Wie gelingt es Unternehmen aus der Region, auch in Zeiten des Fachkräftemangels neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu finden und langfristig für sich zu begeistern? WNA hat nachgefragt.
„Für uns hat das Onboarding einen hohen Stellenwert“
Lena Griesinger, Ressortleiterin Personal bei der Modehaus Zinser GmbH & Co. KG, Tübingen
Der Arbeitsmarkt im Einzelhandel ist derzeit stark angespannt. Das stellt uns vor Herausforderungen, da die fachkundige Beratung in unseren Filialen oberste Priorität hat – und dafür braucht es nun einmal qualifizierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Um diesen Anforderungen gerecht zu werden, unterstützen wir motivierte Quereinsteiger mit gezielten Trainings und Schulungen beim Einstieg in die Branche.
Damit gerade Mitarbeiter, die aus anderen Branchen zu uns kommen, nicht ins kalte Wasser geworfen werden, haben wir außerdem unsere Startertage noch ein wenig stärker darauf ausgerichtet, die neuen Beschäftigten mit unseren Arbeitsabläufen vertraut zu machen. Diese Tage, bei denen die neuen Kollegen einander und vor allem Zinser als Arbeitgeber kennenlernen, veranstalten wir übrigens schon seit vielen Jahren. Als Familienunternehmen ist es für uns sehr wichtig, dass unsere Beschäftigten einen Bezug zur Marke Zinser haben und sich als Teil eines starken Teams fühlen. Daher hat das Onboarding für uns einen hohen Stellenwert. /
„Besonders beliebt ist das Mental Coaching “
Michael Hafner, Inhaber des Gasthofs Stahlecker Hof, Lichtenstein
Wir spüren den Fachkräftemangel vor allem im Restaurant unseres Landhotels. Hier haben wir aktuell ein kleines, dafür aber hoch motiviertes Team. Damit das nicht ausbrennt, achten wir darauf, dass unsere Beschäftigten viele Möglichkeiten haben, sich zu entspannen und Stress abzubauen. Besonders beliebt ist dabei das Mental Coaching, das wir auf freiwilliger Basis anbieten. Das gibt dem Team die Chance, sich in einem geschützten Raum den Ärger von der Seele zu reden.
Um zu verhindern, dass wenige Mitarbeiter umso mehr Arbeit stemmen müssen, haben wir auch schon einen Serviceroboter angeschafft. Wenn der dabei hilft, ein Buffet abzuräumen, merkt man am Ende des Tages, dass man ein paar Hundert Kilo Geschirr weniger tragen musste. Außerdem haben wir die Öffnungszeiten unseres Restaurants reduziert. Eine Vier-Tage-Woche ist in der Gastronomie immer noch viel Arbeit, aber dafür hat das Team jetzt drei freie Tage am Stück – und das macht in Sachen Resilienz einen ganz schönen Unterschied. /
„Wir legen Wert auf starke soziale Strukturen im Team“
Kendra Kalkschmid, Geschäftsführerin und Fachbereichsleiterin Deutsch bei der Vivat Lingua! Sprachtrainingsprogramme GmbH, Tübingen
Wir sind bei Vivat Lingua in der glücklichen Position, dass der Fachkräftemangel in anderen Branchen die Nachfrage nach unseren Sprachkursen steigert. Da viele Unternehmen derzeit Fachkräfte aus dem Ausland anwerben, ist etwa Deutsch als Fremdsprache sehr gefragt.
Gleichzeitig ist es aber auch für uns nicht leicht, qualifizierte Sprachtrainerinnen und Sprachtrainer zu finden. Daher vernetzen wir uns mit Hochschulen; über Praktika lernen wir Studierende kennen, die sich eine Zukunft als Sprachtrainer vorstellen können. Weil für eine Bleibeperspektive der Wohlfühlfaktor wichtig ist, legen wir zudem großen Wert auf starke soziale Strukturen im Team. Deshalb gibt es bei uns etwa regelmäßige Fortbildungstage, an denen unsere Beschäftigten ins Gespräch kommen und Verbindungen knüpfen können. Dabei sind selbstverständlich auch die Honorarkräfte mit von der Partie: Sie sind ein Teil von Vivat Lingua – und wenn freie Trainer zu festen Mitarbeitern werden möchten, freuen wir uns sehr und versuchen, das zu ermöglichen. /
„Die Kultur der Zusammenarbeit spielt eine wichtige Rolle“
Dr. Natascha Kreutz, Geschäftsführerin der Iltis GmbH, Rottenburg am Neckar
Wir sind ein mittelständisches Beratungsunternehmen, das Kunden aus verschiedenen Bereichen betreut – vom Konzern über den Mittelstand bis hin zur öffentlichen Verwaltung. Da unser Leistungsspektrum entsprechend breit gefächert ist, suchen wir nicht nach bestimmten Abschlüssen: Auf unsere Tätigkeiten bereiten weder Ausbildung noch Studium passgenau vor. Wir suchen Menschen, die Initiative zeigen und Freude daran haben, sich kontinuierlich weiterzuqualifizieren. Das eröffnet uns einen großen Bereich des Arbeitsmarktes, bedeutet aber auch, dass wir viel Zeit und Energie in die Weiterentwicklung unseres Teams investieren.
Vor diesem Hintergrund spielt die Kultur der Zusammenarbeit, die wir bei Iltis leben, eine zentrale Rolle: Anstelle hierarchisch geprägter Strukturen setzen wir darauf, dass die vielen verschiedenen Persönlichkeiten, die bei uns zusammenkommen, einander auf Augenhöhe begegnen und gemeinsam Projekte entwickeln, die alle Beteiligten bei uns und bei unseren Kunden begeistern. /
„Gelebte Wertschätzung ist der Schlüssel zum gemeinsamen Erfolg“
Achim Mey, Geschäftsführer der Mey Generalbau GmbH, Tübingen
In der Baubranche war schon 2016 deutlich zu spüren, dass sich der Arbeitsmarkt verändert. Infolgedessen haben wir unsere Personalstrategie in der Breite umgestellt. Das zahlt sich heute aus, denn obwohl sich der Fachkräftemangel inzwischen drastisch verschärft hat, können wir weiterhin Top-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeiter für uns gewinnen und kontinuierlich wachsen.
Man muss aber auch ganz ehrlich sagen: Eine starke Arbeitnehmermarke ist nichts, was einem einfach in den Schoß fällt – dahinter steckt großes Engagement und viel Herzblut. Ein Obstkorb hier und ein Teamevent da sorgen ja nicht allein dafür, dass Mitarbeiter gern zur Arbeit gehen. Natürlich sind Benefits wie diese auch Teil einer starken Personalstrategie, aber das Wichtigste ist aus unserer Sicht die Haltung gegenüber dem Team: Die Mitarbeiter sind der wichtigste Erfolgsfaktor im Unternehmen. Diese Überzeugung prägt die gesamte Unternehmenskultur bei Mey Generalbau – für uns ist gelebte Wertschätzung der Schlüssel zum gemeinsamen Erfolg. /
(Diese Statements erschienen in der WNA-Ausgabe 8+9/2024.)