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Schön gegen den Trend

Nach 25 Jahren im Holzgroßhandel entschied sich Michael Ehinger für etwas anderes: den Schreibwarenladen um die Ecke. Während der Pandemie expandierte er sogar. Eine kleine Erfolgsgeschichte.

Schön gegen den TrendMichael Ehinger macht mit seinem Schreibwarenladen einiges richtig. Foto: Wiemer-van Veen

Früher kaufte er hier seine Oldtimer-Magazine, jetzt gehört ihm der Laden. Michael Ehinger, gelernter Schreiner und langjähriger Holzgroßhändler, war irgendwann die Baubranche leid – und übernahm 2018 das Schreibwarengeschäft Schellenberg (davor Kussmaul) in Reutlingen-Betzingen, eine Institution am Ort. Bereut hat er den Schritt bis heute nicht. Im Gegenteil: In den ersten drei Jahren verdreifachten er und sein Team den Umsatz und erwirtschafteten 2021 über eine Million Euro. „Da sind wir schon ein bisschen stolz“, sagt Ehinger.

Geschäftsideen ausprobieren
Mit vier Festangestellten, mehreren Mini-Jobbern und einer Auszubildenden trotzt Ehinger dem Trend des Ladensterbens. Etwa 180 Quadratmeter Verkaufsfläche, prall gefüllt und gut sortiert. Dazu noch Besonderheiten wie ein Buchbestellservice als Joint Venture mit einer Buchhandlung in Pfullingen oder die Laminierung von Schulbüchern mit recycelter PET-Folie. „Am Schulanfang ist das der Hit.“ Bis zu 8.000 Schulbücher schweißt Ehingers Team in den ersten beiden Schulwochen neu ein. 

2019 übernimmt Michael Ehinger noch einen Buchladen, Ende 2021 einen Blumenladen, beide schräg gegenüber. Dort verkauft er nun Spielwaren sowie Bekleidung für Kleinkinder. Im Sortiment sind vor allem Holzspielzeug sowie Entdecker- und Bastelartikel. Die angebotene Kindermode konnten die Mitarbeiterinnen selbst zusammenstellen. In der Kollektion sind auch Kleidungsstücke von Pamos, einem Hersteller vor Ort.

Ein Jahr gibt Ehinger jeder seiner Geschäftsideen. Die Spielwaren haben sich trotz Corona-Pause inzwischen etabliert, die Schreibwaren sowieso. Zwischen 150 und 400 Personen, so Ehinger, kaufen jeden Tag bei ihm ein.

Persönliche Ansprache
Das Sortiment der Läden ist online einsehbar. Ansonsten lässt Ehinger das digitale Geschäft weitgehend außen vor. Klar, der Preisdruck sei da, bei Spiel- mehr als bei Schreibwaren. Aber seiner Erfahrung nach schätzten es die Leute, einen persönlichen Ansprechpartner zu haben und gut beraten zu werden. Wenn ein Artikel woanders günstiger zu haben ist und den eigenen Einkaufspreis unterbietet, überlässt er es schon mal den Kunden, was sie dafür zahlen möchten. „Fast alle zahlen den vollen Preis.“

Es ist Dienstagvormittag, 10.30 Uhr. Eben noch relativ ruhig, füllt sich der Schreibwarenladen plötzlich. Einer Kundin noch schnell das dringend benötige Kartenquartett fürs Enkelkind neben ihr reichen, hier und dort ein kurzer Gruß, dann mit Lieferanten telefonieren: Michael Ehinger ist wieder mittendrin. /

(Dieser Artikel erschien in der WNA-Ausgabe 10+11/2022.)