Tabus im Vorstellungsgespräch
Das Recht zur Lüge
Die Frage nach der Corona-Impfung liegt auch in Vorstellungsgesprächen auf der Zunge. Der Arbeitgeber darf in einem Vorstellungsgespräch aber an sich nur solche Fragen stellen, an deren Antworten er ein berechtigtes Interesse hat und die in Bezug zum angebotenen Arbeitsplatz stehen. Fragen, die zu sehr in die Privatsphäre der Bewerberinnen und Bewerber eingreifen oder die eine Diskriminierung im Sinne des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) nahelegen, sind unzulässig. Typische „verbotene“ Fragen im Vorstellungsgespräch sind etwa Fragen nach einer Schwangerschaft, nach einer Behinderung, nach der sexuellen Orientierung, der Weltanschauung oder der Religion sowie die allgemeine Frage nach Vorstrafen. Gezielte Fragen nach berufsspezifischen Vorstrafen – zum Beispiel Betrugsdelikte bei Buchhalterinnen und Buchhaltern – sind hingegen erlaubt.
„Recht zur Lüge“
Wer dennoch solche Fragen stellt, muss sich gegebenenfalls anlügen lassen. Bewerberinnen und Bewerber haben in diesem Fall das „Recht zur Lüge“ und müssen die gestellten Fragen nicht wahrheitsgemäß beantworten. Sie dürfen sie sogar bewusst falsch beantworten – denn niemand soll einen potenziellen Arbeitsplatz dadurch riskieren müssen, dass er im Vorstellungsgespräch darauf hinweist, dass die Frage unzulässig ist. Zurück zur Eingangsfrage: Wer sich nicht gerade im Gesundheitsbereich bewirbt, darf auch bei dieser Frage – Stand heute – lügen.
Der Experte
Michael Rheinbay ist Fachanwalt für Arbeitsrecht bei der Reutlinger RWT Anwaltskanzlei GmbH.