Hinaus in die weite Welt und unbeschwert urlauben? Das war in zwei Pandemie-Jahren kaum möglich. Busunternehmen und Reisebüros versuchen nun vom Aufwärtstrend zu profitieren – und kämpfen teilweise mit alten Problemen.

Die Tourismusbranche kann wieder aufatmen: Weltweit werden immer mehr Grenzen nach Corona-Sperren wieder geöffnet. Testpflichten bei Ab- und Einreise werden aufgehoben, die Touristenzahlen steigen seit Ostern deutlich. Gute Signale für Reisedienstleister, die, wie so viele, eine schwere Rezession hinter sich haben.
Auch Ines Hahn, Chefin des Busunternehmens Hahn, spürt die Aufbruchstimmung. Kürzlich brummte die Hütte, als man nach zweijähriger Pause wieder eine Hausmesse zum Thema Kreuzfahrten abhielt. „Die Leute wollen raus“, sagt sie, um gleich hinterherzuschicken: „Die Hälfte der Kunden ist aber nach wie vor sehr vorsichtig.“ Die jetzige Reisesaison sieht vielversprechend aus, bislang aber nur bis August. Vor Corona, so Hahn, hätte man schon im Frühjahr den Herbst verplant. Inzwischen werde größtenteils kurzfristig gebucht, stünde jede Reise erst eine Woche vor Fahrtantritt wirklich fest. „Fast jede Buchung muss ich mindestens drei- bis sechsmal in die Hand nehmen.“

„Die Hälfte der Kunden ist nach wie vor sehr vorsichtig.“
Ines Hahn, Hahn-Reisen, Pfullingen
Es fehlen Fahrer
Busreisen, Linienfahrten, Reisebüro und Kfz-Werkstatt – das sind die Standbeine des Pfullinger Unternehmens. Man habe noch relativ Glück gehabt, meint Ines Hahn, dass man mit der Werkstatt und dem Linienverkehr in der Pandemie regelmäßig Betrieb hatte. Bei den Fahrern kam man ohne Kurzarbeit aus, trotz häufigem Stillstand im Fuhrpark. Dennoch, einige hätten sich beruflich umorientiert. Die Leute, die man im Reisebereich verloren habe, sagt Hahn, bekäme man auch nicht mehr so schnell wieder. Schon seit Jahren herrscht in der Branche eklatanter Fahrermangel. „Der Schuh drückt jetzt natürlich gewaltig.“

„Mein Job macht mir immer noch Spaß.“
Karin Lechler, City Reisebüro, Tübingen
Auch die klassischen Reisebüros haben harte Monate hinter sich. Schließlich fließen die Provisionen erst dann, wenn eine Reise auch angetreten wird. Jeder Corona-Welle folgte im Prinzip eine Stornierungswelle. Und Großveranstalter wie Tui waren über die Service-Hotline für Agenturen teils nicht erreichbar, weshalb Kunden lange auf die Rückerstattung ihres Geldes warten mussten. „Es war sehr bescheiden“, sagt Karin Lechler. Die Pandemie habe den Markt bereinigt, was aber letztlich positiv sei. „Das steigert die Wertschätzung für diejenigen, die einen guten Job machen.“ Dass es dafür nicht mehr unbedingt die stationäre Präsenz braucht, hat die Branche gelernt. Denn die meisten Reisen werden längst online gebucht. Die nötigen Infos holt man sich über Portale wie Tripadvisor oder Holidaycheck. Karin Lechler hat ihr City-Reisebüro nach über 30 Jahren aus der Tübinger Innenstadt nach Lustnau verlegt, in eine Bürogemeinschaft. Ihre Kunden berät sie nun auch per Videoschalte, nutzt verstärkt Social Media. „Eine gute Entscheidung“, sagt sie.
Mehr online als analog
Das Portfolio ihres unabhängigen, inhabergeführten Reisebüros ist breit angelegt: Studienreisen, Pauschalurlaub, Rundreisen, alles weltweit. Aktuell sei die Nachfrage groß, der Mittelmeerraum liefe besser als Fernreisen. Auch hier wird eher kurzfristig gebucht. „Gegen Angst kann man nicht argumentieren. Gerade stornieren wir Kreuzfahrten in der Ostsee“, sagt Lechler. Dabei klingt weniger Galgenhumor als Erfahrung durch. Die Branche sei nie auf Rosen gebettet gewesen, meint sie: „Terroranschläge, Vulkanausbrüche – es gab immer wieder Ereignisse, die das Reisebedürfnis getrübt haben. Aber: Reisen will trotzdem jeder und mein Job macht mir immer noch Spaß.“

„Man lernt, gelassen zu bleiben“
Petra Koc, Koclar Reisen & Yachting, Rottenburg am Neckar
Das sieht Petra Koc ähnlich. In der Türkei habe es beinahe jedes Jahr Entwicklungen gegeben, die einem die Saison durcheinanderwirbelten. „Da lernt man, gelassen zu bleiben.“ Bevor sie 2016 mit ihrer Familie aus der Türkei nach Deutschland zurückzog, betrieb sie 20 Jahre lang eine Agentur vor Ort. Seitdem führt sie ihr Unternehmen Koclar Reisen & Yachting von Rottenburg aus weiter, als One-Woman-Show, rein online und im Nebenwerwerb. Während der Pandemie hat sich die Tourismus-Expertin weitergebildet, um das digitale Marketing auszubauen. Die Partner von damals sind ihr bis heute erhalten geblieben. „Das war in der Pandemie enorm wichtig, da Hotels bei Stornierung sofort auf Zahlungen pochen. So konnten wir uns leichter einigen und später zurückzahlen.“ Man ist spezialisiert auf Jachtreisen in Griechenland und der Türkei. Kein Pauschaltourismus, sondern gehobener Standard. Seit Corona versucht Koc den Törn auch in Kombination mit Wander- oder Fahrradreisen anzubieten, das greife allerdings noch nicht richtig. „Vielleicht im nächsten Jahr, wenn sich die Lage stabilisiert.“
Funkstille im Frühjahr
Die beiden Pandemie-Jahre waren freilich durchwachsen. 2020 lief praktisch nichts, 2021 kam man über die Runden. Nach dem diesjährigen 24. Februar, dem Beginn des Ukraine-Kriegs, herrschte wochenlang Schweigen im Walde. Keine Mail, kein Anruf, gar nichts. Das habe sich erfreulicherweise wieder gelegt. Der Sommer ist fast ausgebucht, der Herbst füllt sich. „Klar, man weiß nie, was bis zum Herbst noch alles passiert, aber ich bin optimistisch. Dieses Jahr wird sicher besser ausfallen als das Vorjahr.“ /
(Dieser Artikel erschien in der WNA-Ausgabe 6/2022.)