Internationales Recht

Das muss beachtet werden

In einem Gastbeitrag schildert Karl Martin Fischer (Germany Trade & Invest), wie man mit internationalen Verträgen in der Coronakrise umgehen kann – welches Recht findet Anwendung, welche Klauseln müssen jetzt beachtet werden, was ist bei neuen Verträgen zu beachten?

Das muss beachtet werdenFoto: StockPhotoPro -stock.adobe.com

Internationale Geschäfte sind massiv durch das Coronavirus beeinträchtigt. Denn auch Maßnahmen in anderen Ländern können sich in Deutschland negativ auswirken, von Umsatzeinbußen bis hin zum Zusammenbruch von Lieferketten. Viele grenzüberschreitende Dienstleistungen können nicht erbracht werden, weil viele Grenzen für den Personenverkehr geschlossen sind. Hinzu kommt: Eine internationale Komponente macht Probleme oft noch komplizierter, zum Beispiel, weil ermittelt werden muss, ob deutsche oder ausländische Regeln gelten. Und wenn Letzteres der Fall ist, hat man es zu allem Überfluss auch noch mit einem unbekannten, unvertrauten Regelwerk zu tun. Einige Hinweise sind aber in fast allen Fällen durch Corona bedingter Problemstellungen hilfreich.

Erster Schritt: Was sagt der Vertrag?
Zuerst sollten Sie den Vertrag genau lesen. Zum einen kann dort geregelt sein, welches Recht anwendbar ist, und an welchem Ort eventuelle Rechtsstreitigkeiten verhandelt werden. Zum anderen enthält er möglicherweise Regelungen, die für die aktuelle Situation gemacht sind. Solche Klauseln werden, gerade in englischsprachigen Verträgen, häufig als „Force Majeure“- beziehungsweise Höhere-Gewalt-Klauseln bezeichnet. Deren genaue Lektüre lohnt sich. In einigen Fällen sind Epidemien/Pandemien sogar ausdrücklich aufgelistet in einer Aufzählung von Ereignissen, die nach dem Willen der Parteien als höhere Gewalt gelten sollen. Bei allen Unterschieden haben alle Force-Majeure-Klauseln doch eines gemeinsam: Nur Ereignisse, die bei Vertragsschluss weder bekannt noch vorhersehbar waren, gelten als höhere Gewalt.

Der Beleg von heute ist der Beweis von morgen
Wenn Sie eine Leistung erbringen müssen, dies aber wegen der aktuellen Pandemie nicht (rechtzeitig) möglich ist, dann müssen Sie dies im Streitfall belegen können. In fast allen Gesetzen und Vertragsklauseln, die sich mit Unmöglichkeit oder höherer Gewalt befassen, gibt es eine klare Verteilung der Pflichten: Diejenigen, die sich auf die höhere Gewalt als Leistungshindernis berufen, müssen beweisen, was genau passiert ist und wie genau es kausal für die Leistungsstörung wurde. Eine gute Dokumentation ist also sehr wichtig.

Kommunikation ist genauso wichtig wie in normalen Zeiten
Viele Force-Majeure–Klauseln in Verträgen, viele gesetzliche Regelungen und letztlich auch das Gebot der Fairness bestimmen, dass die andere Vertragspartei so bald wie möglich von den Leistungshindernissen erfährt. Dies kann ihr zum Beispiel dabei helfen, den Schaden zu minimieren. Denken Sie auch hier an eine gute Dokumentation – ein bloßes Telefonat ist im Zweifel keine gute Idee.

Nationale Regelungen
Wenn der Vertag das Thema „Höhere Gewalt“ nicht regelt und ausländisches Recht gilt, müssen Sie sich mit den entsprechenden Vorschriften vertraut machen. Hier ein kurzer Einblick in wichtige Regelungen in der Schweiz, Frankreich und dem Vereinigten Königreich:

  • In der Schweiz dürften viele coronavirusbedingte Leistungsstörungen unter Artikel 119 des schweizerischen Obligationenrechts fallen: Wenn durch Umstände, die der Schuldner nicht zu verantworten hat, seine Leistung endgültig unmöglich geworden ist, gilt die Forderung als erloschen. Ausnahme: Der Schuldner war bei Eintritt der Unmöglichkeit bereits im Verzug. Wenn die Gegenleistung schon erbracht wurde, muss sie zurückgegeben werden, wenn sie noch nicht erbracht wurde, kann sie nicht mehr beansprucht werden. Ausnahme: Der Gläubiger hat die Gefahr eines zufälligen Untergangs zu tragen. Für eine vorübergehende Unmöglichkeit gelten die Verzugsregeln in den Artikeln 102 ff. des Obligationenrechts.
  • Im Recht von England und Wales gibt es keine gesetzliche Regelung der höheren Gewalt. Wenn es auch keine vertragliche Regelung gibt, ist man auf das Richterrecht angewiesen, genauer gesagt auf die Doktrin der „Frustration of Contract“. Sie gilt, wenn, ohne dass eine Vertragspartei ein Verschulden träfe, äußere Ereignisse nach Vertragsschluss dazu führen, dass der dem Vertrag zugrundeliegende Zweck nicht mehr erreicht werden kann. Das kann der Untergang einer geschuldeten Sache sein, die Unmöglichkeit der Einreise eines bestimmten Künstlers bei einer bestimmten Aufführung, oder auch der Umstand, dass eine konkrete, vertraglich vereinbarte Handlung illegal wird. Wenn die Doktrin der Frustration Anwendung findet, beseitigt sie den Vertrag in Gänze. Ein Gericht hätte nicht das Recht, den Vertrag abzuändern und an die neue Situation anzupassen. Vielmehr fallen „ab sofort“ sämtliche gegenseitigen Verpflichtungen ersatzlos weg, eventuell schon erbrachte Leistungen können im Regelfall zurückgefordert werden.
  • Das französische Recht regelt in Artikel 1218 des Code Civil: Wenn ein Ereignis außerhalb der Gewalt des Schuldners liegt und diesen an der Vertragserfüllung hindert, kann Force Majeure vorliegen. Das Ereignis muss unvorhersehbar gewesen sein und seine Folgen müssen unabwendbar sein. Französische Gerichte sind bei der Auslegung dieser Anforderungen streng. Handelt es sich um eine dauerhafte Unmöglichkeit, beendet das französische Recht den Vertrag. Ist das Hindernis nur vorübergehend, wird er lediglich suspendiert. Neben diesen Rechtsgrundsätzen gibt es außerdem Regelungen für eine Störung der Geschäftsgrundlage, in denen die Leistung nicht unmöglich, sondern nur erheblich erschwert wird.

Für diese und viele andere Länder hat Germany Trade & Invest (GTAI) die nationale Rechtslage rund um die Themen „Höhere Gewalt und Unmöglichkeit“ zusammengestellt. Sie finden die Sammlung auf der Website von GTAI.
Die Auswirkungen der aktuellen Störungen auf den Warenverkehr beleuchtet der Zollbereich von GTAI.

Martin Fahling

Martin Fahling

International und internationale Fachkräfte,
IHK-Zentrale
Position: Bereichsleiter
Schwerpunkte: Grundsatzfragen, Außenwirtschaftspolitik, Beratungen
Telefon: 07121 201-186
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