Worauf kommt es beim Ausbilden junger Leute heute besonders an – und welche Herausforderungen gilt es dabei zu bewältigen? WNA hat sich bei Ausbilderinnen und Ausbildern umgehört.
„Mund-zu-Mund-Propaganda funktioniert beim Thema Ausbildung immer weniger“
Kathrin Engl, Ansprechpartnerin für die kaufmännischen Auszubildenden bei der Hugo Beck Maschinenbau GmbH & Co. KG, Dettingen an der Erms
Wir beobachten schon seit einigen Jahren, dass Mund-zu-Mund-Propaganda beim Thema Ausbildung immer weniger funktioniert. Früher hat man im Vorstellungsgespräch oft Sätze gehört wie: „Ich kenne jemanden vom Fußball, der seine Ausbildung bei euch gemacht hat.“ Das passiert heute eher selten. Außerdem fällt mir speziell im kaufmännischen Bereich auf, dass die Qualität der Bewerbungen nachgelassen hat. Nicht bei den Noten, wohlgemerkt: Da ist das Niveau ungefähr gleich geblieben. Aber den meisten Bewerbungsunterlagen täte etwas mehr Sorgfalt gut.
Das könnte allerdings auch damit zu tun haben, dass unsere Bewerber heute im Schnitt jünger sind. Bis vor zwei Jahren war das Fachabitur Voraussetzung für die Ausbildung bei uns, inzwischen fangen wir bei der Mittleren Reife an. Wir hatten gehofft, dadurch wieder mehr Azubis für uns gewinnen zu können. Tatsächlich ist die Zahl gleich geblieben – nur bekommen wir jetzt vor allem Bewerbungen von Schülern im Abschlussjahr der Realschule. /
„Manchmal fühlt man sich wie Don Quichotte im Kampf gegen Windmühlen“
Thomas Fesseler, Personalleiter bei der Otto Knecht GmbH, Metzingen
Was uns in Sachen Ausbildung derzeit beschäftigt? Dasselbe Thema wie seit über 30 Jahren: Uns fehlen die Azubis. Und wen wundert das, wenn rund 60 Prozent eines Jahrgangs Abitur machen und immer mehr Eltern auf Biegen und Brechen durchsetzen, dass ihr Kind studiert? Dabei könnten doch viele erst einmal mit einer Ausbildung einen soliden Grundstein legen! Wer nach der Hauptschule oder der Mittleren Reife eine Ausbildung absolviert, kann sich anschließend in ganz unterschiedliche Richtungen weiterbilden – das kann über Polier, Bauleiter und Bautechniker bis zum Diplom-Ingenieur gehen. Aber diese Chancen sehen viele nicht, auch wenn wir unser Möglichstes tun, um darauf aufmerksam zu machen.
Auf Ausbildungsmessen haben wir inzwischen ein großes Banner dabei, auf dem wir damit werben, dass wir unseren Auszubildenden sogar den Führerschein bezahlen. Uns darauf angesprochen hat bisher kein einziger Schüler. Da fühlt man sich manchmal wie Don Quichotte im Kampf gegen Windmühlen. /
„Die jungen Auszubildenden wünschen sich individuelles Feedback“
Lea Mosca, Ausbildungsleiterin bei der Pferdesporthaus Loesdau GmbH & Co. KG, Bisingen
Als mittelständisches Unternehmen im Bereich Reitsport erleben wir in Sachen Ausbildung derzeit zwei zentrale Herausforderungen. Zum einen sind die Bewerberzahlen insgesamt rückläufig. Dadurch wird es natürlich auch schwieriger, die richtigen Auszubildenden anzusprechen – zumal wir dabei auch mit den großen Unternehmen im Zollernalbkreis konkurrieren, die einfach andere Möglichkeiten und Budgets für Personalthemen haben.
