IHK fordert Ausstattungsoffensive und Aufstiegsbonus

Berufliche Bildung schneller digitalisieren

Die IHK mahnt mehr digitale Aus- und Weiterbildung an. „Digitale Kompetenzen müssen noch mehr Einzug in die Stoff- und Lehrpläne finden“, sagt IHK-Hauptgeschäftsführer Dr. Wolfgang Epp. Gegenüber der neuen Bundesregierung will sich die IHK für eine Ausstattungsoffensive und einen Aufstiegsbonus stark machen.

Berufliche Bildung schneller digitalisierenFoto: AntonioGuillem/shutterstock.com

In der dualen Ausbildung gibt es mit dem „Kaufmann/frau für E-Commerce“ ab dem 1. August überhaupt das erste Berufsbild, das auf digitale Geschäftsmodelle ausgerichtet ist. Die ersten Unternehmen wollen in diesem Sommer in diesen Ausbildungsberuf einsteigen. „Das ist ein wichtiger Schritt. Wir brauchen aber mehr Geschwindigkeit bei der Digitalisierung unserer Berufe“, fordert Epp.

Dass Bedarf besteht, zeigt sich in der Weiterbildung. Die erst im Herbst bei der IHK gegründete Akademie für IT und Digitalisierung haben bereits 133 Teilnehmer besucht. Die Kurse reichen von Datenschutz und IT-Sicherheit bis zu agilem Projektmanagement und Social Media. „Das Ziel ist, dass Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter den digitalen Wandel für ihre Unternehmen nutzen und gestalten können. Bisher sind viele Betriebe noch zu reaktiv.“ Die IHK versucht dabei, neue Angebote zu entwickeln, die zum Bedarf der Wirtschaft passen. In diesem Sommer soll es vom 30. Juli bis 17. August erstmals eine digitale Sommer-Akademie geben. „Die Firmen realisieren, dass die Zeit drängt und sie sehr schnell Wissen aufbauen müssen“, so Wolfgang Epp.

Bessere Bedingungen
Bildung wird in nächster Zeit ein Schwerpunkt der politischen Arbeit der IHK sein. Mit mehreren Initiativen will die Wirtschaftseinrichtung für bessere Bedingungen in der Aus- und Weiterbildung streiten. So spricht sie sich für eine Ausstattungsoffensive für Schulen, Berufsschulen und Weiterbildungseinrichtungen aus. Grund sind oftmals in die Jahre gekommene Räumlichkeiten, die noch aus Zeiten von vor der Digitalisierung stammen. „Wir brauchen mehr digitales Equipment in unseren Lernorten. Das darf keine Frage der kommunalen Kassenlage sein“, sagt der IHK-Hauptgeschäftsführer.

Darüber hinaus fordert die gewerbliche Wirtschaft die Einführung eines Aufstiegsbonus in Baden-Württemberg. Ihn sollen alle bekommen, die eine Prüfung der höheren Berufsbildung wie einen Meister oder Fachwirt bestehen. Andere Bundesländer machen dies bereits. Derzeit muss ein Meister- und Fachwirt-Absolvent mit Kosten von 3.300 bis 5.900 Euro rechnen. Trotz Meister-Bafög und eines Bestehenszuschusses müssen im Schnitt rund 1.400 bis 2.400 Euro selber aufgebracht werden. Pro Jahr machen etwa 425 Frauen und Männer einen Abschluss als Meister und Fachwirte. Aus Sicht der IHK würde der Bonus helfen, akademische und berufliche Bildung gleich zu behandeln. „Die akademische Ausbildung ist kostenlos, in der beruflichen Bildung müssen Prüfungs- und Kursgebühren bezahlt werden. Das passt einfach nicht“, erläutert Epp.

