IHK-Expertenforum Textil diskutiert Herstellerverantwortung

„Das darf nicht zu kompliziert werden“

„Umweltfreundliches und klimaneutrales Wirtschaften ist für alle Branchen eine Herausforderung. Für die Textilbranche ist sie aber besonders herausfordernd“, sagte Wirtschaftsministerin Dr. Nicole Hoffmeister-Kraut beim IHK-Expertenforum Textil.

„Das darf nicht zu kompliziert werden“Martina Bandte, Präsidentin von Gesamtmasche, Dr. Nicole Hoffmeister-Kraut, Wirtschaftsministerin, Dr. Wolfgang Epp, IHK-Hauptgeschäftsführer.

Textilunternehmen müssen sich auf eine erweiterte Herstellerverantwortung für die von ihnen hergestellten Produkte einstellen und sind damit für den gesamten Lebenszyklus ihrer Waren verantwortlich, insbesondere auch mit Blick auf Recycling, Entsorgung und den Einsatz recycelter Fasern. Doch wie kann das in der Praxis umgesetzt werden? Hoffmeister-Kraut sagte den Firmen zu, sich in Brüssel und Berlin dafür einzusetzen, dass Berichtspflichten auch im Zusammenhang mit Nachhaltigkeitsnachweisen „gerade für kleine und mittlere Unternehmen leistbar blieben und nicht zu komplex ausgestaltet werden.“

Neue bürokratische Belastung?
Dr. Wolfgang Epp, Hauptgeschäftsführer der IHK Reutlingen, unterstrich die Forderung nach Umsetzbarkeit und Praxisnähe. „Je nachhaltiger ein Produkt ist, desto niedriger fällt eine mögliche Gebühr für das Recycling aus. Das klingt zunächst plausibel. Doch wie wird nachhaltig definiert und wer prüft das Ganze? Folgt am Ende eine neuerliche bürokratische Belastung für unsere Firmen?“, warnte Epp bei der Diskussionsrunde von 60 heimischen Textilunternehmen mit der Ministerin.

Die Firmen mahnten vor allem ein einheitliches Vorgehen innerhalb Europas an. Derzeit wird neben der Herstellerverantwortung auch ein EU-weiter „Digital Product Pass“ diskutiert. „Das muss mitbedacht werden. Diese Regelungen müssen unbedingt ineinander greifen und dürfen nicht parallel verlaufen“, forderte Martina Bandte, Präsidentin von Gesamtmasche. Dazu kommt: Die jetzt geforderte Recycling-Infrastruktur muss erst einmal aufgebaut werden. Aktuell, da bestand Einigkeit, können Textilien praktisch noch nicht in dem Maße recycelt werden wie es geplant ist.

Hintergrund
Die erweiterte Herstellerverantwortung, auf Englisch „Extended Producer Responsibility“ (EPR), gilt bereits seit Jahren in der EU. Ihre Auslegung unterscheidet sich allerdings in den verschiedenen Mitgliedsstaaten. EPR besagt, dass produzierende Unternehmen für den gesamten Lebenszyklus ihrer Produkte verantwortlich sind. Die erweiterte Herstellerverantwortung trifft den Inverkehrbringer des Produktes. Dies können neben dem Produzenten auch Händler sowie Importeure sein, die bestimmte Produkte in den europäischen Markt einführen.

Im März 2022 wurde durch die EU-Kommission die Textilstrategie als Teil des Maßnahmenplans für eine nachhaltige Kreislaufwirtschaft im Rahmen des „Green Deal“ veröffentlicht. Hersteller von Textilien sollen unter anderem zukünftig die Verantwortung für ihre Produkte entlang der gesamten Wertschöpfungskette wahrnehmen. Vor diesem Hintergrund sollen EU-Vorschriften zur erweiterten Herstellerverantwortung bei Textilien in der Novellierung der Abfallrahmenrichtlinie 2023 verankert werden. Technische Textilien sind von den Regelungen bisher ausgenommen.

Zur Umsetzung des europäischen „Green Deal“ in kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) hat das Landeswirtschaftsministerium die Internetseite https://greendeal4kmu-bw.de mit praktischen Tipps zur Umsetzung und Informationsangeboten eingerichtet.

Das IHK-Expertenforum Textil wird vom IHK-Institut für Nachhaltiges Wirtschaften und dem Enterprise Europe Network (EEN) organisiert. Die IHK Reutlingen ist Partner des EEN. Das EEN unterstützt im Auftrag der EU-Kommission Unternehmen bei der Bewältigung der grünen Transformation inklusive der Umsetzung von mehr Kreislaufwirtschaft. Hierzu gehört es auch, Unternehmen über den Inhalt von EU-Initiativen wie die im vergangenen Jahr verabschiedete EU-Textilstrategie zu informieren. Das Expertenforum wird außerdem durch den Gesamtverband der deutschen Maschenindustrie e.V. (Gesamtmasche) sowie die Fachvereinigung Wirkerei Strickerei Albstadt e.V. unterstützt.

Birgit Krattenmacher

Birgit Krattenmacher

Innovation und Umwelt
IHK-Zentrale
Position: Leiterin Institut für Nachhaltiges Wirtschaften (IHK-INaWi) / Stellvertretende Bereichsleiterin
Schwerpunkte: Kreislaufwirtschaft, Arbeitsschutz, Fördermittel Umwelt/Energie, CE-Kennzeichnung, Produktsicherheit, Textilkennzeichnung, Cluster Technische Textilien Neckar-Alb,
IHK-Netzwerk Produktion, IHK-Netzwerk Sicherheit
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