Best Practice-Beispiel

"Einen solchen Verkauf macht man nur einmal im Leben"

EcoControl zertifiziert Naturkosmetik und ist dabei führend im deutschen Markt – ein in der Branche weithin anerkanntes und zugleich profitables Unternehmen. Der Kopf dahinter, Dr. Joachim Banzhaf, hat EcoControl 2013 in Engstingen gegründet und gut etabliert. Als es für ihn um die Unternehmensnachfolge ging, suchte er sich frühzeitig fachkundige Unterstützung.

Einen solchen Verkauf macht man nur einmal im LebenFoto: Portra/ iStockphoto.com

 Er fand sie, vermittelt von der IHK Reutlingen, bei den Nachfolgeexperten vom RKW Baden-Württemberg. RKW BW-Fachberater Dr. Mirko Häcker stieg mit ein. Er begleitete die Vorbereitungen zum Verkauf, die Verhandlungen und auch den Vertragsabschluss.

Im Bio-Bereich sind Zertifizierungen wichtig – für Verbraucher ebenso wie für Produzenten und Handel. Für Bio-Lebensmittel gibt es gesetzliche Regelungen und einige sehr bekannte Siegel. Anders ist es bei Naturkosmetik und ökologischen Reinigungsmitteln: Dort ist gesetzlich nichts geregelt, es haben sich einzelne Siegel etabliert. Eines der bekanntesten ist das NATRUE-Label. Zu denen, die das Zertifizierungssystem seinerzeit erdacht und mit entwickelt haben, gehört Dr. Joachim Banzhaf. Der Diplom-Agrar-Ingenieur ist seit Jahrzehnten sehr engagiert im Öko- und Umweltbereich. Seit 2001 zertifiziert er Naturkosmetik.

Alleinstellungsmerkmale bei Zertifizierungen
EcoControl gründete er 2013. Das Unternehmen bietet Zertifizierungen unter anderem für das NATRUE-Label – als eine erfolgreiche Dienstleistung in einem Wachstumsmarkt. EcoControl ist außerdem der einzige akkreditierte Zertifizierer für Deutschland, Österreich, die Schweiz und Frankreich, der nach ISO-Norm 22716 die gute Herstellung von Kosmetikprodukten zertifiziert. Der Umsatz wuchs in den vergangenen Jahren jeweils um knapp 20 Prozent.

Etwa 5.000 Produkte zertifiziert EcoControl Jahr für Jahr, teils neu, teils als Rezertifizierung. Im Lauf der Zeit hat EcoControl eine sehr große Datenbank für Rezeptur- und Rohstoffbewertung aufgebaut. Sie wird stetig um neue Inhaltsstoffe ergänzt, aktuell sind es über 15.000 Eintragungen. Diese Datenbank steht als Frontend auch Kunden zur Verfügung. Sie können damit die Dokumentation für ihre Zertifizierungen erleichtern. Viele nutzen das Wissen schon während einer Produktentwicklung, um die angestrebte Zertifizierung zu vereinfachen.

Ein virtuelles, papierloses Experten-Team
Die IHK Reutlingen hat Joachim Banzhaf ans RKW BW vermittelt. IHK und RKW arbeiten eng und regelmäßig zusammen, um den Mittelstand in der Region-Neckar Alb zu stärken. Regina Stracke, die bei der IHK Moderatorin für Unternehmensnachfolge ist, stellte den Kontakt her. RKW BW-Fachberater Mirko Häcker verschaffte sich einen Überblick: „EcoControl ist ein gesundes Unternehmen, das über die Jahre schön gewachsen ist. Die Arbeitsweise ist stark digitalisiert und hat eine gute Marge ermöglicht.“ Was ihm auffiel: Lange bevor die Pandemie dezentrales Arbeiten und Homeoffice etabliert hat, war dies bei EcoControl bereits Alltag. Alle Teammitglieder arbeiteten komplett virtuell und papierlos zusammen, von zuhause oder unterwegs. Sämtliche Daten sind von überall greifbar. Viele machen Teilzeit oder sind Freelancer. Arbeitszeiten gestaltet man flexibel, Meetings waren immer digital – seit 2013. Deswegen hat EcoControl auch keinen Firmensitz im klassischen Sinne. Die Postadresse war bislang Engstingen, südlich von Reutlingen auf der Schwäbischen Alb gelegen.

