Stärken-Schwächen-Analyse für die Region Neckar-Alb

IHK Reutlingen, Tübingen und ZollernalbFoto: juanjo tugores - Fotolia.com

Gute Nachrichten verzeichnet die IHK-Studie beim Themenfeld Innovationen. Seit Mitte der 1990er Jahre sind die Ausgaben für Forschung und Entwicklung in der Region um 465 Prozent gestiegen. Neckar-Alb liegt damit im Landesvergleich auf Rang 3. Jüngste Investitionen, wie von Cellforce, Bosch oder rund um das Cyber-Valley, die in dieser Statistik noch nicht berücksichtigt sind, werden diesen Wert noch einmal deutlich nach oben schieben. Zusammen mit einem hohen Anteil von Studierenden an der Gesamtbevölkerung sind aus Sicht der IHK sehr gute Grundlagen für den Innovationstandort gelegt. Beim Innovationsindex belegt die Region derzeit Rang sieben. Die neuen Cluster IT & KI sowie Biotechnologie werden in den kommenden Jahren helfen, die Position der Region weiter zu verbessern.

Globale Zusammenarbeit ausbauen
Bei der Internationalisierung hat die Region in den letzten Jahren deutlich zugelegt. Das zeigt vor allem die regionale Exportquote. Sie liegt aktuell bei 55,7 Prozent und damit im Vergleich zu 2002 um 14 Prozentpunkte höher. Ende 2021 wurden 10,8 Milliarden Euro an Waren und Dienstleistungen aus dem produzierenden Gewerbe ins Ausland geliefert. Das ist landesweit Platz vier. Zum Vergleich: Noch 2002 lag das Volumen bei 4,3 Milliarden Euro, also bei 40 Prozent des heutigen Auslandsumsatzes. Dabei hat Neckar-Alb bei der Internationalisierung noch etwas Luft nach oben. Beim Auslandsumsatz pro Kopf sind die 15.271 Euro der Region im landesweiten Vergleich noch unter dem Durchschnitt von 17.563 Euro.

Herausforderung Arbeitsmarkt
Sorgen bereitet der IHK insgesamt das Feld Demografie und Arbeitsmarkt. Erfreulich ist die über viele Jahre niedrige Arbeitslosenquote von 3,7 Prozent (2021). Es herrscht damit faktisch Vollbeschäftigung. Tatsächlich zeigt die weitere Analyse jedoch, dass das in der Region vorhandene Arbeitskräfteangebot noch nicht gänzlich ausgeschöpft wird.

In Neckar-Alb sind 383 von 1.000 Einwohnerinnen und Einwohnern tatsächlich sozialversicherungspflichtig beschäftigt. Der Schnitt liegt in Baden-Württemberg bei 426. „Angesichts des enormen Fachkräftemangels ist der Arbeitsmarkt ein Feld, auf dem wir weiter aktiv werden müssen“, mahnt Epp.

Die IHK forciert seit geraumer Zeit die Themen Aus- und Weiterbildung und engagiert sich bei der Integration von Geflüchteten sowie der Gewinnung von Fachkräften aus dem Ausland. Weiter muss es gelingen, mehr Studierende nach ihrem Abschluss in der Region zu halten, derzeit bleiben nur 22 Prozent der Absolventinnen und Absolventen, und die Vereinbarkeit von Beruf und Familie auszubauen. Aktuell haben 30 Prozent der unter 3-Jährigen einen Kitaplatz.

Etwas unterdurchschnittlich entwickelt sich derzeit die Bevölkerungsentwicklung. Seit 2010 wächst die Region zwar um 2,2 Prozent. Im Landesvergleich (3,1 Prozent) ist das aber unter dem Durchschnitt. Die IHK plädiert für eine weiter vereinfachte Zuwanderung und dafür, Menschen, die schon hier und qualifiziert sind, zu halten – etwa Geflüchtete oder auch Studierende aus anderen Staaten. Allein letztere machen 13 Prozent aller Studierenden in der Region aus.

Flächen fehlen
Defizite macht die IHK weiter bei den Standortfaktoren aus. Bei der Breitbandversorgung kommt die Region kaum flächendeckend auf 50 Mbit/s – wobei dieser Wert schon längst für zahlreiche Anwendungen nicht mehr ausreicht. Beim Mobilfunk ist mit 5G DSS (Dynamic Spectrum Sharing) immerhin größtenteils die Vorstufe zu 5G erreicht. Es gibt jedoch noch viele 4G- und 2G-Flecken.

Auch für neue Betriebe oder solche, die wachsen wollen, fehlt es laut Umfragen regelmäßig an den nötigen Flächen. Dabei liegt die Region mit einem Flächenanteil für Gewerbe von 1,9 Prozent im Landesvergleich auf einen Mittelfeldplatz. Ähnliches gilt für den Standortfaktor Wohnen.

Hintergrund
Die Stärken-Schwächen-Untersuchung analysiert die Region anhand von mehr als 20 Faktoren und das im Vergleich zum Land und den anderen Regionen in Baden-Württemberg. Sie knüpft damit an die zuletzt 2016 durchgeführte Prognos-Studie für die Region an. Die Stärken-Schwächen-Analyse ist bei der IHK auf Anfrage zu erhalten.

