Ehrenamt und Arbeitsrecht

IHK Reutlingen, Tübingen und ZollernalbFoto: Kzenon/shutterstock.com

Ob bei der Feuerwehr, in Vereinen oder in der Politik: Unsere Gesellschaft wäre ohne den Einsatz zahlreicher ehrenamtlich tätiger Menschen undenkbar. Was müssen ehrenamtlich Tätige und ihre Arbeitgeber im Zusammenhang mit der Ausübung eines Ehrenamtes beachten? Arbeitsrechtsexperte Achim Wurster von der Kanzlei Dr. Kroll & Partner Rechtsanwälte mbB in Balingen gibt im Interview Antworten auf die wichtigsten Fragen.

IHK: Muss der Arbeitnehmer sein ehrenamtliches Engagement dem Arbeitgeber melden?
Achim Wurster: Eine generelle Pflicht, ehrenamtliches Engagement dem Arbeitgeber zu melden, wird man nicht annehmen können. Allenfalls denkbar ist dies in Bereichen, wo ein bestimmtes Ehrenamt elementaren Interessen oder Eigenschaften des Arbeitgebers zuwiderläuft, wie zum Beispiel bei kirchlichen Arbeitgebern oder auch in sogenannten Tendenzbetrieben, die unmittelbar und überwiegend politischen, koalitionspolitischen, konfessionellen, karitativen, erzieherischen, wissenschaftlichen oder künstlerischen Bestimmungen dienen. Eine Mitteilungspflicht wird man auch dann annehmen können, wenn das Engagement vom Umfang her dazu führt, dass die Arbeitsleistung darunter leidet, auch wenn die ehrenamtliche Tätigkeit keine Arbeitszeit im Sinne des Arbeitszeitgesetzes ist.

Welche gesetzlichen Ansprüche haben Arbeitnehmer im Zusammenhang mit der Ausübung eines Ehrenamts?
Achim Wurster: Grundsätzlich haben Arbeitnehmer einen Anspruch auf Freistellung für ehrenamtliche Tätigkeiten, wenn diese im öffentlichen Interesse liegen. Das sind öffentliche Ehrenämter, wie zum Beispiel eine Tätigkeit bei der Feuerwehr oder dem Technischen Hilfswerk, aber auch politische Betätigungen in Gemeinden, etwa im Gemeinderat. In aller Regel kann weder die Ausübung eines öffentlichen noch eines privaten Ehrenamtes eine Kündigung sozial rechtfertigen. Öffentliche Ehrenämter unterliegen oft schon gesetzlichen ausdrücklichen Kündigungsverboten oder genießen besonderen Kündigungsschutz. Darüber hinaus würde eine Kündigung wegen der öffentlichen oder der privaten ehrenamtlichen Tätigkeit gegen das Maßregelungsverbot aus § 612a BGB verstoßen. Für zahlreiche ehrenamtliche Tätigkeiten bestehen darüber hinaus gesetzlich geregelte Benachteiligungsverbote. Ein Grund zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses kann allenfalls dann bestehen, wenn die Ausübung eines Ehrenamtes die persönliche Eignung des Arbeitnehmers zur Vertragserfüllung grundsätzlich infrage stellt oder auf das Verhalten im Arbeitsverhältnis Einfluss nimmt. Zahlreiche Einzelgesetze, wie zum Beispiel das Feuerwehrgesetz, geben den Arbeitnehmern einen gesetzlichen Anspruch auf Freistellung. Der Anspruch auf Freistellung führt in diesen Fällen auch dazu, dass Arbeitnehmer weiterhin ihre Vergütung erhalten. Der Arbeitgeber hat in der Regel gegenüber der Behörden oder dem Staat einen Anspruch auf Erstattung der geleisteten Entgeltfortzahlung.