Zum anderen verändert sich der Ausbildungsalltag ständig. Jede Neuerung bei den Ausbildungsberufen bedeutet zum Beispiel, dass wir die Rahmenpläne umgestalten müssen. Ganz davon zu schweigen, dass die Betreuung der Azubis immer intensiver wird. Wir beobachten, dass sich die jungen Auszubildenden zwischen 16 und 20 Jahren individuelles Feedback wünschen und das auch aktiv einfordern. Das ist natürlich keine schlechte Eigenschaft – ganz im Gegenteil. Aber als Mittelständler eine Eins-zu-eins-Betreuung für alle zu gewährleisten, das ist eben eine neue Herausforderung. /
„Es ist schön, zu wissen, dass jemand nachkommt“
Katharina Ott, Inhaberin der Blüten Manufaktur, Rottenburg am Neckar
Wer sich für eine Ausbildung bei uns interessiert, bekommt erst einmal eine Einladung zu einem Praktikum – und das aus gutem Grund. Wenn es an Interesse fehlt oder jemand nicht gern mit Menschen arbeitet, können die drei Jahre bis zum Abschluss ganz schön steinig werden. Das ist auch einer der Gründe dafür, warum wir erst seit diesem Herbst zum ersten Mal ausbilden: Wir mussten die richtige Bewerberin finden. Gerade zum Start muss man sich außerdem in vieles einlesen. Das hat aber auch seine guten Seiten, denn so frische ich als Ausbilderin mein eigenes Wissen auf.
Und den Aufwand ist es allemal wert: Wir sind begeistert davon, wie positiv unsere Auszubildende unseren Arbeitsalltag verändert. Sie ist motiviert, lernt schnell und wenn sie mit anpackt, ist das eine Entlastung fürs Team, die ich so gar nicht erwartet hätte. Außerdem gibt es immer weniger Floristen und infolgedessen auch immer weniger Bewerber, wenn mal eine Stelle offen ist. Umso schöner ist es, zu wissen, dass jemand nachkommt. /
„Die Nähe zu unseren Azubis ist uns wichtig“
Katharina Schneider, Teamleiterin Personalentwicklung bei der Kreissparkasse Tübingen
Ich denke, jede Generation bringt in Sachen Ausbildung ihre ganz eigenen Herausforderungen mit sich – und das ist auch gut so! Wenn die Personalentwicklung ein offenes Ohr für das hat, was den Auszubildenden wichtig ist, kann ein Unternehmen daran wachsen. Wir bieten etwa seit Langem auch den Azubis flexible Arbeitszeiten, weil wir wissen, wie wichtig die Work-Life-Balance für die jüngeren Generationen ist.
Außerdem achten wir darauf, dass unsere Azubis sinnhafte Tätigkeiten ausüben, dass sie schon früh mit Kunden arbeiten und sehen, wofür sie was lernen. Es finden regelmäßig Entwicklungsgespräche statt, die als Zeichen der Wertschätzung angenommen werden. Und das erleben wir auch nicht als Einbahnstraße: Den Auszubildenden ist es wichtig, dass sie Teil des Teams sind. Sie bringen gern ihre Perspektiven, Kenntnisse und Stärken mit ein, etwa in Bereichen wie Digitalisierung oder KI. Ihnen diese Chance zu geben, hat für uns daher hohe Priorität. /
„Wenn wir Potenzial sehen, ist auch eine 4 in Deutsch kein K.-o.-Kriterium“
Tanja Wilke, Fachberaterin und Teamleiterin Filialen/Sanitätsfachhandel bei der Orthopädie Brillinger GmbH + Co. KG, Tübingen
Ich habe vor 15 Jahren selbst meine Ausbildung bei Orthopädie Brillinger gemacht. Wenn ich das mit heute vergleiche, sind die Unterschiede kaum zu übersehen: Es sind viele neue Inhalte dazugekommen und insgesamt läuft auch viel mehr digital ab. Als Ausbildungsbetrieb muss man wendig sein, um mit solchen Entwicklungen mitzuhalten. Außerdem ist bei der Bewerberauswahl immer mehr Flexibilität erforderlich. Wenn immer mehr Schulabgänger studieren wollen, ist es einfach schwierig, Azubis zu finden.
Deshalb geben wir auch Bewerbern eine Chance, die auf den ersten Blick keine optimalen Voraussetzungen mitbringen. Eine 4 in Deutsch ist etwa für eine kaufmännische Ausbildung in vielen Betrieben ein K.-o.-Kriterium. Wenn wir die Person interessant finden, laden wir sie trotzdem zum Vorstellungsgespräch ein – um herauszufinden, ob wir Potenzial sehen, das wir weiterentwickeln können. Damit haben wir schon gute, manchmal auch schlechte Erfahrungen gemacht, aber wir bleiben dran und freuen uns über gemeinsame Erfolge. /
(Diese Statements erschienen in der WNA-Ausgabe 12/2024+1/2025.)