Zusatzqualifikation für Azubis

Joker bei der Fachkräftegewinnung

Im Rahmen einer Zusatzqualifiation erlernen Azubis aus der Region die Grundlagen von künstlicher Intelligenz (KI). Davon profitieren auch ihre Ausbildungsbetriebe.

IHK Reutlingen, Tübingen und ZollernalbDie Auszubildenden können das neu erworbene Know-how direkt im Unternehmen anwenden. Foto: ipopba/iStockphoto.com

Künstliche Intelligenz, maschinelles Lernen, automatisierte Datenverarbeitung und die Arbeit mit Algorithmen spielen in Unternehmen eine immer größere Rolle – und werden die betrieblichen Prozesse in den kommenden Jahren stark verändern. Um diese Herausforderung zu bewältigen, werden Expertinnen und Experten benötigt, die sich mit den genannten Themen auskennen. Genau hier setzt das Verbundprojekt KI B³, ein gemeinsames Projekt der baden-württembergischen IHKs mit Kooperationspartnern aus Politik und Hochschulen, an: Gefördert vom Bundesministerium für Bildung und Forschung bietet es KI-Fortbildungen für die Fach- und Führungskräfte von morgen an.

Ein Baustein des Projekts ist die „Zusatzqualifikation KI und maschinelles Lernen“, die für Auszubildende aller Fachrichtungen entwickelt wurde und die ihnen Basiswissen zu beiden Themenbereichen vermittelt.

Neuer Blick auf betriebliche Prozesse
Laura Nischik, Referentin Personalentwicklung bei der Reiff Technische Produkte GmbH in Reutlingen, hat zwei Azubis zum Programm angemeldet. „Wir beschäftigen uns bereits seit einiger Zeit mit der Frage, wie KI unser Unternehmen weiter voranbringen kann. Da kam das Weiterbildungsangebot genau richtig“, sagt sie. „Unsere Auszubildenden erwerben im Rahmen der Zusatzqualifikation Know-how, das sie direkt im Betrieb einbringen können. Dadurch können sie schon während ihrer Ausbildung Verantwortung übernehmen und aktiv an der Entwicklung unseres Unternehmens mitwirken.“ Der Input der Azubis ermögliche Reiff zudem einen neuen Blick auf bestehende Prozesse und könne potenzielle Anwendungsmöglichkeiten für den Einsatz von KI im Unternehmen aufzeigen.

Laura NischikFoto: PR

„Unsere Azubis können mit ihrem neuen Wissen aktiv an der Entwicklung unseres Unternehmens mitwirken“

Laura Nischik, Referentin Personalentwicklung bei der Reiff Technische Produkte GmbH, Reutlingen

Im Zentrum der KI B³-Zusatzqualifikation stehen die Grundlagen der künstlichen Intelligenz, der Datenanalyse, des maschinellen Lernens und der Programmiersprache Python. Die Azubis erarbeiten die Lerninhalte individuell mithilfe einer Lernsoftware und werden dabei von einem Chatbot unterstützt. Wann sie welches Thema bearbeiten, können sie frei entscheiden. „In regelmäßigen Abständen gibt es Online-Termine, bei denen wir uns mit den anderen Teilnehmerinnen und Teilnehmern der Zusatzqualifikation austauschen und die bearbeiteten Themen wiederholen“, berichtet Lukas van Rossenberg, der bei Reiff eine Ausbildung zum Fachinformatiker für Systemintegration absolviert und gerade im 2. Lehrjahr ist.

Mehrwert fürs Unternehmen
Gemeinsam mit Robin Hashemi, der sich im 3. Lehrjahr seiner Ausbildung zum Industriekaufmann befindet, wendet er das neue Wissen bereits im Unternehmen an: Lukas van Rossenberg tüftelt an der Digitalisierung des Rücklaufs der Azubiberichte. Robin Hashemi beschäftigt sich mit kostenfreien KI-Tools, mit denen sich die internen Arbeitsabläufe vereinfachen lassen. „Damit schaffen die beiden einen echten Mehrwert fürs Unternehmen“, sagt Laura Nischik.

