„Zukunft Innenstadt“

IHK Reutlingen, Tübingen und ZollernalbFoto: EKH-Pictures - stock.adobe.com

Innenstädte sind die historisch gewachsenen Zentren des gesellschaftlichen Lebens. Sie sind Wirtschafts- und Versorgungsraum für die Bevölkerung. Gleichzeitig sind sie anziehende und identitätsstiftende Orte, wo sich Menschen begegnen, erholen und Feste gefeiert werden. Es sind Räume, in denen Lebensqualität entsteht und gelebt wird. Damit eine Innenstadt dieser Funktion gerecht wird, braucht es im besten Fall einen lebendigen Mix aus Einzelhandel, Gastronomie, Hotellerie, Dienstleistung, Kunst und Kultur sowie Freizeiteinrichtungen. Der Handelsausschuss und der Tourismusausschuss der IHK haben gemeinsam Leitlinien für die Zukunft der Innenstadt erarbeitet und beschlossen.

Bereits vor der Corona-Pandemie befand sich dieser so wichtige Nutzungsmix in den Innenstädten durch die Digitalisierung sowie ein verändertes Kundenverhalten im fortlaufenden Umbruch. Die Herausforderungen der Verkehrswende und die Klimaschutzdebatte setzen den Standort Innenstadt zusätzlich unter enormen Handlungsdruck. Durch die Pandemie wurden diese laufenden Prozesse wie durch ein Brennglas verstärkt und werden auch in Zukunft nicht an Bedeutung verlieren. Zusätzlich waren die wirtschaftlichen Einbußen als Folge der Schließungen in kaum einer anderen Branche höher und haben mehr Existenzen bedroht – jetzt besteht akuter Handlungsbedarf, um das Ökosystem Innenstadt zukunftsfest zu machen.

Wie in einem großangelegten Experiment haben die verschiedenen Lockdownphasen die besondere Verbindung und gegenseitige Abhängigkeit der verschiedenen Innenstadtbetriebe verdeutlicht. Jeder Akteur braucht die Anziehungskraft des anderen und die zusätzliche touristische Nachfrage, um erfolgreich wirtschaften zu können. Dieses Zusammenspiel der Branchen wird in Zukunft eine noch wichtigere Rolle spielen müssen. Oftmals fehlt es jedoch an integrierten Gesamtkonzepten, die eine ganzheitliche Strategie in den Fokus stellt.

Für die innerstädtische Entwicklung ist es daher grundlegende Voraussetzung, dass die unterschiedlichen Branchen und Nutzungen integriert betrachtet und gemeinsam Lösungen gefunden werden. Das setzt die frühzeitige Einbindung der beteiligten Akteure und die interdisziplinäre Zusammenarbeit unter einer klaren Zielvorgabe in der Verwaltung zwingend voraus. Die Zukunft der Innenstadt muss in jeder Kommune jetzt zur Chefsache werden. Innovative Ideen und Projekte von Betrieben müssen als Chance für die gesamte Innenstadtentwicklung gesehen sowie unbürokratisch und schnell unterstützt werden.

Politik und Verwaltung sind daher mehr denn je gefordert, die Rahmenbedingungen so zu setzen, dass die Betriebe in den Innenstädten auch in Zukunft Entwicklungschancen haben. Von einer attraktiven und lebendigen Innenstadt profitiert schlussendlich die gesamte Wirtschaft durch eine Stärkung der harten und weichen Standortfaktoren.

In den folgenden fünf Handlungsfeldern besteht jetzt akuter Handlungsbedarf:

Politischer Rahmen

Die Haushaltslage ist in vielen Städten und Gemeinden sehr angespannt. Dennoch sollte in den Standortfaktor Innenstadt und damit in die öffentliche und touristische Infrastruktur vor Ort investiert werden. Zusätzlich muss die Städtebauförderung auf Landes- und Bundesebene weiter ausgebaut und für nicht investive Maßnahmen geöffnet werden.

Zudem müssen vor Ort neue Wege in der partnerschaftlichen Zusammenarbeit von öffentlicher Hand und Unternehmen, bspw. durch Business Improvement Districts, gegangen werden. Die IHK steht hier als Unterstützer für regionale Pilotprojekte zur Verfügung.

