Zollernalbkreis: Export und Ausbildungszahlen sinken

Beteiligung an Planverfahren dringend reformieren

„Der Zollernalbkreis ist weiterhin das industrielle Herz der Region Neckar-Alb“, ordnet IHK-Vizepräsident Dr. Thomas Lindner die aktuelle wirtschaftliche Situation des Kreises ein.

Beteiligung an Planverfahren dringend reformieren

Das produzierende Gewerbe ist im Zollernalbkreis stark: Seine Bruttowertschöpfung liegt bei 47 Prozent und damit deutlich über dem Landes- und Regionsschnitt (Baden-Württemberg und Region Neckar-Alb jeweils 40 Prozent). Der Zollernalbkreis hat eine überdurchschnittlich hohe Beschäftigungsquote von 65,3 Prozent (Baden-Württemberg: 63,6). Auch hier punktet die Produktionsbranche: Der Anteil der Industriebeschäftigten an allen Beschäftigten liegt bei 47 Prozent (Baden-Württemberg: 35 Prozent). Im Exportgeschäft verzeichnet der Zollernalbkreis im ersten Halbjahr 2024 dagegen einen leichten Rückgang von 1,8 Prozent auf 1,22 Milliarden Euro. Das Exportvolumen der Region Neckar-Alb insgesamt liegt bei 6,6 Milliarden Euro und damit um 2,5 Prozent unter dem Vorjahreswert von 6,77 Milliarden Euro. Der Zehnjahresvergleich zeigt aber: Im gesamten Jahr 2023 lag das Exportvolumen bei 2,433 Milliarden Euro, im Jahr 2013 noch bei 1,578 Milliarden Euro. Die Exportquote des Zollernalbkreises lag 2023 bei 47,9, im Jahr 2013 bei 44,5.

„Trotz dieser Zahlen sind die Unternehmen mit der aktuellen Lage nicht zufrieden“, berichtet Lindner. Sie sehen in den wirtschaftlichen Rahmenbedingungen eines der Hauptrisiken ihres Geschäftsbetriebs. Schleppende Inlandsnachfrage, hohe Energie- und Rohstoffpreise, der weiter bestehende Fachkräftemangel und die hohen Arbeitskosten belasten zusätzlich. Das ergab eine deutschlandweite DIHK-Konjunkturbefragung, die auch das Stimmungsbild im Zollernalbkreis widerspiegelt. Dazu kommt: Im Zollernalbkreis wurden für das neue Ausbildungsjahr 630 neue Ausbildungsverträge abgeschlossen, das sind rund acht Prozent weniger als im Vorjahr (685). Dabei wären mehr Betriebe im Landkreis bereit, Azubis einzustellen: In der IHK-Lehrstellenbörse waren zum Stichtag 30. August noch 55 offene Ausbildungsplätze verfügbar, die die ganze Bandbreite abdecken. Die Rückmeldung der Unternehmen bei der IHK zeigen: weniger oder keine Bewerbungen und mangelnde Ausbildungsreife der Bewerberinnen und Bewerber. „Dabei ist die duale Ausbildung die beste Antwort auf den Fachkräftemangel“, so Lindner.

Stromversorgung: zentrales Problem
Die Unternehmen beschäftigt derzeit beim Thema Strom vor allem die Versorgungssicherheit: Die Baden-Württembergischen Industrie- und Handelskammern haben gemeinsam mit dem Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme eine „Stromstudie – Versorgungssituation bis zum Jahr 2040“ durchgeführt. Die Regionalauswertung hat gezeigt: Für den gesamten Zollernalbkreis wird eine Steigerung des Strombedarfs um bis zu 173 Prozent erwartet. Zudem ist das erklärte Ziel des Landes Baden-Württemberg, bis 2040 klimaneutral zu werden. Lindner: „Diese Herausforderungen können wir nur meistern, wenn der Ausbau erneuerbarer Energien deutlich beschleunigt wird.“

Beteiligung der Öffentlichkeit modernisieren
Im Zuge dessen kritisiert er die Proteste und Klagen von Anwohnerinnen, Anwohnern und Bürgerinitiativen gegen wichtige Infrastrukturprojekte wie neue Windräder. „Jeder möchte billige und klimaneutrale Energie. Aber wenn es darum geht, wo die Projekte dafür realisiert werden sollen, dann bitte nicht vor der eigenen Haustür.“ Lindner plädiert deshalb an die Politik, „durch Reformen moderne und digitale, aber vor allem am Verfahrensziel orientierte“ Öffentlichkeitsbeteiligung zu schaffen. Dies könne den Ablauf von Planungs- und Genehmigungsverfahren beschleunigen. Außerdem spricht er sich dafür aus, das Verfahren umzukehren: „Vorhaben sollten als genehmigt gelten, wenn die Behörden Anträge nicht in einer vorgegebenen Zeit bescheiden können“, so der IHK-Vizepräsident. Aus seiner Sicht sollte zudem bei Standardprodukten wie Solaranlagen und Windräder auf aufwändige Einzelgenehmigungen verzichtet werden. „Wir müssen von dieser Verhinderungsmentalität wegkommen und als Gesellschaft offen für Veränderungen und neue Projekte sein.“

Wettbewerbsfähige Energiepreise gefordert
Im Vergleich zu anderen Industrienationen sind die Strompreise in Deutschland sehr hoch. Das IHK-Gremium Zollernalbkreis hat die Preisentwicklung in seiner letzten Sitzung diskutiert und die Landesregierung dazu aufgefordert, bis 2040 auf wettbewerbsfähige Energiepreise hinzuwirken. Dazu gehören Investitionen in die Verteilnetze vor Ort und der Bau von Übertragungsleitungen von Nord nach Süd (Südlink) sowie von Ost nach West. Wichtig ist dem Gremium, dass bei allen Ausbaumaßnahmen auch verstärkt die Wirtschaftlichkeit der Projekte berücksichtigt wird, beispielsweise mit einem oberirdischen Ausbau von Übertragungsleitungen statt der geplanten und sehr kostenintensiven Erdverkabelung.

Matthias Miklautz

Matthias Miklautz

Hauptgeschäftsführung
IHK-Zentrale
Position: Leiter IHK-Geschäftsstelle Zollernalbkreis
Schwerpunkte: Regionalmanagement Zollernalbkreis, IHK-Gremium Zollernalbkreis: Geschäftsführung, Branchenbetreuung Tourismus, Unterrichtung für Aufsteller von Spielgeräten mit Gewinnmöglichkeiten
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