IHK: Unternehmen bewerten ihren Standort
Eine gute Adresse
„Wir haben in Summe einen wirklich guten Standort. Leider rücken diese Qualitäten aktuell in den Hintergrund“, kommentiert IHK-Hauptgeschäftsführer Dr. Wolfgang Epp. Die regionale Wirtschaft befindet sich in weiten Teilen „in einem Schockzustand“, so Epp. Massiv gestiegene Strompreise, kletternde Preise für faktisch alle Produkte sowie gestörte Lieferketten dominieren derzeit das Geschehen in den Betrieben. „Die Folgen des russischen Angriffs auf die Weltwirtschaft werden jeden Tag spürbarer.“
Dabei hatten die 1.539 Unternehmen aus den Landkreisen Reutlingen, Tübingen und Zollernalb, die sich an der Umfrage beteiligt haben, ihrem Standort im Schnitt eine 2,2 auf der Schulnotenskala gegeben. „Das vorhandene Angebot wird sehr geschätzt“, sagt Wolfgang Epp. Das zeigt sich auch an der Bereitschaft der Betriebe, hier zu investieren: In den vergangenen fünf Jahren haben fast 30 Prozent der befragten Unternehmen in der Region flächenmäßig expandiert.
„Die Region bleibt ein Zukunftsstandort und gehört sicher zu den besten Adressen in Deutschland“, erklärt der IHK-Hauptgeschäftsführer. Die Wirtschaft ist aus seiner Sicht extrem innovativ, besetzt wichtige Zukunftsfelder wie die künstliche Intelligenz und verfügt über eine gute Vernetzung zur Wissenschaft. „Wir werden aus der aktuellen Krise gestärkt hervorgehen. Die Unternehmen hier denken langfristig und das macht sich am Ende bezahlt.“
Top-5-Liste der Schwächen
Gleichwohl sehen die Betriebe Handlungsbedarf. Die Top-5-Liste der Schwächen führen Mobilfunk-Netzabdeckung und Breitband-Versorgung an. Hier ist die Diskrepanz zwischen der Wichtigkeit für die Betriebe einerseits und der tatsächlichen Zufriedenheit andererseits am größten. Es folgen die Verfügbarkeit beruflich qualifizierter Fachkräfte, von Wohnraum und die Dauer von Verfahren. „Wir brauchen zwei große regionale Kraftanstrengungen: Investitionen in die digitale Infrastruktur, die mit den größer werdenden Bandbreiten mithalten, und ein Willkommenspaket für Fachkräfte, das junge Leute mit Ausbildung oder Studium für eine Karriere in der Region begeistert und Menschen von außerhalb zum Zuzug motiviert“, so Wolfgang Epp. Gerade bei der Verfügbarkeit von Fachkräften sowie von Auszubildenden ist die Zufriedenheit seit der letzten Umfrage vor fünf Jahren noch einmal zurückgegangen, zeigen die Antworten. Trotz hoher Ausbildungsbereitschaft der Betriebe gelingt es schon längst nicht mehr, alle offenen Stellen zu besetzen.
Flächen: Besser ausnutzen und neue entwickeln
Probleme sehen die befragten Unternehmen weiter bei den Feldern Wohnraum und Gewerbeimmobilien. In beiden Fällen ist die Zufriedenheit niedrig ausgeprägt. Die IHK plädiert daher dafür, bei der Flächenentwicklung für Beschäftigte wie Firmen nicht nachzulassen, so Epp: „Es gilt, die vorhandenen Potenziale besser auszunutzen und nachzuverdichten sowie bestehende Immobilien zu modernisieren und Leerstände zu aktivieren. An neuen Flächen werden wir aber auch nicht vorbeikommen.“
Weitere Defizite bringt die Firmenbefragung bei der Wahrnehmung durch Politik und Verwaltung zu Tage. So wünschen sich Unternehmen schnellere Verfahren und ein offeneres Ohr für die Wirtschaft. Sie kritisieren außerdem die bestehenden Standortkosten wie Gewerbesteuer, Grundsteuer und andere öffentliche Gebühren. Bei all diesen Faktoren ist die Bewertung der Betriebe seit 2017 schwächer geworden. „Die Unternehmen sind gerade kommunal wichtige Leistungserbringer und wollen stärker informiert und einbezogen sein“, so der IHK-Hauptgeschäftsführer.
Hintergrund: Die Umfrage
1.539 Unternehmen aus Neckar-Alb haben sich an der IHK-Standortzufriedenheitsumfrage beteiligt, darunter 717 aus dem Landkreis Reutlingen, 364 aus dem Landkreis Tübingen und 456 aus dem Zollernalbkreis. Die Umfrage findet alle fünf Jahre statt. Insgesamt konnten sich Betriebe zu 32 Kriterien aus den Themenfeldern Infrastruktur & Verkehr, Fachkräfte & Bildung, Attraktivität der Städte sowie Verwaltung und Kommunalpolitik äußern. Die Teilnehmer konnten dabei direkt angeben, wie zufrieden sie mit der Situation in ihrer Gemeinde sind und welche Bedeutung die einzelnen Standortfaktoren für sie haben. Die Umfrage wurde im 1. Quartal 2022 mit Unterstützung des EWAS-Instituts aus Hannover durchgeführt. Gleichzeitig wurde die Befragung auch in den IHK-Bezirken Bodensee-Oberschwaben und Ulm durchgeführt.
Die Ergebnisse stehen unter www.ihkrt.de/standortzufriedenheit zum Download zur Verfügung.