Youtube-Managerin Ina Fuchs

„KI wird menschliche Kreativität nicht ersetzen“

Ob mit dem Smartphone gedreht, KI-generiert, als kurzer Schnipsel oder in Schwarz-Weiß: Am Ende geht es bei Youtube-Videos immer um eine gute Story. Das meint eine, die es wissen muss: Ina Fuchs ist bei Youtube für erfolgreiche Content-Produzenten zuständig. 

Porträtfoto von Ina FuchsPrivat hat Ina Fuchs Kanäle zu Yoga, Lifestyle und Musik abonniert. Seitdem sie selbst Bauherrin ist, auch zu Interior und Hausbau. Foto: PR

WNA: Frau Fuchs, Sie sind Head of Community Partner Management Teams für EMEA bei Youtube. Wie können wir uns Ihren Job vorstellen? Was sind Ihre Aufgaben?
Fuchs: Ich leite ein Team, das Tausende Youtuber im EMEA-Raum betreut, also in Europa, in Afrika und im Nahen Osten. Das ist eine Tätigkeit, die mich sehr erfüllt. Wir sind sozusagen die strategischen Partner dieser Kreativen. Unsere Aufgabe ist es, ihnen dabei zu helfen, ihr volles Potenzial auf Youtube auszuschöpfen. Das bedeutet, dass wir ihnen mit Rat und Tat zur Seite stehen, sie über neue Produkte und Funktionen informieren und ihnen helfen, ihre Community und ihr Business aufzubauen. Aber das ist nicht mein einziger Job: Ich bin auch Mama von drei Kleinkindern und derzeit Bauherrin in Tübingen (lacht).   

Ab wie vielen Abonnenten wird man von Ihnen und Ihrem Team persönlich betreut?
Es gibt keine feste Abonnentenzahl, ab der ein Kanal automatisch von uns betreut wird. Wir konzentrieren uns auf Kanäle, die ein großes Wachstumspotenzial haben und die eine starke Community aufbauen. Dabei spielt es keine Rolle, ob es sich um einen Kanal mit 1.000 oder mit 10 Millionen Abonnenten handelt.

Viele Youtuber sind genauso authentisch wie sie in ihren Videos rüberkommen

Ina Fuchs

In Ihrem Job begegnen Sie den großen Youtube-Stars. Wie ist es, den Leuten, die viele nur über ihre Videos kennen, plötzlich direkt gegenüberzustehen?
Es ist jedes Mal faszinierend, die Menschen hinter den Kanälen persönlich kennenzulernen. Oftmals ist die Diskrepanz zwischen der Online-Persona und der realen Person gar nicht so groß. Viele Youtuber sind genauso authentisch und sympathisch wie sie in ihren Videos rüberkommen. Gerade diese Authentizität, begeistert ja so viele an Youtube, auch mich.

Was auffällt: Unter den Youtubern mit den meisten Abonnenten sind kaum Europäer. In den Top-Listen tauchen vor allem Youtube-Kanäle aus Indien und den USA auf. Warum kommen die Großen der Szene nicht aus Europa?
Das ist eine interessante Beobachtung – und genau da sind wir wieder beim Punkt Abonnentenzahlen. Zum einen ist nicht die Quantität der Abonnenten für den Impact von Kanälen ausschlaggebend, sondern die richtige Zielgruppe. Die Märkte in Indien mit einer Milliardenbevölkerung oder in den USA mit schätzungsweise 1,5 Milliarden englischsprachigen potenziellen Zuschauern sind natürlich deutlich größer als in Europa. Dennoch gibt es auch sehr viele erfolgreiche europäische Youtuber, die Millionen von Abonnenten und florierende Unternehmen aufgebaut haben. Auch aus Baden-Württemberg: Sally Özcan beispielsweise, früher Lehrerin, hat durch den Erfolg ihres Youtube-Kanals „Sallys Welt“ mittlerweile über 150 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Oder Pamela Reif, die nach ihrem Einserabitur auf Youtube mit Workout-Videos durchstartete und nun weltweit über 10 Millionen Abonnenten hat.

