Warum eigentlich nicht selbst ausbilden? Die Waku GmbH aus Reutlingen und die Telenorma AG aus Albstadt haben sich vor Kurzem dazu entschieden – und haben diese Entscheidung nicht bereut.
Unternehmen, die selbst ausbilden, können nicht nur frühzeitig junge Talente an sich binden, sondern haben zudem die Möglichkeit, ihrem Firmennachwuchs genau die Qualifikationen mitzugeben, die im Betriebsalltag benötigt werden. Dass junge, motivierte Menschen darüber hinaus oft neue Ideen in ihren Ausbildungsbetrieb einbringen, zeigt das Beispiel der Waku GmbH. Seit mehr als 35 Jahren veredelt das Unternehmen mit Sitz in Reutlingen-Mittelstadt Metallober- flächen. Neben Pulverbeschichtung bietet es auch Dienstleistungen wie Sand- und Glasperlenstrahlen, Teilereinigung und chemisches Entlacken an.
Chance genutzt
Mit der Ausbildung eigener Fachkräfte hat das Unternehmen im Jahr 2022 begonnen, als Andreas Becher in der Produktion ohne abgeschlossene Ausbildung als Helfer tätig war. „Wir haben überlegt, Andreas eine Ausbildung zum Verfahrensmechaniker zu ermöglichen“, erzählt die kaufmännische Leiterin Malve Koutloumpasis. Der damals 20-Jährige sagte sofort zu. „Es war seine letzte Chance, um auf dem Arbeitsmarkt zu bestehen.“
Indem wir ausbilden, können wir uns unsere eigenen Fachkräfte und zugleich wichtiges Fachwissen im Betrieb sichern
Malve Koutloumpasis, Waku GmbH
Die Firma wandte sich da-raufhin an die IHK Reutlingen, die den Betrieb besichtigte und die fachliche Ausbildereignung des damaligen Geschäftsführers prüfte. Kurz darauf erhielt die Waku GmbH die Erlaubnis zur Ausbildung. Die Erstellung des Ausbildungsplans, für den die IHK einen Leitfaden bereitstellt, nahm etwas mehr Zeit in Anspruch als erwartet. „Es hat einige Stunden gedauert, bis wir uns eingearbeitet hatten, aber dann hat es gut funktioniert“, so Koutloumpasis. Um Andreas Becher sein bisheriges Gehalt weiterzahlen zu können, hat das Unternehmen die Weiterbildungsförderung der Agentur für Arbeit in Anspruch genommen.
Ausbildung mit Bravour gemeistert
Im vergangenen Juli legte der Auszubildende seine Prüfung mit Bravour ab. „Wir haben ihn gefördert und festgestellt, welche Auswirkungen das auf menschlicher Ebene auf ihn hatte. Er ist selbstbewusster geworden, übernimmt mehr Verantwortung und hat uns mit seinem Fachwissen neue Impulse gegeben“, sagt Malve Koutloumpasis. Mit der Hilfe von Andreas Becher hätten sie etwa Abläufe im Betrieb hinterfragt und neues Wissen an die Beschäftigten weitergeben können.
Aufgrund der positiven Erfahrungen hat Waku zwischenzeitlich einem weiteren jungen Mitarbeiter dieselbe Ausbildung angeboten: Der 27-jährige Kristian Zelic hat sie im Jahr 2023 begonnen und wird sie im Frühjahr 2026 abschließen. „Die einzige Herausforderung, die wir hatten, war es, die Blockberufsschulzeiten der beiden Auszubildenden im Betrieb zu überbrücken. Wir haben gemerkt, wenn einer gefehlt hat.“ Waku möchte auch in Zukunft ausbilden, vielleicht auch im kaufmännischen Bereich. „So können wir uns unsere eigenen Fachkräfte und zugleich wichtiges Fachwissen im Betrieb sichern“, sagt Malve Koutloumpasis.
Ein Jahr Vorbereitung, dann ging es los
Ortswechsel, von Reutlingen geht es nach Albstadt. Dort bildet die Telenorma AG seit Beginn des aktuellen Ausbildungsjahres erstmals aus. „Wir wollen einen Menschen unterstützen und ihm den Weg in Deutschland ebnen“, erklärt Sebastian Ebbers, Chief Bu-siness Development Officer und Ausbilder, die Entscheidung. Jenni Proskura, die Tochter der Chefentwicklerin, die aufgrund des Krieges in der Ukraine mit ihrer Familie nach Deutschland kam, hat bereits aushilfsweise bei Telenorma gearbeitet. Nun absolviert die 20-Jährige dort ihre Ausbildung. „Die gute Zusammenarbeit hat uns dazu bewogen, ihr dies anzubieten.“
Das Softwareunternehmen vertreibt unter anderem eine webbasierte Business-Lösung für Handel und Gastronomie, die das Kassen- und Warenwirtschaftssystem aufs Tablet, Smartphone, auf den PC oder die Kasse bringt. „Wir haben ein sehr diverses Mitarbeiterumfeld und sind weltweit aufgestellt. Das machte die Ausbildung zunächst zu einer Herausforderung, zumal sie mit einer enormen Verantwortung verbunden ist“, sagt Ebbers. Bereut habe er die Entscheidung nicht. „Wir haben uns etwa ein Jahr lang mit der Thematik beschäftigt, da wir kein Set-up für eine Ausbildung hatten. Vor allem zu Beginn hat uns die IHK beraten und unterstützt.“
Beruf mit Zukunft
Gemeinsam mit der zukünftigen Auszubildenden hatte sich Telenorma für den Beruf der Kauffrau für IT-Managementsysteme entschieden, da er gut ins Unternehmen passt und gute Berufsmöglichkeiten bietet.
Wir geben dem Menschen etwas auf seinen Weg mit
Sebastian Ebbers, Telenorma AG
Auch Sebastian Ebbers hat viel Zeit in die Erstellung des Ausbildungsplans investiert: Der Leitfaden gebe eine grundsätzliche Idee über den Aufbau vor – ihn auf die Bereiche des eigenen Unternehmens zu übertragen, sei zum Teil knifflig gewesen, aber machbar. Für Jenni Proskura selbst ist momentan vor allem die Sprache in der Berufsschule noch eine Hürde. „Darauf liegt unser Fokus gerade, damit sie sofort in der Schule mitwächst und nicht abgehängt wird.“
Mit den Inhalten der Ausbildung hat Jenni Proskura keine Probleme. Im Unternehmen ist sie bei Meetings und Kundengesprächen dabei und übernimmt bereits eigene Aufgaben. „Sie ist sehr gut integriert“, sagt Ebbers. Er sieht die Ausbildung nicht nur als wichtiges Tool für das Unternehmen, sondern auch für die Gesellschaft. „Wir geben dem Menschen etwas auf seinen Weg mit.“ Zunächst will sich die Telenorma AG komplett auf ihre erste Auszubildende konzentrieren. Sebastian Ebbers kann sich jedoch gut vorstellen, weiter im Unternehmen auszubilden, dann auch in anderen Bereichen der IT. /
(Dieser Artikel erschien in der WNA-Ausgabe 12/2024+1/2025.)