Wann hat man einen Anspruch auf Freistellung von der Arbeit und wann nicht?
Achim Wurster: Einen Anspruch auf Freistellung haben Arbeitnehmer, die ein öffentliches Ehrenamt (Feuerwehr etc.) ausüben. Bereits die Landesverfassung von Baden-Württemberg sieht vor, dass der Staat, die Gemeinden und die Gemeindeverbände den ehrenamtlichen Einsatz für das Gemeinwohl, das kulturelle Leben und den Sport fördern. Anders ist es bei privaten Ehrenämtern, wie zum Beispiel der Tätigkeit in einem Sportverein oder in einen Kulturverein. Dort besteht in aller Regel kein arbeitsrechtlich durchsetzbarer Anspruch auf Freistellung, sondern man muss mit dem Arbeitgeber konkret vereinbaren, ob gegebenenfalls eine Freistellung möglich ist. Wer dennoch eigenmächtig während der Arbeitszeit einem privaten Ehrenamt nachgeht (und seien es nur organisatorische Tätigkeiten), verletzt seine arbeitsvertraglichen Pflichten und riskiert eine Abmahnung und im Wiederholungsfall gegebenenfalls sogar eine Kündigung.

Bekommt der Arbeitnehmer während der Nebentätigkeit weiter sein Gehalt?
Achim Wurster: Auch hier wird wieder zwischen öffentlichen und privaten Ehrenämtern entschieden. Bei öffentlichen Ehrenämtern haben Arbeitnehmer einen Anspruch auf Entgeltfortzahlung. Soweit eine Freistellung bei privaten Ehrenämtern vom Arbeitgeber genehmigt wird, besteht in aller Regel kein Anspruch auf Entgeltfortzahlung. Dies wäre ebenfalls eine Frage der Verhandlung.

Muss die Zeit der Nebentätigkeit später nachgearbeitet werden?
Achim Wurster: Soweit ein Anspruch auf Freistellung besteht, muss der Arbeitnehmer die ausgefallene Zeit nicht nacharbeiten. Eine Ausnahme kann dann bestehen, wenn durch flexible Arbeitszeitmodelle die Möglichkeit gegeben ist, die Arbeitszeit so zu legen, dass der Arbeitsausfall vermieden werden kann. Im öffentlichen Dienst ist dies zum Beispiel für den Arbeitnehmer nach der Rechtsprechung des BAG zumutbar.

Muss ich meinem Arbeitgeber die Einsätze vorher ankündigen?
Achim Wurster: Eine Pflicht zur Ankündigung von Einsätzen im Ehrenamt besteht bei planbaren Einsätzen auf jeden Fall. Der Arbeitnehmer ist verpflichtet, seinem Arbeitgeber so früh wie möglich Klarheit darüber zu verschaffen, dass seine Arbeitskraft ausfallen wird. Bei Notfällen ist dies natürlich schwer möglich. Hier wird es ausreichen, seinen Vorgesetzten oder auch nur die Kollegen über den unmittelbar bevorstehenden Einsatz zu informieren.

Was gilt, wenn ich im Urlaub ehrenamtlich tätig bin?
Achim Wurster: Eine ehrenamtliche Tätigkeit im Urlaub ist grundsätzlich möglich, solange diese den Erholungszweck des Urlaubs nicht beeinträchtigt oder gefährdet. Hier stellen sich immer wieder schwierige rechtliche Abgrenzungsfragen, die allerdings in jedem Einzelfall gesondert geprüft werden müssen. Soweit während des Urlaubs eine Heranziehung eines öffentlichen Ehrenamtes (zum Beispiel Feuerwehreinsatz) erfolgt, sind eventuell hierfür ausgefallene Urlaubstage dem Urlaubskonto wieder gutzuschreiben.

Dr. Jens Jasper

Dr. Jens Jasper

Recht und Steuern,
IHK-Zentrale
Position: Bereichsleiter
Schwerpunkte: Wirtschaftsrecht, Arbeitsrecht, außergerichtliche Streitbeilegung, Sachverständigenwesen, Steuern, IHK-Gremium Kreis Tübingen: Geschäftsführung, Koordination Hoheitliche Aufgaben
Telefon: 07121 201-233
E-Mail schreiben
vCard herunterladen
Zur Detailseite