IHK-Präsident sieht schwierige Lage und kritisiert Politik

„Es mangelt an Entscheidungsfreude und Mut“

„Wir brauchen weniger Gipfel und weniger Aktionismus, sondern dringend eine Wirtschaftspolitik für Unternehmen“, kommentiert IHK-Präsident Christian O. Erbe.

„Es mangelt an Entscheidungsfreude und Mut“

Angesichts von Null-Wachstum und fehlender Investitionen fordert der IHK-Präsident eine schnelle Neuausrichtung der Wirtschaftspolitik auf allen Ebenen. „Die Lage ist über alle Branchen besorgniserregend. Wir sind in Deutschland in einer strukturellen Krise. Jetzt fällt uns auf die Füße, dass wir bei Bürokratieabbau, Investitionen in Verkehr, Energie oder Bildung über Jahre viel zu wenig getan haben.“ Die Folge: Der heimische Standort verliert an Boden. Einige Firmen haben zuletzt die eigenen Investitionen zurückgefahren, andere müssen personelle Maßnahmen umsetzen, weil Aufträge und Kunden fehlen. „In unserer Gesellschaft hat man sich an Wohlstand und einen Staat gewöhnt, der alles abfedert. Diese Zeiten sind vorbei. Wir müssen aus dem verfügbaren Steuergeld mehr machen und das geht nur über Investitionen, die unsere Substanz stärken und die Produktivität erhöhen.“

Desinteresse der Politik
In der aktuellen Lage fehlt Christian O. Erbe auch die Unterstützung durch die Politik. „Ich nehme zum Teil ein regelrechtes Desinteresse an wirtschaftlichen Zusammenhängen wahr.“ Bestes Beispiele ist der Bürokratieabbau. Er wird seit Jahren versprochen, die Wirtschaft bringt sich mit vielen Vorschlägen ein. In der Praxis gelingt es jedoch bei weitem nicht, für eine neue Regelung eine alte abzuschaffen, wie es eigentlich das Ziel ist. So weist der aktuelle Report des ehemaligen EZB-Präsidenten Mario Draghi 13.000 neue Regelungen in fünf Jahren auf europäischer Ebene aus. Die mittlerweile vier Bürokratieentlastungsgesetze des Bundes kommen trotz guter Ansätze dem Aufwuchs an zusätzlichen Vorschriften gar nicht hinterher. „Die Betriebe müssen für die Erledigung aller Regelungen viel Zeit, Personal und Geld einsetzen, ohne dass sie dabei produktiv sind. Das schmerzt enorm“, so Erbe.

Wirtschaftspolitik als Risiko
Innerhalb der Wirtschaft ist der Verdruss über die Situation groß. 42 Prozent der regionalen Unternehmen nennen die Wirtschaftspolitik der Bundesregierung als Risiko für ihren Geschäftsbetrieb. Erbe: „Ich erkenne derzeit keine Strategie auf politischer Ebene, um die Probleme bei uns in den Griff zu bekommen.“ Aus seiner Sicht mangelt es an Geschwindigkeit, Entscheidungsfreude und Mut für unpopuläre Entscheidungen. „Es werden gerne zusätzliche Schulden, Sondervermögen und Subventionen vorgeschlagen. Schlechte Standortbedingungen lassen sich aber nicht originär über die Finanzpolitik lösen. Wir brauchen eine gute Wirtschaftspolitik und den Optimismus, dass wir es wieder schaffen können“, so der IHK-Präsident.

Dr. Wolfgang Epp

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