Statements

„An allen erdenklichen Stellschrauben drehen“

Wie gehen Unternehmen in der Region mit den gestiegenen Energiepreisen und der unsicheren
Situation durch den Ukraine-Krieg um? Wie gehen sie die betriebseigene Energiewende an und was erwarten sie in der derzeitigen Situation von der Politik? WNA hat sich umgehört.

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„Jede eingesparte Kilowattstunde zählt“

Irmgard Freidler, Geschäftsführerin Alb-Gold Teigwaren GmbH, Trochtelfingen

Für uns bei Alb-Gold ist Nachhaltigkeit schon seit Jahren ein wichtiges Thema. Wir verfügen über große Photovoltaik-Anlagen und gewinnen etwa 85 Prozent der Wärme für die Produktion aus unserer eigenen Hackschnitzelanlage. Wenn die Teuerung auf den Bezug von Energie beschränkt wäre, könnten wir damit recht gut umgehen. Die größte Belastung entsteht aber ausgerechnet dort, wo wir weniger flexibel reagieren können: entlang der Lieferkette. Sowohl die Rohmaterialien für unsere Teigwaren als auch Hilfs- und Betriebsstoffe wie Folien oder Kartonagen haben sich stark verteuert. Außerdem belasten die hohen Frachtkosten den Wareneingang und die Auslieferung der Bestellungen. Bis sich die Lage beruhigt, bleibt der produzierenden Industrie wohl nur eines: an allen erdenklichen Stellschrauben drehen und stabilisieren, wo es geht. Wir arbeiten jetzt daran, unsere Produktion durch Wärmerückgewinnung und eine Energiemanagementsoftware noch effizienter aufzustellen. Jede eingesparte Kilowattstunde zählt. /

„Das Einbrechen der Gasversorgung ist ein Horrorszenario“

Martin Holder, Vorstandsvorsitzender der Südwestmetall-Bezirksgruppe Reutlingen und Vorstand der Wafios AG, Reutlingen

„Mir treibt derzeit vor allem das Thema Gas Sorgenfalten auf die Stirn – obwohl die Produktion von Wafios nicht direkt davon abhängig ist. Was aber vorgelagert passiert, in der Stahlindustrie oder der Chemie, das steht auf einem anderen Blatt. Dass hier die Gasversorgung einbrechen könnte, ist ein Horrorszenario, das ich vor einem halben Jahr nicht für möglich gehalten hätte. Wie alle Unternehmen im Verband Südwestmetall achtet auch Wafios darauf, ressourcenschonend zu arbeiten – typisch schwäbisch eben. Wir betreiben zum Beispiel zwei Blockheizkraftwerke und eine 200-kW-Photovoltaikanlage: 98 Prozent des Stroms nutzen wir selbst, der Rest wird ins Netz eingespeist. Der beschleunigte Ausbau der erneuerbaren Energien ist meiner Meinung nach die einzig gute Nachricht in dieser heiklen Lage. Um die Entwicklung nicht auszubremsen, brauchen wir aber schlankere Genehmigungsverfahren, etwa für Photovoltaik und Wärmepumpen. Nur so können Unternehmen und Privathaushalte den Wandel effektiv mittragen.“ /

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„Die Genehmigungsprozesse müssen schlanker werden“

Mona Keller, Leiterin Asset-Management und Grundsatzplanung Fair Netz GmbH, Reutlingen

