Entwurf Verbandssanktionengesetz

Die Wirtschaft wird kriminalisiert

Die IHKs in Deutschland haben sich kritisch zum geplanten „Verbandssanktionengesetz“ geäußert. Sie befürchten, dass die Wirtschaft über das Gesetz pauschal kriminalisiert wird.

Die Wirtschaft wird kriminalisiertFoto: metamorworks - stock.adobe.com

Mit einem „Verbandssanktionengesetz“ will das Bundesjustizministerium eine neue Form strafrechtlicher Haftung von juristischen Personen einführen. Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) setzt sich in seiner aktuellen Stellungnahme kritisch mit diesem Paradigmenwechsel auseinander. Das im Referentenentwurf vorliegende „Gesetz zur Stärkung der Integrität in der Wirtschaft“ soll die Möglichkeiten zur Sanktionierung von Straftaten aus Unternehmen heraus deutlich ausweiten und würde auch für rechtstreue Unternehmen eine erhebliche Belastung mit sich bringen.

Rechtsunsicherheit und hohe Kosten ohne Not
Sowohl mit Blick auf die Grundkonzeption als auch auf zahlreiche Einzelregelungen bestünden erhebliche straf- und vor allem verfassungsrechtliche Bedenken, warnt der DIHK. Vor allem sei die künftig zu sanktionierende „Verbandstat“ in ihren Strukturen zu unbestimmt. In der Folge hafte ein Unternehmen möglicherweise für Geschehnisse, auf die es keinerlei Einfluss hatte und die es in keiner Form verschuldet hat.

Indem die Taten Dritter dem Unternehmen lediglich zugerechnet würden, bleibe im Kern unklar, welches „Verhalten“ eigentlich bestraft werde, gibt der DIHK zu bedenken. Wenn kein Unrechtsvorwurf gegen ihn selbst bestehe, werde ein Familienunternehmer zu Recht annehmen müssen, dass allein seine gewerbliche Tätigkeit sanktioniert werde.

Zusatzlasten in der Corona-Krise
Nicht zuletzt komme der Entwurf zur Unzeit, kritisiert der DIHK mit Blick auf die Corona-Krise. Viele Betriebe seien derzeit in ihrer Existenz bedroht, und genau in dieser kritischen Zeit würden erhebliche Belastungen besonders für kleine und mittlere Unternehmen eingeführt, die einer Privatisierung der staatlichen Ermittlungsverfahren gleichkämen.

Werde das Gesetz wie geplant 2021 verkündet, um 2023 in Kraft zu treten, müssten die Unternehmen schon jetzt damit beginnen, auf rechtlich unsicherer Grundlage interne Compliance-Prozesse zu entwickeln und Organisationsprozesse zu überprüfen. Die organisatorischen Herausforderungen und Kosten, die mit internen Untersuchungen verbunden seien, stellen schon in normalen Zeiten eine Herausforderung dar, betont der DIHK in seinem Papier.

Die Vollversammlung der IHK Reutlingen hatte bereits im April 2017 ein entsprechendes Forderungspapier des DIHK im Rahmen der Wirtschaftspolitischen Positionen der IHK-Organisation verabschiedet (ab Seite 141).

Dr. Jens Jasper

Dr. Jens Jasper

Recht und Steuern,
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Schwerpunkte: Wirtschaftsrecht, Arbeitsrecht, außergerichtliche Streitbeilegung, Sachverständigenwesen, Steuern, IHK-Gremium Kreis Tübingen: Geschäftsführung, Koordination Hoheitliche Aufgaben
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