Versorgungssicherheit
Alarmstufe für Gas ausgerufen

Grund für die Ausrufung der Alarmstufe ist die seit dem 14. Juni 2022 bestehende Kürzung der Gaslieferungen aus Russland und das weiterhin hohe Preiseniveau am Gasmarkt. Zwar sind die Gasspeicher mit 58 Prozent stärker gefüllt als im Vorjahr. Doch sollten die russischen Gaslieferungen über die Nord Stream 1-Leitung weiterhin auf dem niedrigen Niveau von 40 Prozent verharren, ist ein Speicherstand von 90 Prozent bis Dezember kaum mehr ohne zusätzliche Maßnahmen erreichbar. Dies zeigen Berechnungen der Bundesnetzagentur. Damit liegt aktuell eine Störung der Gasversorgung vor, die zu einer erheblichen Verschlechterung der Gasversorgungslage führt; die Ausrufung der Alarmstufe ist daher notwendig. Die europäischen Partner wurden über den Schritt informiert.
Um den Gasverbrauch in der Stromerzeugung zu senken, wird die Bundesregierung, wie am 19. Juni angekündigt, zusätzliche Kohlekraftwerke aus der Bereitschaft abrufen. Dazu hat das BMWK bereits die Kraftwerksbetreiber angeschrieben und gebeten, die nötigen Schritte zu veranlassen. Das entsprechende Ersatzkraftwerkebereithaltungsgesetz, das den Abruf der Gasersatz-Reserve ermöglicht, ist derzeit im parlamentarischen Verfahren. Das BMWK bereitet alle entsprechenden Verordnungen vor; um sie zügig nach Inkrafttreten und passgenau zu nutzen.
Zugleich hat die Bundesregierung eine Kreditlinie von zunächst 15 Milliarden Euro zur Speicherbefüllung zur Verfügung gestellt, abgesichert durch eine Garantie des Bundes.
Von dem sogenannten Preisanpassungsmechanismus, den § 24 des Energiesicherungsgesetzes ermöglicht, macht die Bundesregierung vorerst noch nicht Gebrauch. Voraussetzung für diesen Mechanismus ist nach § 24 EnSiG, dass die Bundesnetzagentur eine erhebliche Reduzierung der Gesamtgasimportmengen nach Deutschland feststellt und durch Verkündung im Bundesanzeiger feststellt, das bedeutet faktisch, es muss eine verstetigte Reduzierung des Gesamtimportmengen geben.
Nähere Erläuterungen zur Einordnung:
1. Zum Notfallplan Gas
Die Alarmstufe nach Art. 11 der EU-Verordnung über Maßnahmen zur Gewährleistung der sicheren Gasversorgung ist gem. Art. 11 Abs. 1 der europäischen SoS-Verordnung dann auszurufen, wenn eine Störung der Gasversorgung oder eine außergewöhnlich hohe Nachfrage nach Gas vorliegt, die zu einer erheblichen Verschlechterung der Gasversorgungslage führt, der Markt ist aber noch in der Lage, diese Störung oder Nachfrage zu bewältigen, ohne dass nicht marktbasierte Maßnahmen ergriffen werden müssen. Wer jetzt Gas spart, hilft mit, Vorsorge für den Fall von Lieferengpässen zu treffen. Das Krisenteam Gas, das mit Ausrufung der Frühwarnstufe eingerichtet wurde, tagt weiterhin täglich. Zum Krisenteam gehören neben den Vertreterinnen und Vertretern des BMWK auch Vertreterinnen und Vertreter der Bundesnetzagentur, des Marktgebietsverantwortlichen Gas, der Fernleitungsnetzbetreiber, und es wird durch Vertreterinnen und Vertreter der Bundesländer unterstützt. Das Krisenteam Gas tagt bereits seit Ausrufung der Frühwarnstufe im März regelmäßig, um auf Basis der täglichen Meldungen der Fernleitungsnetzbetreiber und des Marktgebietsverantwortlichen die Entwicklung der weiteren Situation am Gasmarkt zu beobachten und die Leitung des BMWK zu beraten. Die Fernleitungsnetzbetreiber und Verteilnetzbetreiber ergreifen im Rahmen ihrer Verantwortung netz- und marktbezogene Maßnahmen gemäß § 16 und § 16a EnWG (Energiewirtschaftsgesetz), sofern notwendig. Die EU-Kommission und die Nachbarstaaten wurden über die Ausrufung der Alarmstufe unterrichtet. Das BMWK steht im kontinuierlichen Kontakt mit der EU-Kommission.
