Personalprobleme treiben das Gastgewerbe nicht erst seit Beginn der Corona-Pandemie um. Was tun Betriebe, um Beschäftigte zu gewinnen und zu halten? Drei Beispiele aus Reutlingen, Hechingen und Tübingen.
Während die Gästezahlen nach dem Corona-Winter ganz langsam wieder ansteigen, kämpfen viele Betriebe in der Gastronomie und der Hotellerie offensiv um Fachkräfte. Der Wettbewerb um Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ist für die Branche nichts Neues – die mehrmonatigen Schließungen seit Beginn der Corona-Pandemie haben das bereits bestehende Problem für viele Betriebe allerdings noch einmal deutlich verschärft. So hat etwa das Achalm Hotel in Reutlingen insbesondere im Bereich der Rezeption gleich mehrere Beschäftigte verloren. „Wir hatten sieben Monate dauerhaft geschlossen und unser Rezeptionspersonal war nur sehr sporadisch im Einsatz, um Telefondienste zu übernehmen. Die Mitarbeiter waren dabei maximal einmal die Woche gefordert“, berichtet Geschäftsführerin Anna-Lena Dollinger. „Entsprechend sind ihre Einkünfte über die Kurzarbeit eingebrochen.“
„Einige Mitarbeiter haben neue Jobs gefunden – und kommen auch nicht wieder zurück“
Anna-Lena Dollinger, Geschäftsführerin Achalm Hotel, Reutlingen
Magere Zeit
Da man mit den Tätigkeiten, die an der Rezeption gefragt sind, wie etwa Terminkoordinierung und Büroarbeit, auch gut in anderen Unternehmen unterkomme, hätten einige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter schnell neue Beschäftigungen gefunden. „Sie kommen auch nicht wieder zurück“, sagt Anna-Lena Dollinger. Weniger Personalprobleme verzeichnet das Achalm Hotel im Bereich des Servicepersonals. „Viele langjährige Servicemitarbeiterinnen und Servicemitarbeiter sind mit uns durch die Krise gegangen und wurden dann über die Kurzarbeit aufgefangen.“ Finanziell schwierig und belastend seien die vergangenen Monate für die Servicemitarbeiter trotzdem gewesen, leben sie doch zu einem großen Teil auch von den Trinkgeldern. „Die Lockdowns waren schon eine magere Zeit für viele unserer Beschäftigten“, so Anna-Lena Dollinger rückblickend.
„Wir bewegen uns momentan auf ganz dünnem Eis“
Stefan Albus, Inhaber Hotel-Restaurant Lamm, Hechingen
Auf ganz dünnem Eis
Auch Stefan Albus, Geschäftsführer des Hotel-Restaurant Lamm in Hechingen konnte sich in den vergangenen Monaten auf sein langjähriges Personal verlassen. „Ich bin mir jedoch bewusst, dass das ein ganz dünnes Eis ist, auf dem wir uns momentan bewegen“, sagt er. Denn insbesondere in den Bereichen Küche und Service sei es sehr schwierig, Fachkräfte zu finden und Stellen nachzubesetzen, falls doch einmal jemand wegbricht. Albus sieht das Problem vor allem darin, dass viele Menschen immer größeren Wert auf eine ausgewogene Work-Life-Balance legen. „Arbeiten, wenn andere Feierabend haben oder das Wochenende genießen, wird immer unbeliebter und ist oftmals auch schwer mit dem Familienleben vereinbar.“ Das mache das Gastgewerbe für viele unattraktiv.
Ulf Siebert, der Geschäftsführer des Tübinger Restaurants Hofgut Rosenau, sieht zudem ein grundlegendes Problem der Branche darin, dass in der Vergangenheit zu wenig in die Ausbildung von Nachwuchskräften investiert wurde. Betriebe, die bisher zu einem großen Teil auf kostengünstigere Aushilfskräfte gesetzt haben, hätten es in der Pandemie besonders schwer gehabt. So mussten sich etwa Studierende, die sich bislang mit Jobs in der Gastronomie das Studium mitfinanziert haben, während der Schließungen neue Beschäftigungen suchen. Der Grund: Sie fielen nicht unter die Kurzarbeiterregelung und es konnte kein Kurzarbeitergeld für sie beantragt werden.
„Wenn Beschäftigte wegbrechen, muss man sich von Geschäftsbereichen trennen“
Ulf Siebert, Geschäftsführer Hofgut Rosenau, Tübingen
Guter Ruf ist wichtiger als Geld
Bei der Suche nach Lösungen für den Personalmangel verfolgt das Gastgewerbe in der Region unterschiedliche Ansätze. Das Reutlinger Achalm Hotel bietet seinen Beschäftigten verschiedene Benefits wie etwa eine kostenlose Mitgliedschaft in einem Reutlinger Fitnessstudio, die Möglichkeit des E-Bike-Leasings sowie Mitarbeiterwohnungen an. Ulf Siebert vom Hofgut Rosenau ist der Meinung, dass es nicht immer nur Geld und Benefits sind, die für Zufriedenheit bei den Mitarbeitern sorgen. Er setzt im Wettbewerb um Fachkräfte darauf, dass sein Betrieb einen guten Ruf hat, nicht nur bei den Gästen. Werte wie Freundlichkeit, Herzlichkeit, Fairness und Respekt sind ihm sehr wichtig. „Was nützt einem ein gutes Gehalt, wenn man sich bei der Arbeit nicht wohlfühlt?“, fasst es Siebert zusammen.
Stefan Albus aus Hechingen legt ebenfalls großen Wert auf einen wertschätzenden Umgang. Dazu gehört für ihn auch, einmal ein paar Euro auf das Kurzarbeitergeld draufzulegen und ein offenes Ohr zu haben, „wenn irgendwo der Schuh drückt“. Durch flexible Arbeitszeitmodelle versucht das Lamm außerdem, die Arbeit in der Gastronomie attraktiver zu gestalten. „Ich habe im Service viele Mitarbeiterinnen, die in Teilzeit arbeiten. Das führt dazu, dass wir auch am Wochenende etwas flexibler sind und nicht jeder samstags oder sonntags ranmuss“, berichtet Stefan Albus. „In der Küche würde ich das gerne auch so machen und eine 4-Tage-Woche einführen. Dafür bräuchte ich aber am besten zwei Köche mehr. Nur wo soll ich die herkriegen, wenn es keine gibt?“
Insgesamt sieht der Gastronom und Hotellier es nüchtern: „Wenn Mitarbeiter wegbrechen, wird man sich von gewissen Geschäftsbereichen trennen oder zumindest stark reduzieren müssen.“ Zum Teil habe er das auch schon tun müssen, so etwa im Catering-Bereich. Auch reduzierte Öffnungszeiten oder Öffnungstage sind für ihn denkbar. „Die Zeiten von 11-Stunden-Tagen in der Gastronomie – und wenn es klemmt, muss der Azubi nach der Berufsschule noch ran – sind vorbei.“ /
(Dieser Artikel erschien in der WNA-Ausgabe 4/2022.)