Internationalisierung

Erschwerte Geschäfte

Die regionalen Industriebetriebe erwirtschaften mehr als jeden zweiten Euro im Ausland, kämpfen aber zunehmend mit erschwerten Geschäftsbedingungen.

Entwicklung der regionalen Exportquote des verarbeitenden Gewerbes

Entwicklung der regionalen Exportquote des verarbeitenden Gewerbes, 2017-2023Werte in Prozent. Quelle: Statistisches Landesamt Baden-Württemberg, 2024

Die Exportquote des verarbeitenden Gewerbes gibt Auskunft darüber, wie groß die Bedeutung ausländischer Märkte für die heimische Industrie ist. Sie ist in der Region zwischen 2017 und 2023 um mehr als 4 Prozentpunkte angestiegen. Die Bedeutung des Auslandsgeschäfts für die heimischen Industriebetriebe hat also zugenommen: Sie erwirtschaften deutlich mehr als die Hälfte ihrer Umsätze im Ausland – obwohl unterbrochene Lieferketten, bürokratische Auflagen, hohe Preise und Energiekosten sowie unsichere internationale Rahmenbedingungen (wie Sanktionen, Sicherheits- und Zertifizierungsanforderungen) die Außenwirtschaft derzeit stark erschweren.

Die 10 wichtigsten Auslandsmärkte für regionale Betriebe sind (in dieser Reihenfolge): die USA, China, Frankreich, die Schweiz, die Niederlande, Italien, Österreich, das Vereinigte Königreich, Polen und Spanien.

22.312 Ursprungszeugnisse und weitere Außenwirtschaftsbescheinigungen für 350 regionale Betriebe hat die IHK Reutlingen im Jahr 2023 ausgestellt.

Wie wichtig ist das Auslandsgeschäft? - Unternehmer berichten
Florian HippFoto: PR

„Wir müssen stapelweise Dokumente ausfüllen“

Florian Hipp, Head of Sales & Marketing bei der Karl Hipp GmbH, Burladingen

Unsere Firma stellt Kugel- und Gleitgewindetriebe im Miniaturbereich her, die unter anderem in der Halbleiterindustrie sowie in Medizin- und Biotechnologie zum Einsatz kommen. Viele der Unternehmen, die wir beliefern, befinden sich daher im Ausland. Besonders wichtig sind für uns die Schweiz und Österreich sowie die USA und China.

Zwar arbeiten wir mit Vertriebspartnern vor Ort zusammen, die unsere Produkte auf diesen Märkten vertreiben, aber beim Thema Exportkontrolle merkt man trotzdem, wie die deutsche Bürokratie die Prozesse verlangsamen kann. Bis die erste Serie an einen Kunden im Ausland ausgeliefert werden kann, müssen von der Bafa-Genehmigung bis zur Compliance stapelweise Dokumente ausgefüllt werden – und bei vielem ist auch unklar, was überhaupt gemeint ist! Manchmal muss man daher andere Unternehmen um Rat bitten, um die Unterlagen überhaupt korrekt bearbeiten zu können. /

Ulf PriesterFoto: PR

„Export macht 70 Prozent unseres Umsatzes aus“

Ulf Priester, Regional Sales Manager Germany und Senior Manager bei der PPG Industries Lackfabrik GmbH, Bodelshausen

Unsere Niederlassung in Bodelshausen ist auf Verpackungslacke für die Lebensmittel- und Kosmetikindustrie spezialisiert. Pro Jahr stellen wir etwa 20.000 Tonnen Lack her, aber nur ein kleiner Teil davon wird in Deutschland verarbeitet: Export macht rund 70 Prozent unseres Umsatzes aus. Das hat zum einen damit zu tun, dass wir Teil der PPG-Group sind, die in 74 Ländern weltweit tätig ist. Wenn wir die Lager von PPG-Vertriebsgesellschaften rund um den Globus auffüllen, geht damit automatisch eine gewisse Exportmenge einher.

Zum anderen ist unser Auslandsgeschäft aufgrund des Strukturwandels in der Verpackungsmittelindustrie essenziell. Noch vor 30 Jahren war Deutschland europaweit führend, aber heute werden die Konservendosen, die mit unseren Lacken beschichtet werden, meist in der Nähe der Lebensmittelhersteller produziert, die diese Dosen befüllen – etwa in Frankreich. /

Georg UihleinFoto: PR

„Unsere Kunden waren schon immer international“

Georg Uihlein, Geschäftsführer der Epflex Feinwerktechnik GmbH, Dettingen an der Erms

Wir stellen Einmalprodukte für die minimalinvasive Chirurgie her. Und obwohl der deutsche Markt den Großteil unseres Umsatzes ausmacht, war unser Kundenkreis schon immer international. In unserer Branche tobt allerdings ein heftiger globaler Preiskampf. Gerade bei Einmalprodukten – und seien es Führungsdrähte, die den Patienten teils ins Herz oder sogar bis ins Gehirn geschoben werden – schauen die Kunden genau aufs Geld.

Wir haben uns daher Anfang des Jahres dafür entschieden, einen Standort in Costa Rica zu gründen: nicht um Arbeitsplätze in Deutschland abzubauen, sondern um weiter zu wachsen. In Costa Rica wollen wir nah am nord- und südamerikanischen Markt die Produkte in Großserien herstellen, die wir schon seit Jahren im Sortiment haben. Parallel dazu werden wir aber auch den Standort Dettingen ausbauen: Hier liegt künftig der Fokus auf Innovation und komplexen Produkten. /

Das muss aus Sicht der IHK getan werden

  • Internationalisierung der heimischen Wirtschaft weiter vorantreiben, um den Wohlstand in der Region zu sichern
  • Gesetzliche Regelungen im Auslandsgeschäft (zum Beispiel Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz, Exportkontrolle) unternehmensfreundlicher gestalten
  • Internationale Handelsabkommen ausbauen
  • Resilienz erhöhen: Unternehmen, die im Auslandsgeschäft tätig sind, sollten sich breiter aufstellen, um Abhängigkeiten von einzelnen Lieferanten oder Märkten zu verringern.

(Diese Inhalte erschienen in der WNA-Ausgabe 10+11/2024.)