Aus Versandhandel wird EU-Fernverkauf

Für Verkäufe über das Internet an Nicht-Unternehmer (B2C-Geschäft) in der EU gilt bislang die sogenannte Versandhandelsregelung. Das heißt, dass bei grenzüberschreitenden Versendungen der Händler solange deutsche Mehrwertsteuer in Rechnung stellen kann, wie die sogenannte Lieferschwelle nicht überschritten wird. In etlichen EU-Ländern beträgt diese Schwelle 35.000 Euro. Wird diese Lieferschwelle überschritten, muss der Händler die Mehrwertsteuer des Landes, in das die Ware geliefert wird, berechnen. Das bedeutet, er muss sich in diesem Land umsatzsteuerlich registrieren und dort Umsatzsteuererklärungen abgeben.

Zum 1. Juli ändert sich diese Regelung grundlegend. Ab diesem Datum wird der Versandhandel dann zum sogenannten Fernverkauf. EU-weit gilt dann ein harmonisierter Schwellenwert von 10.000 Euro. Dieser gilt jedoch nicht mehr pro Land sondern für die Summe aller EU-Umsätze grenzüberschreitender Lieferungen an Nichtunternehmer mit Sitz in der EU. Bis zu dieser Schwelle kann der Händler noch deutsche Umsatzsteuer in Rechnung stellen. Wird diese überschritten, muss die ausländische Mehrwertsteuer berechnet und entsprechend müssen im EU-Ausland dann Umsatzsteuererklärungen abgegeben werden.

Um für die Händler die Abgabe der ausländischen Steuererklärungen sowie die Zahlung der ausländischen Mehrwertsteuer zu erleichtern, bietet die EU ein zentrales Portal, den “One-Stop-Shop” (OSS). Dieses umfasst ein besonderes Besteuerungsverfahren, das es dem Versandhändler ermöglicht, im EU-Ausland geschuldete Umsatzsteuer zentral abzuführen. Die Meldepflichten erfüllt er über den OSS. Dieser steht über die Homepage des Bundeszentralamts für Steuern zur Verfügung. Damit entfällt auch die Pflicht, sich jeweils in den einzelnen EU-Staaten umsatzsteuerlich zu registrieren.

One-Stop-Shop (OSS)

Es stellt sich nun die Frage, wer den neuen One-Stop-Shop (OSS) nutzen kann. Dies sind zum einen in Deutschland ansässige Unternehmer, die

  • Dienstleistungen an Privatpersonen in Mitgliedstaaten der Europäischen Union erbringen, in denen sie nicht ansässig sind ode
  • innergemeinschaftliche Fernverkäufe von Gegenständen tätigen oder
  • eine elektronische Schnittstelle zur Verfügung stellen, durch deren Nutzung sie die Lieferung von Gegenständen innerhalb eines Mitgliedstaats durch einen nicht in der Gemeinschaft ansässigen Steuerpflichtigen unterstützen und deshalb behandelt werden als ob sie die Gegenstände selbst geliefert hätten.

Zum anderen sind dies Unternehmer, die nicht in der Europäischen Union ansässig sind und

  • im Inland über eine Einrichtung wie z. B. ein Warenlager verfügen und
  • daraus Waren an Privatpersonen in anderen EU-Mitgliedstaaten liefern.

Die neue Regelung trat formal bereits zum 1. April 2021 in Kraft. Seit diesem Datum können sich Händler schon für die Anwendung im OSS registrieren lassen.

BMF-Schreiben vom 1. April 2021

Das Bundesministerium der Finanzen (BMF) hat die Änderungen im Rahmen der Umsetzung der zweiten Stufe des Mehrwertsteuer-Digitalpakets in einem BMF-Schreiben vom 1. April 2021 aufgegriffen und nimmt umfangreiche Änderungen im Umsatzsteuer-Anwendungserlass (UStAE) vor. U.a. enthält das BMF-Schreiben folgende Hinweise:

  • Die bisherigen nationalen Lieferschwellen werden bei Versandhandelslieferungen durch eine EU-weite Umsatzschwelle von 10.000 Euro ersetzt. In Abschnitt 3a.9a Abs. 1 Nr. 1 Satz 2ff UStAE (Seite 13 des Schreibens) wird erläutert, wie diese Schwelle für den Übergang auf das neue System zum 1. Juli 2021 zu ermitteln ist. Dabei wird klargestellt, dass eine zeitanteilige Aufteilung der Umsatzschwelle von 10.000 Euro im Kalenderjahr 2021 nicht vorzunehmen ist.
  • Fernverkäufe setzen voraus, dass der Gegenstand durch den Lieferer oder für dessen Rechnung befördert oder versendet wird (Transportveranlassung). Dabei ist eine indirekte Beteiligung des Lieferers ausreichend. Das BMF-Schreiben verweist zur Erläuterung dazu auf Art. 5a MwStVO und enthält einige einfache Beispiele.
  • Damit sich die Unternehmen möglichst nicht im EU-Ausland registrieren müssen, werden ihnen insbesondere für die vorgenannten Sachverhalte sowie für grenzüberschreitende Dienstleistungen an Nichtunternehmer die Besteuerungsverfahren One-Stop-Shop (OSS) sowie auch Import-One-Stop-Shop (IOSS) zur Verfügung gestellt. Das Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) hat hierzu am 1. April 2021 die Anzeige zur Nutzung der neuen Besteuerungsverfahren in seinem Online-Portal freigeschaltet.
  • Grundsätzlich muss die Teilnahme am besonderen Besteuerungsverfahren der zuständigen Finanzbehörde (in Deutschland: dem BZSt) vor Beginn des Besteuerungszeitraums angezeigt werden, ab dem das Verfahren genutzt werden soll (§ 16 Abs. 1c Satz 1 bzw. § 16 Abs. 1d Satz 1 UStG). Im BMF-Schreiben wird auf eine begrenzt rückwirkende Anwendung hingewiesen: Sofern der Unternehmer erstmals entsprechende Leistungen erbringt, gilt das besondere Besteuerungsverfahren ab dem Tag der ersten Leistungserbringung, wenn die Teilnahme-Anzeige gegenüber der zuständigen Finanzbehörde bis zum 10. Tag des auf die erste Leistungserbringung folgenden Monats erfolgt. Diese Erleichterung gilt nicht für die Anwendung des IOSS.
  • Das Veranlagungsverfahren (mit Registrierung vor Ort) und OSS/IOSS schließen sich grundsätzlich nicht aus. Allerdings müssen alle innerhalb der EU steuerpflichtigen Fernverkäufe / Dienstleistungen einheitlich im OSS/IOSS gemeldet werden.
  • Fernverkäufe aus einem anderen EU-Staat in den eigenen Ansässigkeitsstaat des Lieferers bei Nutzung des OSS sind ebenfalls über den OSS zu melden.
  • Quelle: DIHK/IHK Südlicher Oberrhein

Katrin Glaser

Katrin Glaser

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