Positives Feedback zur KI-Zusatzqualifikation gibt es auch von der Reutlinger Karl Mayer Stoll Textilmaschinenfabrik GmbH. Ausbildungsmeister Andreas Dürr hat zwei seiner Azubis dazu angemeldet – und auch sie setzen ihre neuen Kenntnisse schon praktisch in der Firma ein. Nico Vöhringer, Auszubildender zum Elektroniker für Geräte und Systeme im 3. Lehrjahr, befasst sich mit der automatisierten Fehlererkennung mittels KI. Andreas Maier, Azubi im selben Ausbildungsgang und Ausbildungsjahr, setzt sich mit der Frage auseinander, wie sich das Schmierverhalten von Maschinen mittels KI optimieren lässt. Beide erarbeiten derzeit Prototypen, die als Grundlage für weitere Entwicklungen dienen sollen.

Die beiden Azubis mögen nicht nur die Inhalte des Kurses, sondern auch, wie er organisiert ist. „Wir haben viele Freiheiten“, sagt Nico Vöhringer. Andreas Maier ergänzt: „Es ist gut, dass wir alles in unserem eigenen Tempo durcharbeiten können. Wenn ich in einer Woche keine Zeit habe, kann ich dafür in der nächsten Woche mehr machen.“

Andreas DürrFoto: PR

„Durch die freie Zeiteinteilung lernen unsere Nachwuchskräfte direkt das selbstständige Arbeiten“

Andreas Dürr, Ausbildungsmeister bei der Karl Mayer Stoll Textilmaschinenfabrik GmbH, Reutlingen

Ausbildung wird attraktiver
Positiver Zusatzeffekt: „Durch die freie Zeiteinteilung lernen unsere Nachwuchskräfte direkt das selbstständige Arbeiten“, sagt Andreas Dürr. Auch im Hinblick auf das Ausbildungsmarketing sieht er die Zusatzqualifikation positiv. „Wir wollen, dass das Image der Ausbildung allgemein attraktiver wird.  Für viele Unternehmen, auch für uns, wird es immer schwerer, Azubis zu finden. Die besondere Weiterbildungsmöglichkeit ist ein Joker, der am Ende vielleicht den Ausschlag gibt, ob sich jemand für einen Ausbildungsplatz entscheidet.“

Über eines sind sich sowohl Ausbilder als auch Azubis einig: Die Zusatzqualifikation legt einen guten Grundstein für die weitere Karriere. „Das Thema KI wird uns unser ganzes Berufsleben begleiten“, ist sich Nico Vöhringer sicher. „Im Moment lernen wir die Grundlagen. Darauf können wir später aufbauen und uns weiter spezialisieren.“ Auch Andreas Maier, Lukas van Rossenberg und Robin Hashemi können sich vorstellen, künftig weitere KI-Fortbildungen zu besuchen. „Man sieht am momentanen Hype um die Software Chat GPT, wie schnell sich das Thema KI entwickelt“, sagt Maier. /

(Dieser Artikel erschien in der WNA-Ausgabe 4+5/2023.)

InnoVET-Projekt KI B³

Das Verbundprojekt „KI B³ – Künstliche Intelligenz in die berufliche Bildung bringen“ wird im Programm InnoVET aus Mitteln des Bundesministeriums für Bildung und Forschung gefördert. Verbundpartner sind die IHKs Reutlingen, Karlsruhe und Region Stuttgart sowie die Unis Stuttgart und München. Sie werden von einem Netzwerk aus Wissenschaft, Berufsbildung, Ministerien und Unternehmen sowie allen baden-württembeegischen IHKs unterstützt. Das Projekt läuft von Dezember 2020 bis November 2024.

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