Zusammenfassung

Das Prognos-Gutachten gibt Handlungsempfehlungen in den Feldern "Infrastruktur und Erreichbarkeit", "Fachkräftesicherung und -gewinnung", "Innovation und Wettbewerbsfähigkeit" und "Kooperation und Standortmarketing". Die sechs wichtigsten Handlungsempfehlungen lauten:

1. Verkehrs- und IT-Infrastruktur ausbauen

  • Abbau von Defiziten der Verkehrsinfrastruktur/ Erreichbarkeit (u.a. Anbindung Autobahn, Fernverkehr DB) sowie flächendeckender Breitbandausbau
  • Bisherige IHK-Angebote/Dienstleistungen: Engagement für die Infrastruktur seit Jahrzehnten, Aktion B27, Verkehrsdelegationen auf Bundesebene sowie auf europäischer Ebene
  • Nächste Schritte: Intensivierung der Interessenvertretung gegenüber Land BW und Bund in Zusammenarbeit von Politik und Wirtschaft in der Region; Akquisition von Fördermitteln für den Breitbandausbau, Digitalisierungsoffensive

2. Zuwanderer/Migranten integrieren

  • Einbindung von Migranten in den Arbeitsmarkt erleichtern und Handlungsspielräume nutzen
  • Bisherige IHK-Angebote/Dienstleistungen: Welcome-Center, Kinder-Jugend-Wissen, Welcome-Broschüre, Task-Force Flüchtlinge, neue Integrationsbeauftragte innerhalb der dualen Ausbildung: Vermittlung von Flüchtlingen in Ausbildung, Werben für die duale Berufsausbildung
  • Nächste Schritte: Stärkere Vernetzung mit den unterschiedlichen Akteuren bspw. Fachkräfteallianz Neckar-Alb (u.a. Informieren, Qualifizierungsmaßnahmen), Stärkung des Ausbildungsmarketings (Karriere mit Lehre)

3. Anwendungsorientierte Forschungskapazitäten gezielt weiterentwickeln

  • Ausbau der FuE-Infrastruktur in Themenbereichen mit spezifischem Anwendungsbezug zur regionalen Wirtschaft
  • Bisherige IHK-Angebote/Dienstleistungen: IHK-Institut für Wissensmanagement und Wissenstransfer, Technologietransfer, Netzwerke, Kooperationsverträge mit allen Hochschulen in der Region
  • Nächste Schritte: Stärkung und Weiterentwicklung angewandter Forschungsinstitute in regionalen Leitbranchen (u.a. BioMedTech, Nanoanalytik); Potenzialanalyse und Vorsondierung für weiteren Ausbau bei Land BW sowie Trägergesellschaften (u.a. Fraunhofer-Gesellschaft)

4. Voraussetzungen für Unternehmensgründungen verbessern

  • Angebote zur Unterstützung von (technologie- und wissensorientierten) Gründungen ausbauen; u.a. Gründerpotenzial an Hochschulen (Spin-Offs) sowie bei Auspendlern
  • Bisherige IHK-Angebote/Dienstleistungen: Campus Startup, Gründerkompass, sukzessive Zusammenarbeit Beispiel: Gründermesse
  • Nächste Schritte: Sondierung Bedarfe und möglicher Lücken hinsichtlich Gründungs-angeboten und Infrastruktur gemeinsam mit Partnern/Hochschulen

5. Tourismus in der Region weiterentwickeln

  • Ausschöpfung der Potenziale in der Region und Modernisierung bestehender Angebote
  • Bisherige IHK-Angebote/Dienstleistungen: Tourismus-Kongress, Weg vom Kirchturmdenken zum Dachmarken-Denken
  • Nächste Schritte: Aufstellen einer regionalen Tourismuskonzeption unter Einbindung aller relevanten Akteure der Region und Überlegungen hinsichtl. strategischer Maßnahmen (u.a. Zielgruppen, Themen, Destinationen, Vermarktung)

6. Region mit starkem Profil überregional positionieren

  • Gemeinsame Vermarktung der Region unter Berücksichtigung der Besonderheiten
  • Bisherige IHK-Angebote/Dienstleistungen: Standortagentur, Neckar-Alb als Europäische Metropolregion Neckar-Alb
  • Nächste Schritte: Überlegungen hinsichtlich der zukünftigen Ausrichtung sowie der Aktivitäten der Standortagentur; ggf. Einleitung eines Markenbildungsprozesses (Anknüpfungspunkte: u.a. Fachkräftegewinnung, Tourismus)
Antonia Hettinger

Antonia Hettinger

Hauptgeschäftsführung
IHK-Zentrale
Position: Leiterin Volkswirtschaft & regionale Wirtschaftspolitik
Schwerpunkte: Volkswirtschaft und regionale Wirtschaftspolitik, Gesundheitswirtschaft, IHK-Netzwerk Bau- und Immobilienwirtschaft, IHK-Netzwerk Projektmanagement
Telefon: 07121 201-256
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