Bei notwendigen Baumaßnahmen ist zwingend darauf zu achten, dass die Maßnahmen frühzeitig an die Innenstadtbetriebe kommuniziert und während einer Bauphase begleitet werden. Nur so kann gewährleistet werden, dass durch eine Baumaßnahme die Betriebe nicht übermäßig belastet werden.

Ein wirtschaftsfreundliches City- und Flächenmanagement in der koordinierten Zusammenarbeit von Wirtschaftsförderung, Stadtplanung und Stadtmarketing wird auch für Klein- und Mittelzentren zur Pflicht. Die regionalen Innenstadtberater im Rahmen des Dialogprojekts Handel 2030 sind hier für Städte zwischen 10.000 und 50.000 Einwohner eine sinnvolle Unterstützung, die die Zusammenarbeit vor Ort stärkt und ausbaut.

Dies gilt ebenso für das erweiterte Oberzentrum der Region Neckar-Alb. Die großen Städte der Region müssen eine Innenstadtstrategie verfolgen, die dem Anspruch als starker Wirtschaftsstandort gerecht wird.

Rechtlicher Rahmen

Verkaufsoffene Sonntage sind ein bewährtes Marketinginstrument und fördern das Zusammenspiel von Handel, Gastronomie und Hotellerie. Eingebettet in eine Gesamtstrategie leisten sie einen sehr wertvollen Beitrag zur Aufrechterhaltung und Vitalisierung von Innenstädten. Insbesondere der Verzicht auf den Anlassbezug bei verkaufsoffenen Sonntagen im Jahr 2021, um eine Entzerrung der Besucherströme zu gewährleisten, ist eine wichtige Maßnahme für den Neustart der Innenstädte. Zudem sollten die Möglichkeiten für eine Sonntagsöffnung in touristischen Orten ausgeweitet werden. Hierzu sind klare und einheitliche Vorgaben auf Landesebene erforderlich, damit mehr Möglichkeiten für gemeinsame Aktionen geschaffen werden und die Planungssicherheit der Unternehmen vor Ort in den Städten und Gemeinden erhöht wird.

Ein wichtiger Faktor für die Innenstädte in den Monaten der Pandemie war die Außengastronomie. An vielen Standorten wurden schnelle, unbürokratische und neue Möglichkeiten zur Sondernutzung auf öffentlichem Straßenland geschaffen sowie kommunale Gebühren teilweise erlassen. Diese Maßnahmen müssen fortgesetzt und neue Flächen- und Nutzungskonzepte im öffentlichen Raum entwickelt werden.

Neben der Gastronomie, gilt es auch für den Handel die Möglichkeiten für Verkauf und Präsentation auf öffentlichem Straßenland auszubauen. Mobile Verkaufsstände im Freien haben sich in der Corona-Pandemie als gute Ergänzung für den stationären Handel bewährt.

Ebenso müssen die planungsrechtlichen Voraussetzungen geschaffen werden, um Nutzungsänderungen von innerstädtischen Immobilien sowie neue, kreative Nutzungen und Wohnraum in den Innenstädten unbürokratisch zu ermöglichen. Hierzu benötigt es sowohl immobilienwirtschaftliche Investitionen in den Bestand, als auch den politischen Gestaltungswillen für eine investitionsfreundlichere Landesbauordnung. Eine interdisziplinäre Task-Force auf Landesebene kann hier einen wichtigen Beitrag zur Zukunft der Innenstädte leisten.

Mobilität

Wenn die Innenstadt als zentraler Wirtschafts- und Gesellschaftsstandort, also als ein Ort zum Wohnen, Arbeiten und Erleben entwickelt bzw. gesichert werden soll, ist die ungehinderte Erreichbarkeit für Güter- und Personenverkehr gleichermaßen nötig. Sowohl die Bedürfnisse von privaten Mobilitätsformen, als auch die des Wirtschafts- und Lieferverkehrs müssen in der Innenstadtentwicklung von morgen berücksichtigt werden.