Der „Notfallplan Gas“ basiert auf der sogenannten europäischen SoS- Verordnung, d.h. konkret der Verordnung (EU) 2017/1938 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2017 über Maßnahmen zur Gewährleistung der sicheren Gasversorgung. Er regelt die Gasversorgung in Deutschland in einer Krisensituation. Der Notfallplan Gas kennt drei Eskalationsstufen – die Frühwarnstufe, die Alarmstufe und die Notfallstufe.
2. Die Bundesregierung plant zusätzliche Maßnahmen
Gasreduktion im Stromsektor
In einer solchen drohenden Gasmangellage muss Deutschland den Gasverbrauch in der Stromerzeugung deutlich reduzieren können, um das dann fehlende Gas zu ersetzen und so die Folgen des Gasmangels abzumildern. Aus diesem Grund will die Bundesregierung auf der Erzeugungsseite befristet bis zum 31. März 2024 eine Gasersatz-Reserve auf Abruf einrichten. Dafür werden Kraftwerke, die bereits heute als Reserve dem Stromsystem zur Verfügung stehen, ertüchtigt, um kurzfristig in den Markt zurückkehren zu können. Das bedeutet, dass der kurzfristige Einsatz von Kohlekraftwerken im Stromsektor für den Bedarfsfall auf Abruf ermöglicht wird.
Dazu hat die Bundesregierung die notwendigen rechtlichen Rahmenbedingungen geschaffen, um Gas in der Stromerzeugung zu ersetzen.
Das Bundeskabinett hat das sogenannte Ersatzkraftwerkebereithaltungsgesetz am 8. Juni 2022 im Kabinett verabschiedet. Eine Verabschiedung im parlamentarischen Verfahren ist für den 8. Juli 2022 geplant. Parallel arbeitet das BMWK an der notwendigen Rechtsverordnung, um die Gasersatzreserve gleich nach Inkrafttreten in Gang setzen zu können.
Gas trug 2021 zu ca. 15 Prozent zur öffentlichen Stromerzeugung bei, der Anteil dürfte in den ersten Monaten 2022 aber schon geringer sein. Durch die Maßnahmen zur Reduktion des Gasverbrauchs kann das Stromerzeugungsangebot in einer kritischen Gasversorgungslage um bis zu 10 GW ausgeweitet werden, wodurch der Gasverbrauch zur Stromerzeugung substantiell reduziert wird.
Gas-Auktionsmodell für den Industrie-Verbrauch
Noch im Sommer soll ein Gasauktions-Modell an den Start gehen, das industrielle Gasverbraucher anreizt, Gas einzusparen. Dazu entwickeln der Marktgebietsverantwortliche Trading Hub Europe (THE), die Bundesnetzagentur (BNetzA) und das BMWK ein Gas-Regelenergieprodukt, mit dem Industriekunden gemeinsam mit ihren Lieferanten gegen eine rein arbeitspreisbasierte Vergütung ihren Verbrauch in Engpasssituationen reduzieren und Gas dem Markt zur Verfügung stellen können (Demand-Side Management). Damit wird - einer Auktion gleich - ein Mechanismus geschaffen, der industriellen Gasverbrauchern einen Anreiz gibt, Gas einzusparen, das dann wiederum zum Einspeichern genutzt werden kann. Das Modell soll dafür sorgen, dass möglichst viele Gas-Mengen für etwaige Engpasssituationen im kommenden Winter bereitstehen. Erste Konkretisierungen hat die Bundesnetzagentur am 21. Juni 2022 vorgelegt. Weitere Schritte werden in Abstimmung mit THE und den Akteuren im Markt jetzt zügig erfolgen.
3. Szenarienberechnungen der Bundesnetzagentur zur Gasversorgungslage
Die Bundesnetzagentur hat Szenarien berechnet und damit die Gasmengenentwicklung bis Juni 2023 bestimmt. Diese Szenarien zeigen, dass eine Störung der Gasversorgung vorliegt. Auch bei einem kontinuierlichen Verbleib der Lieferungen durch Nordstream 1 auf dem Niveau von 40%, ist die im Gasspeichergesetz vorgesehene Speicherfüllung bis zum 1. Dezember auf 90% nur dann möglich ist, wenn man unterstellt, dass innereuropäische Gaslieferungen nicht mehr vollständig erfolgen und man davon ausgeht, dass der Gasverbrauch in diesem Winter 20% unter dem normalen Niveau liegt.
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