Weniger Abfall, mehr Rohstoff: Das Team der Tübinger Optocycle GmbH nutzt künstliche Intelligenz, um Stoffströme im Baustoffrecycling transparenter zu gestalten.
Mehr als die Hälfte des Abfallaufkommens besteht aus Bau- und Abbruchabfällen, nicht nur in Deutschland, sondern weltweit. Das macht Schutt zu einer der wichtigsten Ressourcen für eine effiziente Kreislaufwirtschaft, in der so viel wie möglich aufbereitet und wiederverwertet wird. Genau hier wird es aber für viele Firmen schwierig, denn die Stoffströme im Baugewerbe sind alles andere als übersichtlich.
„Ich hatte darüber nie nachgedacht, bis ein Freund mir das Problem erklärte. Er führt ein Unternehmen, das sich mit dem Recycling von Bauschutt beschäftigt, und als wir eines Abends im Restaurant saßen, erzählte er von seinem Ärger mit der Eingangskontrolle“, erinnert sich Max-Frederick Gerken. „Es gab einfach kein System, mit dem er bestimmen konnte, welche Stoffe in welchen Mengen bei ihm ankamen.“
Der Aufwand hat sich ausgezahlt
Max-Frederick Gerken
Das brachte Gerken auf eine Idee – denn mit seinem Kollegen, dem IT-Profi Lars Wolff, hatte er bereits für eine andere Branche eine Automatisierungslösung entwickelt, um ein ähnliches Problem zu lösen. „Als Lars und ich darüber sprachen, war uns recht schnell klar: Ansätze unseres Systems lassen sich aufs Bauschuttrecycling übertragen.“
KI-basierte Prognosen
Gemeinsam gründeten Gerken und Wolff die Optocycle GmbH, ein Unternehmen mit Sitz in Tübingen, das sich auf Hard- und Softwarelösungen für die vollautomatische Erkennung und Kontrolle von Stoffströmen spezialisiert hat. Dafür kommt ein Kamerasystem zum Einsatz, das die Ladung von Lkws scannt und die Bilder mittels künstlicher Intelligenz analysiert. „Wir haben ein neuronales Netzwerk darauf trainiert, Prognosen darüber abzugeben, was ein Lkw transportiert“, erklärt Gerken. „Das war allerdings auch der Punkt, an dem wir gemerkt haben, warum es noch kein System wie unseres gab“, fügt er lachend hinzu. „Um eine KI für Bilderkennung zu trainieren, braucht es riesige Datensätze, also Bilder, von denen das System lernen kann. Nur gab es die nicht. Wir haben daher zu Beginn viele Stunden damit verbracht, Lkw-Ladungen zu filmen und zu notieren, was in welchem Bild zu sehen ist.“
Der Trainingsaufwand war enorm, doch er hat sich ausgezahlt: Die Lösungen von Optocycle seien so innovativ, dass das Unternehmen vom ersten Moment an Marktführer gewesen sei, so Gerken. „Wir können an jedem beliebigen Transferpunkt die Stoffströme unserer Kunden erfassen, etwa bei der Ankunft der Materialien auf einer Baustelle oder auf der Eingangswaage eines Wertstoffhofs“, erklärt er. „Dadurch können unsere Kunden ihre Eingangskontrolle automatisieren, ihre Ressourcen im Blick behalten und sogar Fehler bei der Anlieferung mit minimalem Aufwand nachvollziehen.“ /
(Dieser Artikel erschien in der WNA-Ausgabe 6+7/2024.)