Neue Mobilitätskonzepte und der Ausbau des ÖPNV sind dabei wichtige Bausteine und müssen gemeinsam im Dialog mit den Gewerbetreibenden entwickelt werden. Ein kostenfreier ÖPNV an Samstagen kann dabei eine gute Maßnahme zur Förderung des Geschäftslebens in den Innenstädten sein.

Aber auch in Zukunft sind zentrumsnahe Parkmöglichkeiten ein wichtiger Faktor für die Innenstadtbetriebe, damit sie von Kunden und Besuchern erreicht werden können. Ein Rückbau von Parkflächen sollte daher mit der Entwicklung von neuen, intelligenten Mobilitätskonzepten verbunden sein - auch für den motorisierten Individualverkehr.

Digitalisierung

Die Corona-Pandemie hat verdeutlicht, welche Chancen im Internet für die Kundenansprache, die Kundenbindung und die Erzielung von weiteren Umsätzen liegen. Die Verbindung von off- und online wird dabei nicht nur für die Geschäftsmodelle der Innenstadtbetriebe immer wichtiger. Auch der gesamte Standort Innenstadt muss nicht nur physisch gut erreichbar, sondern auch digital sicht-, auffind-, und buchbar sein.

Eine nutzerfreundliche Stadtplattform mit Informationen über die ortsansässigen Betriebe sowie einer Schnittstelle zum Veranstaltungskalender der jeweiligen Stadt, kann für Bewohner und Besucher einen erheblichen Mehrwert bieten. Gleiches gilt für digitale Systeme zur Besucherlenkung.

Eine wichtige Maßnahme zur Unterstützung solcher Digitalisierungsvorhaben ist die Öffnung der Digitalisierungsprämie Plus auch für Standortgemeinschaften oder Handels- und Gewerbevereine.

Marketing und Kooperation

Eine Weiterentwicklung der Innenstadt gelingt nur durch die kooperative Zusammenarbeit von Politik, Verwaltung, Standortgemeinschaften, Tourismusorganisationen, Unternehmen, Kulturschaffenden sowie der lokalen Eigentümer- und Immobilienwirtschaft. All diese Akteure gilt es jetzt gemeinsam an Runde Tische zu bringen, um neue Ideen für die Innenstadt von morgen zu entwickeln und die Umsetzung realistischer Maßnahmen gemeinsam zu steuern.

Die lokalen Handels- und Gewerbevereine werden oftmals von ehrenamtlichen Engagement getragen. Hier gilt es passgenaue Unterstützung anzubieten und die Strukturen nachhaltig zu professionalisieren. Auch sollte umfangreicher mit den touristischen Marketingorganisationen zusammengearbeitet werden, um von deren Vermarktung stärker zu profitieren. Dabei gilt es, Doppelstrukturen zu vermeiden und eine klare Arbeits- und Aufgabenteilung durchzuführen. Das Landestourismuskonzept bietet hier die richtigen Umsetzungsempfehlungen.

Bestehende interkommunale Kooperationen müssen weiter ausgebaut werden. Dabei sollte der Blick verstärkt auf überregionale Events, Veranstaltungen und gemeinsame Tourismusinfrastrukturprojekte gelegt werden, die eine überregionale Sichtbarkeit erzeugen und Reiseentscheidungen auslösen.

Das Papier wurde im Juli 2021 vom Handels- und Tourismusausschuss beschlossen.

Matthias Miklautz

Matthias Miklautz

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IHK-Zentrale
Position: Leiter IHK-Geschäftsstelle Zollernalbkreis
Schwerpunkte: Regionalmanagement Zollernalbkreis, IHK-Gremium Zollernalbkreis: Geschäftsführung, Branchenbetreuung Tourismus, Unterrichtung für Aufsteller von Spielgeräten mit Gewinnmöglichkeiten
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Vincent Schoch

Vincent Schoch

Existenzgründung und Unternehmensförderung
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Position: Leiter Handel und Einpersonen- und Kleinunternehmen
Schwerpunkte: Handel, Initiative Einpersonen- und Kleinunternehmen, Fördermittel und Finanzierung
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