Als Netzbetreiber stellen wir die Infrastruktur, über die sowohl Privathaushalte als auch Unternehmen mit Strom und Wärme versorgt werden. Vor dem Hintergrund der Energiewende gewinnt dabei der kontinuierliche Netzausbau immer stärker an Bedeutung: Um die Klimaziele zu erreichen, brauchen wir ein intelligentes Stromnetz, das Produktion, Speicherung und Verbrauch effizient aufeinander abstimmt. Da aber jedes Teilnetzgebiet anders aufgebaut ist, müssen wir individuelle Lösungen für die zukünftige Versorgung mit regenerativem Strom und Wärme erarbeiten. Um etwa eine hohe Anzahl an E-Ladestationen anschließen zu können, müssen wir gezielt Teile des Netzes ertüchtigen. Erschwerend kommen seit einem halben Jahr Lieferengpässe bei wichtigen Bauteilen wie Transformatoren oder Schaltanlagen hinzu. Um eine schnelle Umsetzung aller erforderlichen Maßnahmen zu gewährleisten, wäre meines Erachtens eine Vereinfachung der Genehmigungsprozesse beim Umbau von Netzen sinnvoll: Nur wenn wir jetzt mit hoher Geschwindigkeit die Infrastruktur aufbauen, kann Deutschland innerhalb des von der Politik vorgegebenen Zeitrahmens klimaneutral werden. /

„Der Krieg bedeutet eine Einschränkung unseres Wohlstands“

Ortwin Wiebecke, Geschäftsführer Stadtwerke Tübingen GmbH, Tübingen

Die Beschaffungskosten für Energie steigen schon seit einiger Zeit, aber auf unsere Kunden hat sich das zum Glück noch nicht voll durchgeschlagen: Den Strom, den wir dieses Jahr verkaufen, konnten wir zu großen Teilen in den Vorjahren zu günstigeren Konditionen einkaufen. Auch der Wegfall der EEG-Umlage wird den Preisanstieg etwas abmildern. Auf Dauer ist das aber nicht durchzuhalten. Zum einen müssen die Energieversorger schon heute Strom für die Zukunft einkaufen und zum anderen steigen auch unsere eigenen Betriebskosten, etwa für den ÖPNV und die öffentlichen Bäder. Diese Geschäftsbereiche erwirtschaften keine Gewinne, sondern werden durch die Stadtwerke gestützt – da schlagen hohe Treibstoff- und Heizkosten noch einmal anders zu Buche. Natürlich versuchen wir auch weiterhin, Preissteigerungen abzufedern, doch in Anbetracht der aktuellen Situation sind unsere Möglichkeiten begrenzt. Der Krieg in der Ukraine bedeutet auch für uns in Deutschland eine Einschränkung unseres Wohlstands und ich persönlich denke, es ist an der Politik, das klar zu kommunizieren. Je schneller wir uns den Tatsachen stellen, desto konstruktiver können wir damit umgehen. /

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„Die Bundesregierung muss einen Kurswechsel einläuten“

Dr. Stefan Wolf, Vorstandsvorsitzender Elring Klinger AG, Dettingen an der Erms

Wir alle konsumieren tagtäglich Energie, im Beruf wie im Privaten. Im Gegensatz zu Waren, bei denen wir uns entscheiden können, ob sie uns das Geld wert sind, haben wir dabei aber keine große Wahl: Irgendeine Form von Energie brauchen wir – und wenn die Preise steigen, müssen wir irgendwie damit umgehen. Natürlich überlegen auch wir bei Elring Klinger, welche Arbeitsschritte wir von Gas auf Strom umstellen können. Das ist aber eher eine Frage der Verfügbarkeit und Nachhaltigkeit; sparen lässt sich damit wenig. Wir versuchen daher parallel, unseren Energieverbrauch insgesamt zu reduzieren. Ich denke, dass sich die Lage erst richtig entspannen wird, wenn Deutschland in Sachen Energie unabhängiger wird. Damit das gelingt, muss die Bundesregierung aber zeitnah den Kurswechsel einläuten. Sonst geht es uns mit Windkraft und Wasserstoff wie mit der E-Mobilität, bei der wir so lange mit dem Ausbau gezögert haben: Jetzt, da wir sie dringend bräuchten, fehlt uns die Infrastruktur. /

(Diese Statements erschienen in der WNA-Ausgabe 8+9/2022.)