Satelliten-Navigation

Hochpräzises Fußgänger-Routing

Der Landesentscheid des European Satellite Navigation Competition (ESNC) hat die diesjährigen Sieger gekürt. Ganz vorne angekommen ist eine App, die Fußgänger mit und ohne Behinderung an Hindernissen vorbei lotst. Die IHK Reutliingen organisiert den Wettbewerb.

Hochpräzises Fußgänger-RoutingDie Sieger des European Satellite Navigation Competition Baden-Württemberg 2018 Foto: Susanne Lencinas Fotografie.de

Die Space-Night im Planetarium Mannheim gab den passenden Rahmen für die Auszeichnung der Landessieger 2018 beim ESNC: Den ersten Platz belegte die iXpoint Informationssysteme GmbH mit einer Navigations-App speziell für Fußgänger. Das Ettlinger Unternehmen hat sich damit für die europäische Endrunde qualifiziert, deren Gewinner am 3. Dezember 2018 in Marseille geehrt werden. Silber und Bronze gehen Stuttgarter Start-ups Teleportr und ARtist, die sich mit Verbesserungen bei der Paketzustellung beziehungsweise virtueller Kunst in der Augmented Reality befassen.

Herkömmliche Routingdienste sind nicht auf Fußgänger ausgerichtet. Aktuelle Smartphone-Apps können die Fußgänger auch nicht an Geländer und anderen Barrieren vorbei oder entlang verwinkelter Wege leiten. Vor allem für Menschen mit einer körperlichen Beeinträchtigung stellt das ein großes Problem dar. Gut 250 Millionen Menschen haben eine Behinderung und davon sind 36 Millionen Menschen sehbeeinträchtigt. Diese Menschen sind darauf angewiesen, dass sie durch Hilfsmittel den richtigen und vor allem sicheren Weg finden. Die Ettlinger Firma iXpoint Informationssysteme GmbH hat nun das Routing optimiert – nicht nur für Menschen mit Behinderung. Wege werden viel exakter vorbestimmt und der Fußgänger präzise geleitet.

„Die Behandlung der Fußgänger als Autofahrer hat ein Ende“
Die iXpoint-Lösung basiert auf dem freien Online-Kartendienst Open Street Map. Positionssignale der einzelnen Satelliten werden mit den Bewegungssensoren der Smartphones verbunden. Dadurch ist nicht nur die genaue Positionierung möglich. Hindernisse, Bürgersteige und Fußgängerunterführungen werden erkannt und im Routing berücksichtigt. Das Überque-ren einer Straße an den dafür vorgesehenen Stellen wird damit leichter möglich. „Die Be-handlung der Fußgänger als Autofahrer hat ein Ende“, sagt Geschäftsführer Stefan Siebert. Die präzise Navigation wird sehbeeinträchtigten Menschen auf ein haptisches Tool am Gürtel oder einen Minikopfhörer übermittelt. Durch Vibration oder Ton wird der sichere Weg anzeigt. „In einer fremden Umgebung ist auch für sehende Menschen das Tool von großem Interesse, da es den schnellsten, sichersten und unkompliziertesten Weg zum Zielort anzeigt“, so Sie-bert. Der Preis wurde im Rahmen der „Space Night“ im Planetarium in Mannheim von der Industrie- und Handelskammer Reutlingen vergeben. Mit dem ersten Platz beim ESNC-Baden-Württemberg Challenge nimmt das Unternehmen automatisch am internationalen Gesamtwettbewerb teil, dessen Preisverleihung am 3. Dezember 2018 in Marseille stattfindet.

Pakete die ankommen, wenn man zu Hause ist
Den zweiten Preis erzielte das Stuttgarter Start-up Teleportr GmbH. Die Gründer Connor Power und Linus Linder haben einen Service entwickelt mit dem die Paketlieferung auf der letzten Meile kundenorientiert gelöst ist. In Stuttgart Mitte, Süd und West ist der Service be-reits in Betrieb, in den Stadtteilen Ost, Zuffenhausen und Bad Cannstatt steht der Life-Betrieb kurz bevor. „Paketzusteller stehen oft vor verschlossener Tür und die Pakete müssen mühselig beim Zustelldienst abgeholt werden“, fasst Linder das Problem des boomenden Online-Handels zusammen.

Zu wissen, wann die Empfänger zu Hause sind und das Paket in Empfang nehmen können, ist der Kern des Teleportr-Services. Hierzu muss der Kunde nicht einmal aktiv werden. Technisch übernimmt dies ein virtueller Zaun um das eigene Zuhause. Mittels dieser Geofencing Technologie meldet die Smartphone-App automatisch, ob lagernde Pakete zugestellt werden können. Pakete, die ankommen, wenn der Kunde nach Hause kommt – welch ein Service. Mittels Vorhersagen, Algorithmen und künstlicher Intelligenz erhöht Teleportr die Effizienz der Zustellung seiner Austräger. Die Smart City Lösung führt auch zur Reduzierung der Emission und des Verkehrsaufkommens in den Städten, da die Austräger so eingesetzt werden, dass die Lieferungen mit dem Fahrrad oder zu Fuß erledigt werden können. Der Service ist zudem völlig unabhängig vom Versandhändler und dem beauftragten Zusteller, da nur die zugewiesene Teleportr-Adresse als Lieferadresse angegeben werden muss. Lediglich die Zustellkosten erhöhen sich etwas, wobei auch das Preismodell clever und attraktiv vom Startup gestaltet ist. „Die Kunden sind begeistert und wir gewinnen kontinuierlich neue hinzu“, sagt Gründer Linus Linder über den Live-Betrieb des Services in der Stuttgarter City.