Sie haben jahrelange Erfahrung in der Branche. Warum wird ein Video zum Hit und ein anderes nicht?
Es gibt kein Patentrezept für virale Videos. Aber es gibt einige Faktoren, die dazu beitragen können, dass ein Video erfolgreich wird. Dazu gehören beispielsweise eine gute Idee, eine fesselnde Geschichte, ein spannendes oder aktuelles Thema – und natürlich eine gute Umsetzung auf der Plattform. Erfolgreiche Videos berühren die Zuschauer emotional. Sie bringen sie zum Lachen, machen sie nachdenklich oder bringen ihnen etwas Neues bei. Es geht darum, eine Geschichte zu erzählen, die die Menschen anspricht und die sie mit anderen teilen möchten.

Lineare Formate feiern auf  Youtube momentan große Erfolge. Gerade junge Userinnen und User freuen sich auf Videos von ihrem Star zu einem bestimmten Termin, zum Beispiel immer montags. Warum ist das so? Im Netz ist man ja eigentlich nicht an feste „Sendeplätze“ gebunden.
Ich denke, dass lineare Formate ein Gefühl von Verlässlichkeit und Vorfreude schaffen. In einer Welt, in der wir ständig mit neuen Inhalten bombardiert werden, ist es schön, etwas zu haben, auf das man sich regelmäßig freuen kann. Außerdem schaffen regelmäßige Formate eine stärkere Bindung zwischen Creator und Community als Formate, die unregelmäßig erscheinen.

Ina Fuchs hält einen VortragIna Fuchs ist gefragte Speakerin und viel unterwegs. Dennoch zieht es sie immer wieder zurück ins Ländle. Foto: PR

Von Shorts bis zu stundenlangen Deep-Talk-Formaten gibt es mittlerweile eigentlich alles an Videoformaten im Netz. Haben Sie dennoch eine Idee, wie das Video von morgen aussehen wird, das die Leute richtig flasht?
Das ist schwer zu sagen. Die Möglichkeit, online Videos veröffentlichen zu können, hat jeden von uns zu einem potenziellen Produzenten gemacht. Ganz gleich, ob Short- oder Longform, Live-stream oder Video-on-Demand, mit dem Handy gefilmt oder mit KI generiert: Am Ende wird es auch in Zukunft immer darum gehen, Geschichten zu teilen, die die Leute bewegen. Die Möglichkeiten, diese Geschichten zu erzählen, werden dabei immer vielfältiger. Ich bin mir sicher, dass wir in Zukunft noch mehr interaktive Formate sehen werden, die die Zuschauer aktiv mitgestalten können. Auch der Einsatz künstlicher Intelligenz wird ganz neue kreative Möglichkeiten eröffnen.

Stichwort künstliche Intelligenz. Welche Veränderungen werden sich bei Youtube dadurch ergeben?
Künstliche Intelligenz ist bei uns bereits im Einsatz und wird in Zukunft eine immer größere Rolle spielen. Schon heute können Youtuber KI nutzen, um Inhalte moderieren zu lassen, Untertitel für ihre Videos zu erstellen oder Hilfe bei der Recherche zu erhalten. Außerdem hilft KI dabei, multiple Audiotracks einzuspielen, sodass Videos in der Sprache gesehen werden können, die die Zuschauerin oder der Zuschauer spricht. Zukünftig könnte KI auch eingesetzt werden, um neue Formate zu entwickeln, Videos zu bearbeiten und sogar komplett automatisch zu generieren. Aber eines ist klar: KI wird niemals die menschliche Kreativität der Creators in unserer Community ersetzen können.

