Künstliche Intelligenz

Abfallsünden auf der Spur

Sortenreiner Abfall lässt sich nicht nur leichter entsorgen: Auch seine Verwertung gelingt besser. Die Korn Recycling 
GmbH und die Technischen Betriebsdienste Reutlingen setzen auf KI, um Fremdstoffe im Müll frühzeitig zu erkennen.

Porträtfoto von Alexander KornAlexander Korn, der Geschäftsführer der Korn Recycling GmbH, die ihren Hauptsitz in Albstadt hat. Foto: PR

Der Prozess der Abfallsortierung wird immer komplexer. Insbesondere dann, wenn es um gemischte Abfälle geht, denn in die verirrt sich ein erstaunlich hoher Anteil an Fremd- und Störstoffen, die aussortiert werden müssen, bevor die Aufbereitung beginnen kann. „Besonders problematisch sind aktuell Lithium-Ionen-Akkus“, berichtet Alexander Korn, der Geschäftsführer der Korn Recycling GmbH. „Die werden immer kleiner und sind damit schwerer zu erkennen. Gleichzeitig steigt aber die Zahl der Produkte, die genau
diese Akkus enthalten und die teils in hoher Frequenz weggeworfen werden. Ein gutes Beispiel dafür sind E-Zigaretten: Auch die sind akkubetrieben und zählen deshalb zum Elektroschrott.“

Erkennt das System einen Akku, wird er automatisch vom übrigen Abfallstrom getrennt

Alexander Korn, Geschäftsführer der Korn Recycling GmbH, Albstadt

Röntgenbild trifft KI
Die Technologie für die KI-gestützte Abfallsortierung hat das Team von Korn Recycling gemeinsam mit einem Start-up entwickelt, das sich auf Röntgentechnologie spezialisiert hat. „Das Ergebnis kann man sich vorstellen wie eine intelligentere Form der Röntgenkontrolle, durch die das Gepäck am Flughafen muss“, erklärt Alexander Korn. „Bei uns werden die Röntgenbilder – und übrigens auch die Materialien auf dem Förderband, denn die können wir beim Röntgen gleich mit erfassen – zusätzlich durch eine KI analysiert. Erkennt das System einen Akku, wird er automatisch vom übrigen Abfallstrom getrennt und in einen sicheren Behälter umgeleitet, sodass er keine Gefahr mehr darstellt.“ 

Zu diesem Zweck kommt ein speziell für die Abfallsortierung entwickeltes System zum Einsatz, das über mehrere Jahre hinweg mit Bildern von Akkus trainiert wurde. „Und zwar so, dass die KI eben nicht nur den fabrikneuen Akkuschrauber erkennt, sondern auch Produkte, die starke Gebrauchsspuren aufweisen oder auf dem Weg zu uns beschädigt wurden“, fügt Alexander Korn hinzu. 

Henrique Barbose bei der Arbeit am SchreibtischHenrique Barbosa von den Technischen Betriebsdiensten Reutlingen bei der Auswertung der übermittelten Daten aus dem Müllwagen. Foto: PR

KI an der Biotonne
Auch bei den Technischen Betriebsdiensten Reutlingen (TBR) unterstützt seit einigen Wochen ein KI-basiertes System die Mülltrennung. Die Kameras sind hier in die Fahrzeuge integriert, mit denen die Biotonnen im Stadtgebiet geleert werden. „Wenn die Tonne am Fahrzeug eingehängt wird, hat die KI die erste Chance, zu erkennen, ob etwas obenauf liegt, was nicht in den Bioabfall gehört“, erklärt Henrique Barbosa, der Einsatzleiter der Müllabfuhr. „Befinden sich die Fremdstoffe weiter unten, hat die KI eine zweite Chance, wenn die Tonne geleert wird. Eine Kamera im Fahrzeug macht dort Aufnahmen, wo unsere Mitarbeiter aus Sicherheitsgründen nicht hinschauen können.“

Die KI meldet, der Mitarbeiter überprüft
 

Henrique Barbosa, Einsatzleiter der Müllabfuhr bei den Technischen Betriebsdiensten Reutlingen

Erkennt die künstliche Intelligenz eine Abfallsünde vor der Leerung, bleibt die Tonne stehen und der Eigentümer kann nachsortieren oder eine kostenpflichtige Sonderleerung beantragen. Fallen die Fremdstoffe erst im Wagen auf, werden sowohl der Abfall als auch die Chipnummer der Biotonne dokumentiert. „Den Kontakt mit den Bürgern überlassen wir aber nicht der KI“, betont Barbosa. „Meldet das System einen Verdachtsfall, prüfen unsere Mitarbeiter die Aufnahmen, um zu klären, ob auch wirklich ein Verstoß vorliegt.“

Kürbisse waren der KI zuerst suspekt
Mülltrennung will gelernt sein – das gilt auch für die KI. Wie zielsicher sie Fremdstoffe erkennt, hängt vor allem von der Datenbank ab, mit der sie trainiert wurde. Aus diesem Grund müssen auch Systeme wie das der TBR kontinuierlich dazulernen. „Die Kürbissaison war eine Herausforderung für unser KI-Training“, erinnert sich Henrique Barbosa. „Mit einem Mal tauchten Farben in der Biotonne auf, die es da sonst nicht zu sehen gibt. Grelles Orange, Knallrot – das war der KI suspekt. Bis wir ihr beigebracht hatten, wie viele verschiedene Kürbissorten es gibt.“

Von Vorteil ist hier die enge Zusammenarbeit mit anderen Unternehmen aus der Branche. Die vier intelligenten Fahrzeuge der TBR sind Teil einer Lerngemeinschaft, denn dieselbe KI für die Biotonne wird in insgesamt 30 Abfallsammelfahrzeugen in ganz Deutschland eingesetzt. „Wir arbeiten zusammen am Ausbau unserer Datenbank“, erklärt Barbosa. „Wenn ein Müllwerker in Rastatt entdeckt, dass die KI eine Bäckertüte aus Papier für Plastik gehalten hat, stellt er die Aufnahme auf den Server – dann können daraus auch die Fahrzeuge in Reutlingen etwas lernen. So kommen wir alle schneller voran.“ /

(Dieser Artikel erschien in der WNA-Ausgabe 6+7/2025.)