Apotheken vor großen Herausforderungen

„Toxische Mischung“

Seit Jahren keine Honoraranpassung, immer weniger Berufsnachwuchs und nun auch noch ein ungeliebter Reformentwurf: Der Unmut bei Apothekerinnen und Apothekern ist derzeit groß. WNA hat mit drei von ihnen gesprochen.

Das rote A, das Erkennungszeichen der Apotheken in Deutschland138 Apotheken gibt es laut dem Landesapothekerverband aktuell in der Region, vor zehn Jahren waren es noch 160. Foto: Dan Race - stock.adobe.com

Auf die Frage, wo seiner Branche der Schuh denn gerade am meisten drückt, findet Johannes Ertelt eine deutliche Antwort: „Der Schuh drückt nicht nur an einer Stelle, er ist insgesamt zu klein.“ Der Apotheker ist Inhaber von vier Apotheken im Zollernalbkreis und kämpft wie seine Berufskolleginnen und -kollegen zurzeit mit zahlreichen Herausforderungen. Was dabei das größte Problem ist, kann er gar nicht sagen. „Es ist die toxische Mischung aus verschiedenen Belastungen, die uns zu schaffen macht.“

Gestiegene Kosten
So würde er seinen rund 60 Beschäftigten etwa schon seit Längerem gerne höhere Löhne zahlen. Dafür müssten allerdings zunächst die sogenannten Apothekenhonorare steigen. „Diese wurden vom Gesetzgeber in den vergangenen 20 Jahren nur ein einziges Mal erhöht: 2013 um 25 Cent“, so Ertelt. „Die Politik scheint zu vergessen, dass die Inflation vor den Apotheken keinen Halt macht.“

Caspar SpindlerFoto: PR

„Zurzeit stehen wir kurz vor der nächsten großen Schließungswelle“

Caspar Spindler, Apotheker im Zollernalbkreis

Diesen Eindruck hat auch Caspar Spindler, der Inhaber von zwei Apotheken in Balingen und Schömberg ist. „Für jedes verkaufte verschreibungspflichtige Medikament erhalten wir Apotheker einen Festzuschlag, der die Arzneimittelversorgung der Bevölkerung sicherstellen und finanzieren soll“, erklärt er. „Die finanzielle Unterstützung vom Staat reicht aber nicht mehr aus. Alles wird teurer und wir müssen diese gestiegenen Kosten kompensieren, ohne Hilfe von der Politik zu bekommen.“ Deutschlandweit rentiere sich ein Drittel der Apotheken für ihre Inhaber nicht mehr. Zugleich verschärfe sich der Fachkräftemangel in die Branche. „Nach dem Studium zieht es viele Pharmazeutinnen und Pharmazeuten in die Industrie, weil dort die Löhne besser sind.“

Die Zahl der Apotheken geht auch in der Region seit Jahren zurück. „Zurzeit stehen wir kurz vor der nächsten großen Schließungswelle“, prognostiziert Caspar Spindler.

Johannes ErteltFoto: PR

„Noch gibt es ein funktionierendes Apothekennetz, aber die Politik setzt gerade alles daran, es zu zerstören“

Johannes Ertelt, Apotheker im Zollernalbkreis

Die Folgen liegen auf der Hand: Die Wege zu den Apotheken werden länger und der Andrang auf eine Filiale wird größer. Ungünstig insbesondere für diejenigen, die aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr weit gehen oder lange anstehen können. „Noch gibt es ein funktionierendes Apothekennetz, aber die Politik setzt gerade alles daran, es zu zerstören“, meint Johannes Ertelt.

Sorgen wegen Apothekenreform
Die von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach geplante Apothekenreform würde sich insbesondere auf die Apothekenversorgung im ländlichen Raum negativ auswirken, da sie, so Ertelt, die Eröffnung ganzer Apothekenketten begünstige – und für diese rechneten sich Filialen in kleineren Orten wirtschaftlich nicht. Doch nicht nur deshalb wehren sich derzeit deutschlandweit Apothekerinnen und Apotheker gegen den Entwurf für die Reform. „Er ist eine Mogelpackung. Wir sehen keinen einzigen Punkt, der uns Erleichterung verschaffen würde, eher im Gegenteil“, sagt Caspar Spindler.

Claudia Gundlach-BatteFoto: PR

„Die Politik geht respektlos mit uns um“

Claudia Gundlach-Batte, Apothekerin im Landkreis Tübingen

„Die Politik geht respektlos mit uns um“, klagt auch die Apothekerin Claudia Gundlach-Batte, die unter anderem eine Apotheke in Ammerbuch führt. „Wir hatten große Hoffnungen, dass uns die Reform in einigen Punkten die Arbeit erleichtern könnte, doch unterm Strich ist der jetzige Entwurf überhaupt nicht im Sinne von uns öffentlichen Apotheken.“ Wenn das Gesetz so komme wie derzeit geplant, hätte dies schwerwiegende Folgen für die Patientensicherheit. „Der Entwurf sieht Einsparungen durch die Kündigung von approbierten Apothekern vor“, erklärt Gundlach-Batte. Künftig solle es nicht mehr nötig sein, durchgehend studierte Fachkräfte in den Filialen zu haben, und Apotheken sollten allgemein mit weniger Personal auskommen. „Unsere Hauptaufgabe ist jedoch die Beratung und die können wir nur mit genügend und kompetentem Personal leisten.“

Viele Aufgaben, wenig Wertschätzung
Vielen sei nicht bewusst, dass die Arbeit von Apothekern nicht nur im Verkauf von Medikamenten bestehe, sagt Claudia Gundlach- Batte. „Wir haben sechs Tage die Woche geöffnet, machen Notdienste in der Nacht und am Wochenende, fertigen individuelle Arzneimittel an, halten Rücksprache mit Arztpraxen und haben ziemlich viel an Bürokratie zu bewältigen – all das sollte mehr wertgeschätzt und angemessener honoriert werden.“

Caspar Spindler führt noch einen anderen Punkt an: „Viele Kundinnen und Kunden kommen häufig zuerst zu uns, wenn sie Fragen zu ihren Medikamenten haben – weil sie für uns keinen Termin benötigen und ihre Anliegen schnell gelöst werden können.“ Apotheken seien bedeutende Lotsen im Gesundheitssystem. Daher sei es wichtig, dass sie in der bekannten Form auch künftig existierten, ergänzt Johannes Ertelt. „Und es gibt ja eigentlich genug Geld dafür, es versickert nur in den falschen Kanälen.“

Claudia Gundlach-Batte, Caspar Spindler und Johannes Ertelt gehen ihrem Beruf mit Leidenschaft nach, sind sich jedoch einig: Damit das auch bei künftigen Apothekerinnen und Apothekern der Fall ist, müsse die Politik dringend umdenken, langfristige Lösungen über Wahlperioden hinaus entwickeln und vor allem in den direkten Dialog mit der Branche treten. /

(Dieser Artikel erschien in der WNA-Ausgabe 10+11/2024.)