Was Kleinstunternehmer motiviert

Sich selbst treu bleiben

Aufgeben ist für die meisten Einpersonen- und Kleinstunternehmen keine Option. Warum? WNA hat mit Kleinstunternehmerinnen und Kleinstunternehmern aus der Region über ihre Geschäftsideen und ihre Motivation gesprochen.

IHK Reutlingen, Tübingen und ZollernalbDie Gründer der Black Forest Company in Tübingen (v. l.): Kevin Schmidt, Michael Hiller und Tobias Zeyer. Foto: PR

Drei von ihnen sind die Gesellschafter der Tübinger Black Forest Company UG, kurz BFC. Kevin Schmidt, Michael Hiller und Tobias Zeyer, alle Anfang 30, produzieren und vertreiben vegane Naturpflegeprodukte. Dabei haben sie sich ressourcensparendes Handeln auf die Fahne geschrieben – in der Produktion, aber auch bei der Unternehmensführung. Fast alle Einnahmen fließen direkt wieder in die Firma.

Michael Hillers Wunsch nach Pflegeprodukten ohne künstliche Inhaltsstoffe wie Silikone, Parabene und Sulfate war 2019 der Startschuss für das Unternehmen. Los ging es mit der Entwicklung eines rein natürlichen Bartöls. Heute umfasst die Produktpalette auch Shampoos, Deos und Seifen für Frau und Mann.

Im Keller ging’s los
„Wir haben uns die Expertise im Produktentwicklungsbereich aus unserem Keller heraus erarbeitet“, erzählt Kevin Schmidt. Wie seine Co-Gesellschafter hat auch er viel Eigenkapital ins Unternehmen investiert. Inzwischen arbeitet das Team mit einem Lohnhersteller aus Heilbronn zusammen. Schmidt und seine Kollegen entwickeln gemeinsam neue Rezepturen und lassen sie von ihrem Partner prüfen und verbessern. Dieser fertigt das Produkt und schickt es schließlich an BFC und an weitere Verkaufsplattformen, über die das junge Unternehmen seine Produkte vertreibt.

„Plötzlich war die Möglichkeit da“

Julian Schnizler, Ermstal Manufaktur

Neben der Produktentwicklung kümmern sich die Gründer auch um Logistik und Marketing. Die Schreibtischarbeit und den Kampf mit der Bürokratie teilen sie untereinander auf. „Du fängst auf einem weißen Blatt Papier an, hast irgendwann das fertige Produkt und kannst langsam ein kontinuierliches Wachstum beobachten. Daraus ziehen wir unsere Motivation“, sagt Schmidt. Besonders freuen er und seine Co-Gesellschafter sich über positives Feedback der Kundschaft.

Langfristig will sich BFC weitere Absatzkanäle erschließen. Neben der bereits bestehenden Kooperation mit dem American Store in Reutlingen träumen Kevin Schmidt, Michael Hiller und Tobias Zeyer von einer Zusammenarbeit mit Hotels, Friseuren und Ketten wie Douglas oder Breuninger. Vielleicht wird es ihnen so eines Tages möglich sein, aus ihrem bisherigen Nebenjob einen Hauptberuf zu machen.

IHK Reutlingen, Tübingen und ZollernalbJulian Schnizler betreibt in Dettingen die Ermstal Manufaktur – parallel zu seinem Studium und seinem Werkstudentenjob. Foto: PR

Alles aus einer Hand
Etwas anders handhaben möchte Julian Schnizler dies mit seiner Ermstal Manufaktur in Dettingen an der Erms. Seit Oktober 2021 stellt der 26-Jährige Designermöbel her: allesamt Unikate mit filigranen Betonelementen. Parallel zu seinem Studium nimmt er die gesamte Produktions- und Vertriebskette selbst in die Hand. Zusätzlich hat er eine Werkstudentenstelle und muss daher mit seiner Zeit jonglieren.

„Gerade am Anfang war das anstrengend und teilweise war es mir auch zu viel“, beschreibt Schnizler die ersten eineinhalb Jahre seiner Selbstständigkeit. „Ich frage mich manchmal selbst, wie ich das alles geschafft habe.“ Doch er ist drangeblieben, schließlich ist das Handwerk sein Hobby. Damit es das auch bleibt, möchte er sein Unternehmen in Zukunft begleitend zu einem finanziell sicheren Hauptjob führen.

Auch bei Schnizler fing alles in den eigenen Räumlichkeiten an. Er wohnt in einer WG, an die eine Werkstatt angeschlossen ist – und „auf einmal war die Möglichkeit zur Möbelherstellung da“, erzählt er. Schnizler musste viel Geld und noch mehr Zeit investieren, doch der Aufwand hat sich für ihn gelohnt.