Neben dem zweiten Platz im ESNC-Landeswettbewerb ist Teleportr mit seinem Beitrag zudem einer von drei Finalisten beim begehrten ESA Spezialpreis des ESNC und dazu noch Kandidat für die Aufnahme in ein ESA Business Incubation Centre (ESA BIC). Das ESA BIC ist ein Zentrum für Start-ups, in dem Gründer für ein bis zwei Jahre finanzielle Unterstützung sowie Business Support erhalten.

Smartphone wird zum virtuellen Pinsel
Den dritten Platz belegte die Stuttgarter Firma ARtist UG (haftungsbeschränkt). Augmented Reality, abgekürzt AR oder auf Deutsch künstliche Realität, kommt in der ausgezeichneten Lösung zum Einsatz. Wie der Firmenname es vermuten lässt, geht es dabei um Kunst, ge-nauer virtuelle Kunstwerke. Diese gilt es zu gestalten. Das Smartphone übernimmt dabei die Rolle des Pinsels. Die Gründer Tobias Kehrein, Dr. Somakanthan Somalingam und Angela Warnecke haben dieses Handwerkzeug für Künstler entwickelt. Mit dem ARtist-Tool lassen sich Kunstobjekte virtuell gestalten, die dann durch exakte Positionierung im Raum aufgestellt werden. Auch können Kunstwerke gemeinsam kreiert oder Kindern in speziell darauf zugeschnittenen Projekten der Einstieg in die virtuelle Gestaltung spielerisch beigebracht werden. Die Firma ARtist ist seit dem Sommer 2018 ein Start-up des ESA BIC Baden-Württemberg. „Die virtuelle Gestaltung ermöglicht die Nutzung von Freiheitsgraden für die Entfaltung der eigenen Kreativität, die die normale Kunst nur bedingt bieten kann, beispielsweise das Erzeugen von verschiedenen Subräumen mit unterschiedlichen Inhalten am gleichen Ort“, erläutert Gründer Somalingam und ergänzt mit einem Ausblick auf andere Einsatzbereiche. „Das Tool ist nicht auf Kunst beschränkt. Eine Zusammenarbeit in anderen Bereichen wird angestrebt.“ Der Werbemarkt böte sich dafür an. Betrachtet werden die virtuellen Gebilde über Smartphones, Tablets oder Datenbrillen, also Smart Glasses.

Auszeichnung bei Space Night im Planetarium in Mannheim  
Der Wettbewerb European Satellite Navigation Competition (ESNC) zeichnet jedes Jahr die besten Ideen für neue Anwendungen der Satellitennavigation aus. Seit 2007 organisiert die IHK Reutlingen in Zusammenarbeit mit dem Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Wohnungsbau Baden-Württemberg die Beteiligung des Landes am ESNC. Die Teilnehmer können sich sowohl auf Landesebene als auch international bewerben, zudem gibt es Spezialkategorien. Der baden-württembergische Landessieger erhält 1.000 Euro, einen Imagefilm und ein für zwei Jahre mietfreies Büro im Technologiepark Tübingen-Reutlingen TTR. Die Zweit- und Drittplatzierten erhalten 400 Euro beziwhungsweise 200 Euro Preisgeld. Als Sonderpreis konnten acht Teilnehmer dieses Jahr zum zweiten Mal ein „Experten-Dinner“ gewinnen. Die Erfahrungen aus dem letzten Jahr zeigen, dass ein intensives Gespräch mit einem Experten in der Frühphase eines Projekts helfen kann, den Fokus zu schärfen und Schwachstellen aufzudecken. Die Preisverleihung fand im Rahmen der vom Netzwerk Geoinformation der Metropolregion Rhein-Neckar (GeoNet.MRN) organisierten „Space Night“ im Planetarium in Mannheim statt. Neben Ministerium und der IHK-Organisation in Baden-Württemberg wurde die Veranstaltung vom ESA BIC Hessen & Baden-Württemberg sowie von Airbus unterstützt.

European Satellite Navigation Competition Baden-Württemberg

Dr. Stefan Engelhard

Dr. Stefan Engelhard

Innovation und Umwelt,
IHK-Zentrale
Position: Leiter Institut für Wissensmanagement und Wissenstransfer (IHK-IWW) / Bereichsleiter Innovation und Umwelt / Head of ESA BIC Baden-Württemberg
Schwerpunkte: Innovationsberatung, Beratung zu FuE-Förderprogrammen, ESA BIC Baden-Württemberg, Regionales Innovationsmanagement Neckar-Alb, KI-Checker Neckar-Alb
Telefon: 07121 201-158
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