Ist die Deindustrialisierung bereits in vollem Gange? Die IHK hat die Datenlage für die Region überprüft und zeigt: Die Industrie bleibt wichtige Säule der heimischen Wirtschaft.
Beschäftigung
103.328 Menschen sind in der Region aktuell im produzierenden Gewerbe sozialversicherungspflichtig beschäftigt. Das sind einerseits deutlich weniger als noch Mitte der 1970er-Jahre, als die Branche fast 150.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zählte. Andererseits nimmt die Beschäftigung in der Industrie seit 2013 – mit Ausnahme der Corona-Jahre – aber wieder zu. Damals waren in der regionalen Industrie 90.313 Mitarbeiter tätig. Der Anstieg liegt bei 14,4 Prozent.
Zahl der Betriebe
Die Zahl der Betriebe im produzierenden Gewerbe hat sich zuletzt auf konstantem Niveau eingependelt. In den Landkreisen Reutlingen, Tübingen und Zollernalb sind aktuell 5.279 IHK-Mitgliedsunternehmen aller Größenklassen zu finden. Zehn Jahre zuvor lag die Zahl bei 5.103.
Konjunkturelle Lage
Für Unsicherheit sorgen derzeit die konjunkturellen Aussichten. Laut jüngster IHK-Umfrage ist die Stimmung in der Industrie eher mäßig. Positive und negative Stimmen halten sich die Waage, der Großteil der Betriebe beschreibt die Lage als befriedigend. Beim Blick in die Zukunft überwiegen Pessimisten – 29 Prozent der Unternehmen erwarten schlechtere Geschäfte, 22 Prozent bessere Geschäfte und 49 Prozent gleichbleibende Geschäfte.
„Die Grunddaten sind nach wie vor in Ordnung“
Insolvenzen und Kurzarbeit
Im ersten Quartal 2024 lag die Zahl der Insolvenzen in der regionalen Industrie bei 3. In den Vorquartalen seit 2019 schwankte sie zwischen 1 und 10. Auch die Anzeigen für Kurzarbeit bei der Agentur für Arbeit deuten auf keine akute Krise: Gab es im April 2020 während des ersten Corona-Lockdowns 5.020 Kurzarbeitsanzeigen mit 83.770 betroffenen Beschäftigten in der Region Neckar-Alb, waren es im Februar 2024 noch 110 Anzeigen mit 1.650 betroffenen Beschäftigten.
Höhere Export-Umsätze
In der Diskussion um eine mögliche Deindustrialisierung wird regelmäßig auf eine Abwanderung von Unternehmen ins Ausland und verstärkte Investitionen in anderen Ländern verwiesen. Es gibt auch in der Region Betriebe, die dies ankündigen, weil der Standort zu bürokratisch und zu teuer ist oder nicht schnell genug modernisiert wird. Die aktuellen Außenwirtschaftsdaten bilden diese Ankündigungen bisher aber noch nicht ab: 55 Prozent der Industrieumsätze werden im Ausland getätigt. Die Tendenz der letzten Jahre ist ansteigend.
Investitionen im Ausland
Die Zahl der Niederlassungen und Produktionsstätten heimischer Industriebetriebe im Ausland ist über die Jahre kontinuierlich angestiegen. Sie liegt derzeit bei knapp 6.700 Auslandsverbindungen. 350 davon sind Produktionsstätten, 1.083 Niederlassungen und 5.359 Vertretungen. Dazu kommt: Viele Märkte sind vor allem für Investitionsgüter wie Maschinen und Anlagen begrenzt. Für weiteres Unternehmenswachstum ist es daher nötig, im Ausland weiterzuwachsen.
Die Bewertung
„Die Grunddaten der Branche sind nach wie vor in Ordnung“, sagt IHK-Hauptgeschäftsführer Dr. Wolfgang Epp. Allerdings: „Die Betriebe stehen im internationalen Wettbewerb und die Aussichten sind unklar, auch weil die Bundespolitik noch immer keine echten Wachstumsimpulse gibt.“ Was daher wichtig ist: In der Region muss in Verkehr und Breitband investiert werden. „Die Standortfaktoren müssen einfach passen und es gilt, die Kostenbelastung zu begrenzen“, so Wolfgang Epp. /
(Dieser Artikel und diese Statements erschienen in der WNA-Ausgabe 8+9/2024.)
Hintergrund
Deindustrialisierung bezeichnet Prozesse sozialen oder wirtschaftlichen Wandels, die durch eine Schrumpfung der industriellen Sektoren verursacht werden. Sie äußert sich durch den Verlust von Beschäftigten sowie den Rückgang der wirtschaftlichen Wertschöpfung.
Mehr Zahlen zur Wirtschaft in der Region gibt es in der neuen Auflage von „Neckar-Alb in Zahlen“.