Medizintechnik, Maschinenbau, KI: Die Region Neckar-Alb trägt wesentlich dazu bei, dass Baden-Württemberg als Heimat der Tüftler und Denker gilt.
Regionaler Innovationsindex im Zeitverlauf
Der Innovationsindex des Statistischen Landesamts Baden-Württemberg ist ein Indikator für die Innovationskraft einer Region und setzt sich aus sechs Einzelindikatoren zusammen. Er kann Werte von 0 bis 100 annehmen.
Alle drei Landkreise der Region Neckar-Alb wiesen 2022 ein höheres Innovationsniveau und eine höhere Innovationsdynamik auf als 2016. Während der Indexwert für den Zollernalbkreis nur leicht gestiegen ist, konnten die Landkreise Reutlingen und Tübingen einen höheren Anstieg verbuchen. Im deutschlandweiten Vergleich aller Bundesländer belegt Baden-Württemberg beim Innovationsindex den Spitzenplatz. Die Region Neckar-Alb hat einen bedeutenden Anteil daran.
Rund 3 % der baden-württembergischen Patentanmeldungen stammen laut dem Patent- und Markenzentrum Baden-Württemberg aus der Region Neckar-Alb.
Woran wird in der Region getüftelt? - Unternehmer berichten
„Viele vermuten die Innovation eher in den Ballungsräumen“
Julian Hermle, Geschäftsführer der CMC Engineers GmbH, Hülben
Unsere Spezialität sind digitale Produkte zum Anfassen: Wir gestalten 3D-Produktvisualisierungen für den Maschinen- und Anlagenbau, mit denen sich Unternehmen auf eine vollkommen neue Art und Weise präsentieren können – mit interaktiven Produktpräsentationen in 3D. Aufgrund unseres eher ländlichen Standorts werden wir allerdings oft unterschätzt.
Wir haben ein Büro in Hülben und eines in Hechingen. Keine Weltstädte, für uns aber genau richtig, weil wir viele unserer Kunden direkt vor der Haustür haben. Und da wir ohnehin viel digital und remote arbeiten, macht es im Grunde auch keinen Unterschied, wo wir sitzen. Für potenzielle Kunden sind wir aber nicht so sichtbar wie Unternehmen, die zum Beispiel in einer Universitätsstadt angesiedelt sind – viele vermuten die Innovation eher in den Ballungsräumen als auf dem Land. Das macht uns zu einem Hidden Champion im wahrsten Sinn des Wortes. /
„Ausdauer war schon immer unsere Stärke“
Christian Keller, Geschäftsführer der Joline GmbH & Co. KG, Hechingen
Wir sind auf minimalinvasive Technologien für die Medizintechnik spezialisiert. In den 25 Jahren unserer Firmengeschichte haben wir dabei vom Katheter bis zum Stent so einige innovative Lösungen auf den Markt gebracht. Wobei man in diesem Kontext anmerken muss, dass die Medizintechnik keine besonders schnelllebige Industrie ist, da die Zulassungsverfahren – aus gutem Grund – ausgesprochen komplex sind. Von der innovativen Idee bis zum marktreifen Produkt ist es in unserer Branche daher oft ein langer Weg.
Ausdauer war aber zum Glück schon immer unsere Stärke und tatsächlich entstehen auch just im Moment neue Produkte, über die wir hoffentlich schon bald mehr verraten können. Außerdem wachsen wir stark; allein im vergangenen Jahr haben wir unsere Belegschaft um 20 Prozent vergrößert. Um mehr Raum für Produktion, Lager und Verwaltung zu schaffen, planen wir daher gerade einen Neubau. /
„Es ist schwer, Fördermittel zu erhalten“
Dr. Dietmar Schaffarczyk, Gesellschafter der Odilia Vision GmbH, Tübingen
Wir entwickeln medizinische Software zur Rehabilitation von Gesichtsfeldausfällen, wie sie etwa nach Schlaganfällen auftreten. Solche Ausfälle sind nicht heilbar, aber man kann sie kompensieren. Lernen die Patienten, „in den blinden Fleck hineinzuschauen“, können sie viele Probleme vermeiden – zum Beispiel, dass sie sich nicht außer Haus trauen, weil der Verkehr zu gefährlich ist. Ein Produkt wie unseres, das diesen Lernprozess digital unterstützt, gibt es bisher nicht.
Trotzdem war und ist es schwer, Fördermittel für die Entwicklung zu erhalten. Das ist aber nicht dem Standort Neckar-Alb geschuldet: Als Medizintechnik-Start-up hat man es nicht leicht, wenn man weder ein etabliertes Unternehmen noch eine Universität im Rücken hat. Wer Lean Management betreibt und mit Freelancern arbeitet, um die Kosten zu senken, fällt in Deutschland aus fast jedem Fördersystem. /
Das muss aus Sicht der IHK getan werden
- Standortbedingungen für regionale Unternehmen weiter verbessern, um (mehr) Investitionen in Innovationen und Zukunftstechnologien zu ermöglichen
- Die Region Neckar-Alb zu einem bedeutsamen „Green Tech“-Standort ausbauen: Die Entwicklung von Umwelt- und Klimaschutztechnologien sowie von Lösungen zur Energie-, Rohstoff und Materialeffizienz bietet heimischen Unternehmen gute Chancen, weiter zu wachsen und eine Vorreiterrolle in diesem wichtigen Zukunftsmarkt einzunehmen.
(Diese Inhalte erschienen in der WNA-Ausgabe 10+11/2024.)