„EcoControl hat ein sehr spezielles, sehr flexibles Geschäftsmodell“, sagt Experte Häcker. „Für den Verkauf ein klarer Vorteil.“ Weitere Vorteile: langjährige Kundenbeziehungen, auch zu vielen großen Playern, regelmäßige Zertifizierungen und hohe wiederkehrende Umsatzanteile, somit planbare Cash-Flows. Das Team gilt als ebenso erfahren wie motiviert.

Interessenten gab es schon länger
Jetzt, mit Anfang sechzig, war für Joachim Banzhaf die Zeit gekommen, um kürzer zu treten und das Unternehmen in die Hände einer jüngeren Generation zu geben. Eine unternehmensinterne Nachfolgelösung wurde geprüft, schied aber aus. Also musste ein Käufer gefunden werden. Bevor sie das Unternehmen gemeinsam auf den Markt brachten, gingen Mirko Häcker und Inhaber Joachim Banzhaf vieles durch. Sind alle Details für Käufer attraktiv? Oder muss man nachjustieren? Gibt es Punkte wie Pensionsrückstellungen oder laufende Finanzierungen, die als Nachteil gewertet werden könnten? Ist im Geschäftsablauf vielleicht etwas zu bereinigen oder zu optimieren? Solche Fragen stellen sich vor und bei jeder Unternehmensnachfolge – Mirko Häcker weiß, worauf man achtet. Mit Joachim Banzhaf erarbeitete er eine stimmige Unternehmensbewertung. Sie durchdachten die Ansprache und Erstgespräche mit Kaufinteressenten. Dann ging es los.him Banzhaf, ehemaliger Inhaber EcoControl

So ein Unternehmen verkauft sich gut, das war klar. Joachim Banzhaf hatte in den zurückliegenden Jahren öfters Angebote und Interessensbekundungen bekommen. „Diesen Weg haben wir auch eingeschlagen“, berichtet Mirko Häcker. „Wir haben keine völlig neuen Kontakte akquiriert, sondern im Netzwerk gesucht, Partner aus bestehenden Kooperationen angesprochen und einige Interessenten gefunden.“ Der Kreis engte sich nach und nach ein.

Mit Gleichgesinnten verhandelt
Mit zwei Interessenten wurden Verhandlungen geführt. Den Zuschlag erhielt der kleinere, die mittelständische ABCert AG aus Esslingen. Das passte am besten: Auch dieses Unternehmen gehört zur Bio-Szene, macht ebenfalls Zertifizierungen. Werte und Philosophien beider Firmen lagen dicht beieinander. Die Esslinger haben über 220 Beschäftigte, mehr als 17.000 Kunden in Deutschland sowie mehrere Niederlassungen im europäischen Ausland. Sie zertifizierten bislang ökologischen Landbau und weitere Standards im Lebensmittel-Bereich. Mit dem Zukauf von EcoControl kann ABCert nun das Portfolio in Richtung Non-Food erweitern. Die neue Tochtergesellschaft für Kosmetika, Körperpflege und Reinigungsmittel ist eine willkommene Ergänzung.

Für Joachim Banzhaf entwickelte Mirko Häcker eine passende Transaktionsstruktur, kümmerte sich um Vorbereitung und Begleitung der Due Diligence, begleitete auch Kaufpreisverhandlungen und das Zustandekommen des Kaufvertrags, gemeinsam mit den Anwälten. Die Verhandlungen waren spannend für alle Beteiligten, erinnert er sich. Wegen der Pandemie traf man sich nur digital. Obwohl bestens vorbereitet, waren einige Termine lang und auch emotional, berichtet er. Umso gelöster war die Stimmung, als ein Notartermin am 22. Dezember 2021 alles noch vor dem Jahreswechsel unter Dach und Fach brachte. Die Familie Banzhaf hat alle ihre Geschäftsanteile abgegeben. Joachim Banzhaf wird noch einige Zeit als Teammitglied für die neuen Inhaber tätig sein. „Zusammen mit dem RKW BW habe ich eine sehr gute Lösung für die Unternehmensnachfolge gefunden“, sagt er. „Die Unterstützung war über die gesamte Strecke sehr wertvoll. Man kann im Tagesgeschäft ja erfahren sein, aber einen solchen Verkauf macht man nur einmal im Leben. Da ist es wertvoll, jemanden mit viel Erfahrung und Struktur an der Seite zu haben. Ich bin sehr zufrieden.“