Youtube ist nicht nur die größte Videoplattform, sondern die zweitgrößte Suchmaschine der Welt

Ina Fuchs

Warum sollte man Youtube Shorts schauen, wenn es doch Tiktok gibt?
Youtube Shorts bietet kurze unterhaltsame Videos – aber immer angebunden an Youtube. Das heißt, wenn ich tiefer in ein Thema eintauchen möchte, kann ich nahtlos zwischen Shorts und längeren Videos wechseln. Youtube ist nicht nur die größte Videoplattform, sondern auch die zweitgrößte Suchmaschine der Welt. Hier findet man Videos zu wirklich allen Themen. Und es ist uns sehr wichtig, die Plattform sicher und frei von schädlichen Inhalten zu halten.

Was trendet gerade in Afrika, welche Themen sind in Europa auf Youtube derzeit ganz oben?
In Afrika sehen wir einen Trend zu Musikvideos, Comedy und Bildungsinhalten. Erst neulich bin ich über einen Kanal gestolpert, der in einem tollen Do-it-yourself-Video zeigt, wie man aus alten Reifen robuste und bequeme Sandalen herstellen kann. In Europa sind beispielsweise Gaming, Beauty und Lifestyle sehr beliebt. Aber da es eine so riesige Masse an Inhalten gibt, ist die Frage nach Trends immer gar nicht so leicht zu beantworten. Man muss sich vor Augen halten, dass pro Minute mehr als 500 Stunden an Inhalten bei Youtube hochgeladen werden.

Im Nahen Osten wird Ihr Team derzeit viel zu tun haben, um Youtube frei von blutigen Szenen zu halten. Wie können Sie bei den enormen Datenmengen Ihrer Verantwortung gerecht werden und Ihre Plattform frei von Propaganda-Content halten?
Das ist eine große Herausforderung, der wir uns sehr bewusst sind und an der ich täglich mit unserem Team im Nahen Osten arbeite. Wir setzen eine Kombination aus menschlicher Überprüfung und künstlicher Intelligenz ein, um sicherzustellen, dass unsere Plattform sicher und frei von falschen und schädlichen Inhalten ist. Und wir arbeiten ständig daran, diese Überprüfungssysteme zu verbessern.

Trotz internationaler Karriere leben Sie mittlerweile wieder in Baden-Württemberg. Wie kam es dazu?
Wir fühlen uns hier einfach sehr wohl. Derzeit wohne ich mit meinem Mann und unseren Kindern in Stuttgart. Mein Mann, der ebenfalls eine Führungsposition bei Google innehat, hat übrigens wie ich an der ESB Reutlingen studiert. Vielleicht haben wir uns deshalb dazu entschieden, in Tübingen zu bauen und bald dorthin zu ziehen. Das Schöne ist: Ich kann ein internationales Team leiten und dort wohnen, wo ich möchte. Anfang der Woche bin ich viel unterwegs und gegen Ende der Woche zieht es mich wieder ins Homeoffice. Die Mischung macht’s! /

(Dieses Interview erschien in der WNA-Ausgabe 8+9/2024.)

Vita

Ina Fuchs wurde 1987 in Schwäbisch Gmünd geboren. Nach ihrem Studium an der ESB Reutlingen und dem MBA an der EGADE Monterrey, Mexiko, führten sie erste Stationen in Start-ups, in einer PR-Agentur und bei Bosch nach Madrid, New York und Mailand.

2011 startete sie ihre Karriere bei Google in Dublin. 2013 wechselte sie zur Google-Tochter Youtube nach München, wo sie die Bereiche „Gaming“, „Top Creator“ und zuletzt „Youtube Shorts für EMEA“ leitete.

Seit bald drei Jahren ist Fuchs Head of Community Partner Management Teams für die EMEA-Region.

Trotz internationaler Karriere zog es sie zurück in die Heimat. Gemeinsam mit ihrem Mann und ihren Kindern wird sie bald nach Tübingen ziehen.

Ein Video, das sich Ina Fuchs immer wieder anschauen kann und über das sie jedes Mal lachen muss: „Charlie bit my finger – again!“ Für sie ist es ein Klassiker.