichkeiten werden vor allem für kleine Tagungen gebucht. In diesem Segment sind wir derzeit voll belegt.“ Die kleinen Gruppen nutzen das Hotel zum ungestörten Arbeiten in ländlicher Idylle und bleiben meist mehrere Tage. „Auch in der Pandemiezeit hatten wir viele Entscheidungsträger zu Gast“, erzählt Wolfgang Speidel. Etwa 80 Prozent der 36 Zimmer in seinem Haus werden von Tagungsgästen gebucht. Am Wochenende übernehmen Kurzurlauber das Hotel, um in der Umgebung Rad zu fahren, zu wandern, zu golfen oder mit Pferden auszureiten.

IHK Reutlingen, Tübingen und ZollernalbFoto: PR

„Die Tagungen in unserem Hotel laufen wieder sehr gut.“

Wolfgang Speidel, Speidel’s Braumanufaktur, Hohenstein

Personalmangel ist kein Spaß
Der bevorstehende Sommer stimmt Wolfgang Speidel positiv. „Voriges Jahr lief es vom Frühjahr bis in den Herbst hinein wieder richtig gut“, sagt er. „Doch die ursprünglich geplante 2G-Plus-Regelung für Hotels hat die Firmen verunsichert. Nach der Pressekonferenz, auf der die Landesregierung die Regelung angekündigt hat, ist das Weihnachts- und Silvestergeschäft fast komplett zusammengebrochen – ein Verlust von einer Viertelmillion Euro.“ Auch langjährige Mitarbeiter sind während der Pandemie verloren gegangen. „Wir müssen den Betrieb gegenwärtig zeitweise reduzieren und uns aufs Hotel konzentrieren“, erklärt Speidel. Cateringaufträge, ansonsten eine weitere Einnahmequelle, müssen teilweise abgelehnt werden. Dass dieser Tage auch für Konfirmationsfeiern das Personal fehlt, stößt bei einigen Gästen auf Unverständnis. „Die Diskussionen sind kein Spaß. Wenn wir nicht zügig neues Personal gewinnen, sind wir eventuell gezwungen, einen Ruhetag in unserem Restaurant einzuführen.“

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„Vieles ist wieder wie vor der Pandemie.“

Marcus Sting, Hotel Stadt Balingen, Balingen

Viele Zimmer blieben leer
Beim Hotel Stadt Balingen ist derweil Normalität eingekehrt. „Vieles ist wieder wie vor Beginn der Pandemie“, resümiert Betreiber Marcus Sting. „Die Firmen buchen wieder bei uns und die Gäste verhalten sich wie vorher.“ Rund 75 Prozent seiner Gäste sind Geschäftsreisende, die in seinem Haus übernachten, weil sie in der Region Kunden oder andere Unternehmen besuchen. Die Seminar- und Tagungsräume von Stings Hotel werden vor allem für Informationsveranstaltungen und Weiterbildungen genutzt. Die Nähe zur Balinger Stadthalle mit Kunst und Kultur sorgt auch am Wochenende für eine gute Auslastung der 55 Zimmer. Abgesehen von der Maskenpflicht ist im Haus derzeit nur noch wenig von der Pandemie zu spüren. Ganz anders sah es während der Lockdowns aus: Damals blieben bis zu 75 Prozent der Zimmer leer. Während Tagungen abgesagt wurden, konnten Marcus Sting und sein Team aber zumindest einige Geschäftsreisende begrüßen. Das Hotel Stadt Balingen hatte durchgängig geöffnet. Dennoch haben während der Kurzarbeit einige Beschäftige dem Hotel den Rücken gekehrt – was den aktuellen Aufschwung zur Herausforderung macht.

„Ohne die staatlichen Hilfen hätten wir die vergangenen beiden Jahre nicht überlebt, trotz unserer guten wirtschaftlichen Lage vor der Pandemie“, sagt Sting. Ihm hat besonders die Ungewissheit zu schaffen gemacht, wann Hilfeleistungen ankommen. „Die Rechnungen kommen schließlich fortlaufend. Ein Kredit bei der Hausbank hat uns geholfen, über die Runden zu kommen.“ Aktuell ist die Buchungslage gut, viele Firmenveranstaltungen sind in Planung. „Wenn es so weitergeht, sind wir bald wieder im grünen Bereich.“

IHK Reutlingen, Tübingen und ZollernalbFoto: Trinkhaus

„Auf Abstand und Hygienemaßnahmen wird weiterhin viel Wert gelegt.“

Hans Joachim Neveling, City Hotel Fortuna, Reutlingen

Persönliche Begegnung gefragt
Hans Joachim Neveling, Geschäftsführer des City Hotel Fortuna in Reutlingen, beobachtet aktuell ein großes Bedürfnis nach Präsenzveranstaltungen. „Die Menschen wollen sich wieder begegnen und persönlich austauschen“, sagt er. „Seminare und Veranstaltungen sind gefragt, auf Abstand und Hygienemaßnahmen wird dabei aber weiterhin viel Wert gelegt.“ Trotz dieser positiven Entwicklung rechnet er mittelfristig mit einem Rückgang von 20 bis 30 Prozent bei den Geschäftsreisenden und Tagungsgästen, die nicht nur im Reutlinger City Hotel, sondern auch in den Fortuna-Schwesterhotels in Reutlingen-Betzingen und Riederich rund 80 Prozent seiner Gäste ausmachen. „In Reutlingen sind drei neue Hotels in Planung, obwohl es schon 2019 einen Belegungsrückgang von 5 Prozent gab. Die Folge dieser Überkapazität wird ein Verdrängungsmarkt sein“, prognostiziert Neveling. Dennoch blickt er optimistisch in die Zukunft und investiert in die Nachhaltigkeit seiner Hotels. „Das wird als Unterscheidungsmerkmal immer wichtiger.“

Die Digitalisierung von Veranstaltungen begreift Neveling als Chance. Er hat alle seine Häuser mit schnellem Glasfaser-Internet ausgerüstet und ein interaktives Konferenzboard angeschafft. „Online-Meetings und hybride Veranstaltungen werden künftig internationale Reisen und globale Meetings ergänzen“, ist sich Neveling sicher. „Wir haben bisher immer einen Weg gefunden und haben eine tolle Belegschaft, die trotz Kurzarbeit mitzieht. Bei allen Krisen darf die Menschlichkeit nicht verloren gehen.“ Rund 20 Prozent seiner Zimmer stellt er derzeit kostenfrei geflüchteten Menschen aus der Ukraine zur Verfügung. /

(Dieser Artikel erschien in der WNA-Ausgabe 6/2022.)