Aktuelle Zahlen
Im laufenden Ausbildungsjahr verzeichnet die IHK für das erste Quartal 830 neu eingetragene Lehrverträge. Das ist im Jahresvergleich derzeit ein Minus von 14,5 Prozent. „Daraus lässt sich aber kein Trend ableiten. Gerade Firmen, die stärker ausbilden, schicken ihre Verträge in der Regel en bloc“, sagt Petra Brenner, Bereichsleiterin Ausbildung bei der IHK. Die Bildungsexpertin geht davon aus, dass zum Start ins Ausbildungsjahr am 1. September erneut die Vorjahreswerte erreicht werden. „Wir hatten zuletzt stets um die 2.400 Ausbildungsverhältnisse. In diesem Bereich werden wir wieder laden“, so Brenner.

Sehr ordentlich hat sich in den letzten Monaten die Vermittlung von Flüchtlingen in Ausbildung entwickelt. Mittlerweile verzeichnet die IHK 63 Lehrverträge mit Menschen, die aus Hauptherkunftsländern Geflüchteter stammen. Mehr als Dreiviertel der Verträge wurden mit Menschen geschlossen, die aus Syrien, Afghanistan und Gambia stammen. Weitere Herkunftsländer sind Irak, Eritrea, Iran, Nigeria, Somalia und Pakistan. Die meisten Verträge wurden in der Gastronomie sowie im Einzelhandel abgeschlossen.

Rege Nachfrage verzeichnet die IHK auch im Bereich der Inklusion von Menschen mit Behinderung in Arbeit und Ausbildung. In den vergangenen zwei Jahren beriet die IHK-Inklusionsberaterin in über 160 Fällen Unternehmen sowie Privatpersonen. Eine Rolle spielte auch der Nachteilsausgleich bei Prüfungen in der Aus- und Weiterbildung, den jene bekommen, die es aufgrund eines Handicaps sonst schwerer hätten. „Hier geht es um individuelle Gespräche. Jeder Fall ist anders und es ist wichtig, dass wir ein festes Angebot für diese Zielgruppe dauerhaft etablieren“, so Brenner. Sowohl die Integrations- wie die Inklusionsberatung werden derzeit öffentlich gefördert.

Mit Blick auf die Lösungsquote von Ausbildungsverhältnissen spricht sich die IHK für eine Versachlichung der aktuellen Diskussion aus. „Viele Lehrverträge werden in den ersten drei Monaten gelöst. Das hängt oft daran, dass die Auszubildenden falsche Vorstellungen vom gewählten Beruf haben“, so Petra Brenner. In der Region Neckar-Alb liegen die Auflösungsquoten derzeit bei 17 Prozent „Jede Auflösung eines Ausbildungsverhältnisses ist schade, weil beide Seiten investieren. Als Konsequenz kann das nur bedeuten, mehr in Berufsorientierung zu gehen.“ Dazu gehören für die IHK das neue Schulfach Wirtschaft, mehr Praktika für Schüler und Praxiszeiten für Lehrer.

Hintergrund: IHK und Ausbildung
Die Industrie- und Handelskammern sind gemäß Berufsbildungsgesetz zuständige Stellen für die gewerbliche duale Ausbildung. Die IHKs lassen Auszubildende zur Abschlussprüfung zu und führen die Prüfungen durch. Außerdem stehen sie Unternehmen beratend zur Seite und helfen ihnen, ausbildungsfähig zu werden. Rund 1.500 ehrenamtliche Prüferinnen und Prüfer aus den Betrieben des IHK-Bezirks unterstützen die IHK Reutlingen bei ihrer Arbeit. Daneben engagiert sich die IHK intensiv im Bereich des Ausbildungsmarketings, um für die duale Ausbildung zu werben. Dazu zählen die jährlichen Berufsinfotage im Herbst, die Azubi-Business-Lounge oder die regelmäßig veranstalteten Elterncafés.

Thorsten Leupold

Thorsten Leupold

Ausbildung / Prüfungswesen,
IHK-Zentrale
Position: Bereichsleiter Ausbildung / Prüfungswesen
Schwerpunkte: Bildungspolitik, Lehrstelleninitiative Neckar-Alb, Arbeitskreis Europäischer Sozialfonds Neckar-Alb, IHK-Berufsbildungsausschuss, Federführung Weiterbildung
Telefon: 07121 201-136
E-Mail schreiben
vCard herunterladen
Zur Detailseite