Umsatzsteuer
Konsignationslager im EU-Ausland
Bereits mit dem Jahressteuergesetz 2019 wurde mit Wirkung zum 1. Januar 2020 ein neuer § 6b in das Umsatzsteuergesetz (UStG) eingefügt. Er enthält eine Vereinfachungsregelung für grenzüberschreitende Lieferungen in sogenannte Konsignationslager innerhalb der EU. Dabei handelt es sich um Warenlager des Lieferanten, die sich in der Regel in der Nähe des Kunden (Erwerbers) befinden, und in denen die Waren zum Abruf durch den Erwerber für diesen bereitstehen
Die umsatzsteuerliche Behandlung von Lieferungen über solche Konsignationslager ist komplex. Die Zwischenlagerung kann dazu führen, dass der Lieferant zunächst ein innergemeinschaftliches Verbringen und bei Abruf durch den Kunden eine lokale Inlandslieferung im Ausland erklären muss. Um die damit verbundene Registrierungspflicht des Lieferanten am Ort des Lagers im EU-Ausland zu vermeiden, wurde mit den sogenannten VAT Quick Fixes eine Konsignationslagerregelung eingeführt.
Steuerpflichtiger Erwerb erst bei Entnahme aus dem Lager
Mit § 6b UStG wurde die Vereinfachungsregelung in deutsches Recht überführt. Danach gilt die Lieferung – bei Vorliegen aller Voraussetzungen insbesondere Einhaltung der 12- Monatsfrist – erst im Zeitpunkt der Entnahme der Waren aus dem Lager als ausgeführt. In diesem Zeitpunkt wird von einer steuerfreien innergemeinschaftlichen Lieferung des Lieferanten einerseits und einem im Bestimmungsland steuerpflichtigen innergemeinschaftlichen Erwerb durch den Erwerber andererseits ausgegangen.
Mit dem Einführungsschreiben vom 10. Dezember 2021 äußert sich die Finanzverwaltung nun zu den einzelnen Voraussetzungen und den erforderlichen Aufzeichnungspflichten. Dazu wird u. a. ein neuer Abschnitt 6b.1. „Lieferungen in ein Lager im Sinne des § 6b UStG im Gemeinschaftsgebiet (Konsignationslagerregelung)“ in den Umsatzsteuer-Anwendungserlass (UStAE) eingefügt.
Vereinfachungsregel gilt auch auch bei Bezahlung vor Warenentnahme
Besonders hervorzuheben ist die Klarstellung der Finanzverwaltung, dass auch im Falle einer verbindlichen Bestellung bzw. Bezahlung vor dem Zeitpunkt der Entnahme die Vereinfachungsregelung angewendet werden kann, wenn beide Parteien dies z. B. in einem Rahmenvertrag vereinbart haben (Abschnitt 6b.1 Abs. 3 Satz 3 UStAE). Damit sollen mögliche Konflikte der Vorschriften anderer EU-Mitgliedstaaten mit der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) vermieden werden.
Der BFH nimmt nämlich in bestimmten Fällen eine direkte innergemeinschaftliche Lieferung bereits im Zeitpunkt des Transportbeginns an. Lieferant und Erwerber erhalten mit einer entsprechenden Vereinbarung mehr Rechtssicherheit – Erfüllung der weiteren Voraussetzungen des § 6b UStG vorausgesetzt.
Zudem stellt die Finanzverwaltung in Abschnitt 6a.1 Abs. 19 UStAE ausdrücklich klar, dass der Lieferant die Anwendung der Vereinfachungsregelung (willentlich) ausschließen kann. Er muss dazu lediglich auf die Erfüllung einer der Voraussetzungen des § 6b Abs. 1 und Abs. 5 UStG (bewusst) verzichten. In der Wirtschaft bestand insoweit eine gewisse Unsicherheit, die nunmehr beseitigt wurde.
Ansässigkeit des Lieferanten entscheidend
Eine die Anwendung der Vereinfachungsregelung ausschließende Ansässigkeit des Lieferanten im Bestimmungsland kann nach Ansicht der Finanzverwaltung unter anderem bereits durch ein vom Lieferanten mit eigenen Mitteln (etwa eigenem Personal) betriebenes eigenes oder angemietetes / gepachtetes Lager begründet werden. Allein die Registrierung des Lieferanten im Bestimmungsland begründet jedoch keine Ansässigkeit (Abschnitt 6b.1 Abs. 2 UStAE).
Abschnitt 6b.1 Abs. 7 UStAE enthält eine Regelung für sog. Abholfälle. Danach kann der Transport ins Bestimmungsland auch durch den späteren Erwerber erfolgen, der in diesen Fällen als beauftragter Dritter fungiert. Dazu muss der Transport durch den Erwerber „ausdrücklich und erkennbar im Namen des liefernden Unternehmers erfolgen“ (Satz 2). Entsprechende Vereinbarungen können z. B. in einem Rahmenvertrag enthalten sein (Satz 3).
Gewöhnliche, branchenübliche Verluste eingelagerter Waren im Lager sind unschädlich, wenn sie wert- oder mengenmäßig unter einer Freigrenze von 5 Prozent des Gesamtbestandes identischer Gegenstände bleiben. Maßgebend ist der Tag des Verlustes oder, falls dieser nicht bekannt ist, der Tag, an dem der Verlust festgestellt wurde (Abschnitt 6b.1 Abs. 22 UStAE).
Im Zusammenhang mit dem Brexit wird klargestellt, dass die Regelungen des § 6b UStG letztmalig für Waren angewendet werden können, die vor dem 1. Januar 2021 eingelagert wurden. Die Entnahme innerhalb der 12-Monatsfrist wird als innergemeinschaftliche Lieferung behandelt.
Das BMF-Schreiben enthält weiterhin umfassende Hinweise zu Fällen der Rücklieferung von Waren in den Abgangsmitgliedstaat sowie zu den Aufzeichnungspflichten im Rahmen des § 6b UStG.
Anwendungsregelung
Die Grundsätze des Einführungsschreibens sind auf alle Lieferungen in ein Konsignationslager i. S. d. § 6b UStG anzuwenden, deren Transport am oder nach dem 1. Januar 2020 begonnen hat.
Weitere Informationen zu Konsignationslagern
Online-Veranstaltung
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