DIHK-Umfrage

Unternehmen passen Lieferketten an

Die wirtschaftlichen Auswirkungen der Corona-Pandemie und des russischen Kriegs gegen die Ukraine haben dazu geführt, dass deutsche Betriebe sowohl ihre Lieferketten als auch ihre internationalen Standorte kritisch überprüfen. Das zeigt eine Sonderauswertung des AHK World Business Outlook.

Unternehmen passen Lieferketten anFoto: sh99 - stock.adobe.com

Die Rückmeldungen von mehr als 3.100 im Rahmen der Umfrage befragten Unternehmen belegen, dass sich die Betriebe mit sehr konkreten Maßnahmen auf die geopolitischen Herausforderungen einstellen.

Jedes dritte Unternehmen (35 Prozent) hat bereits neue oder zusätzliche Lieferanten für benötigte Rohstoffe, Vorprodukte oder Waren gefunden. Weitere 30 Prozent sind noch auf der Suche. Die Unternehmen erweitern ihr Lieferantennetzwerk unabhängig von der Region, in der sie international aktiv sind.

Die Erhöhung der Resilienz in ihren globalen Lieferketten ist ein zentrales Motiv der Lieferanten-Suche: So geben drei von fünf Unternehmen (62 Prozent) an, das Risiko von Ausfällen minimieren zu wollen. Dieser Wert wird nur überboten von dem Wunsch, die Kosten zu optimieren (64 Prozent). Aber auch ein einfacherer Zugang zu Rohstoffen beziehungsweise Vorleistungen (33 Prozent) sowie die Vermeidung von Handelshemmnissen oder die Erfüllung von Local-Content-Vorschriften (23 Prozent) spielen eine Rolle.

Jedes achte Unternehmen (12 Prozent) nimmt die Einhaltung europäischer Nachhaltigkeitspflichten bei der Lieferantensuche in den Blick. Insgesamt haben sich die Lieferkettenstörungen zwar verbessert, sie sind aber noch längst nicht überwunden: 42 Prozent der Unternehmen geben Störungen in Lieferketten als das Top-Geschäftsrisiko für die kommenden Monate an. 

Lieferantensuche in der Nachbarschaft
Bei der Suche nach neuen oder zusätzlichen Lieferanten spielt die geografische Nähe eine herausragende Rolle. Das Lieferantennetzwerk wird im gleichen Land des Unternehmensstandorts oder innerhalb der Region (Nachbarländer) aufgebaut. Dahinter kann die Bestrebung der Unternehmen stehen, die Lieferwege in ihren Lieferketten möglichst kurz zu halten, um Ausfälle durch Transportschwierigkeiten und hohe Transportkosten zu vermeiden.

In Ost- und Südosteuropa (ohne EU) sowie in der Türkei und in Russland suchen Unternehmen nach neuen Lieferanten besonders häufig (73 Prozent) lokal beziehungsweise in dem Land, in dem sie bereits tätig sind. In der Eurozone gilt das lediglich für jeden zweiten der Befragten (50 Prozent).

Und auch in Greater China hält nur rund jedes zweite Unternehmen (51 Prozent) lokal Ausschau nach neuen Lieferanten, in Asien-Pazifik (ohne Greater China) dagegen sind es 61 Prozent. So verfolgen die Betriebe die "China+1"-Strategie, neben China mindestens einen Lieferanten aus einem anderen Land in das Netzwerk aufzunehmen.

Produktionsverlagerungen trotz hohen Aufwandes
Die geopolitischen Herausforderungen veranlassen einen erheblichen Anteil der Unternehmen zu Standortverlagerungen. Jeder zehnte Betrieb (10 Prozent) hat bereits seine Produktion, Teile davon oder ganze Niederlassungen verlegt beziehungsweise anderswo neu aufgebaut. Weitere 16 Prozent befinden sich dazu noch in der Planung.

Vor allem in China sind neue Standorte Thema
Häufiger als im weltweiten Durchschnitt planen Unternehmen in Greater China diesen Schritt: Dort haben bereits 13 Prozent Betriebsteile verlagert, 28 Prozent befinden sich dazu noch in der Planung. Auch in Asien/Pazifik (ohne Greater China) und in Afrika, Nah- und Mittelost wird diese Maßnahme häufiger ergriffen als in anderen Regionen. 

Als zentrale Gründe für die Verlagerung nennen die Befragten – ähnlich wie bei der Lieferantensuche – die Aspekte Markterschließung (52 Prozent), Kostenoptimierung (47 Prozent) und Diversifizierung beziehungsweise Risiko-Minimierung bei Ausfällen (38 Prozent). Außerdem sollen mit neuen Standorten Handelshemmnisse vermieden beziehungsweise Local-Content-Vorschriften erfüllt (21 Prozent) werden; 21 Prozent der Betriebe führen einen einfacheren Zugang zu Rohstoffen oder Vorleistungen an, 10 Prozent die Einhaltung europäischer Nachhaltigkeitspflichten.

Hauptfaktor geografische Nähe
Die geografische Nähe zum derzeitigen Sitz spielt auch bei der Suche nach neuen Standorten für Produktion oder Niederlassungen eine Hauptrolle, allerdings ist die Fokussierung auf das aktuelle Gastland nicht so stark ausgeprägt wie bei der Lieferantensuche.

Am häufigsten suchen Unternehmen aus EU-Staaten außerhalb des Währungsraums (sowie Schweiz, Norwegen, UK) lokal nach neuen Standorten. Unterdurchschnittlich häufig gilt das für Betriebe aus Greater China: Wie bei der Lieferantensuche orientieren sie sich überwiegend in die Region Asien-Pazifik (ohne Greater China) – ein weiteres Indiz der "China+1" Strategie. Aber auch das Thema Re-Shoring beziehungsweise Near-Shoring in die EU oder in dessen geografische Nähe bleibt ein Trend bei der internationalen Kapitalmobilität deutscher Unternehmen.

Preiserhöhungen keine Ausnahme mehr
Neben der Überprüfung von Lieferketten und Standorten ergreifen die Unternehmen noch weitere Maßnahmen zur Stabilisierung ihrer Geschäfte: 41 Prozent geben an, den hohen Kostendruck bereits an die Kunden weitergegeben zu haben, weitere 34 Prozent planen noch Preiserhöhungen.

Zur ganzen Auswertung auf der Seite des DIHK.

Martin Fahling

Martin Fahling

International und internationale Fachkräfte,
IHK-Zentrale
Position: Bereichsleiter
Schwerpunkte: Grundsatzfragen, Außenwirtschaftspolitik, Beratungen
Telefon: 07121 201-186
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