Inzwischen kooperiert er mit dem Dettinger Betonwerk Schall, dessen Werkstatt er nutzen darf. Gleichzeitig werden seine Produkte bekannter. Im Internet gibt es erste positive Erfahrungsberichte zufriedener Kunden, Medienberichte sorgen für zusätzliche Aufmerksamkeit. Die Präsentation seiner Produkte auf Märkten und Messen motiviert Schnizler: „Es ist schön, wenn ich sehe, dass Menschen meine Möbel gefallen.“

IHK Reutlingen, Tübingen und ZollernalbLara Schuhwerk, die Geschäftsführerin der Albstädter Beneto Foods GmbH, brachte ihre Geschäftsidee von einem Peking-Aufenthalt mit. Foto: PR

Nudeln aus Insekten
Lara Schuhwerk, die Gründerin der Beneto Foods GmbH in Albstadt, ist inzwischen bereits seit vier Jahren selbstständig. Als sie ihr Einpersonenunternehmen gründete, habe sie „den Klimaschutz auf den Teller“ bringen wollen, berichtet sie. Mit der Produktion und dem Vertrieb nachhaltiger Lebensmittel auf Basis von Grillen möchte sie ihren Beitrag zum Umweltschutz leisten.

Die Idee zu ihrer Firma kam der 30-Jährigen auf einem Markt in Peking. Vor neun Jahren hat sie dort das erste Mal Insekten gegessen. „Mir war damals gar nicht bewusst, dass es so etwas gibt“, berichtet Schuhwerk, die zunächst selbst skeptisch war. Doch dann erkannte sie darin eine Chance, zwei ihrer Lieblingsthemen miteinander zu verknüpfen: gesunde Ernährung und Umweltschutz.

Die nächsten Ziele im Blick
Insekten sind nährstoffreich, ressourcenschonend und verursachen vergleichsweise wenig Treibhausgase. Auf der Suche nach einer Möglichkeit, den „Ekelfaktor“ im Kopf auszuschalten, entstand die Idee, Insektenmehl für die Herstellung von Pasta zu verwenden.  Auf die Nudeln folgte eine Brotbackmischung, die ebenfalls zu einem Teil aus Insektenmehl besteht. Die benötigten Grillen werden in einem deutschen Familienbetrieb verarbeitet und sollen künftig von der firmeneigenen Farm kommen. Als Nächstes möchte Schuhwerk Snacks mit Insektenmehl auf den Markt bringen. Ihr langfristiges Ziel sind Fleischalternativen. Mehr verraten will sie aber noch nicht.

In den vergangenen Jahren musste Lara Schuhwerk immer wieder Belastungsgrenzen überschreiten. Die Pandemie warf sie zwischenzeitlich zurück, weshalb sie damals beschloss, bei der Vox-Gründershow „Die Höhle der Löwen“ mitzumachen. Das habe sich in der kurzfristigen Rückschau gelohnt, sagt sie. Die Teilnahme sei jedoch auch mit unternehmerischen Fehlentscheidungen und Belastungen verbunden gewesen, von denen sich die Firma erst ein Jahr später wieder erholt hätte.

„Jeder einzelne Tag ist ein Mangel an Zeit, Geld und arbeitenden Händen“

Lara Schuhwerk, Beneto Foods GmbH

Lara Schuhwerk bezeichnet ihr Unternehmen als eine „One-Woman-Show“, in der sie sich ihre Ressourcen gut einteilen muss: „Jeder einzelne Tag ist ein Mangel an Zeit, Geld und arbeitenden Händen.“ Wie viele andere Soloselbstständige klagt sie über die umständlichen bürokratischen Vorgaben, die ihr die Arbeit als Geschäftsführerin schwer machen. Trotzdem kann sie sich zurzeit keinen anderen Beruf vorstellen: „Bei dem, was ich aktuell mache, kann ich mir immer treu bleiben und muss mich nicht verbiegen. Am Ende des Tages kann ich mir mit einem guten Gefühl selbst in die Augen blicken.“ Ihre Botschaft an Kleinstunternehmerinnen und -unternehmer: Aufgeben darf so schnell keine Option sein. /

(Dieser Artikel erschien in der WNA-Ausgabe 6+7/2023.)

Hintergrund

27,8 % der Einpersonenunternehmerinnen und -unternehmer in Deutschland arbeiten mehr als 48 Stunden in der Woche.

9 % der deutschen Einpersonenunternehmerinnen und -unternehmer machen keinen Urlaub.

(Quellen: Statistisches Bundesamt, 2022; Initiative Gesundheit und Arbeit, 2021)