Antworten zur Wahl

„Ampelkoalition wird wahrscheinlicher“

Sieg und Niederlage waren bei der Landtagswahl klar verteilt. Woran lag es? Und welche Folgen hat das Ergebnis für die Koalitionsbildung und die Bundestagswahl im Herbst. Die IHK-Redaktion hat diese Fragen dem Tübinger Politikwissenschaftler Prof. Dr. Daniel Buhr gestellt.

„Ampelkoalition wird wahrscheinlicher“Daniel Buhr, Politikwissenschaftler von der Universität Tübingen. Foto: Alexander Kobusch

IHK: Der Amtsinhaber hat deutlich gewonnen. War er so gut oder die anderen so schwach?
Buhr: Bei Landtagswahlen genießt der Amtsinhaber traditionell einen kräftigen Amtsbonus, weil er meist als einer der wenigen Landespolitiker überhaupt von breiten Teilen der Bevölkerung wahrgenommen wird und eben medial deutlich präsenter ist. Hier hat es die Opposition von jeher schwer. Das haben wir gestern sowohl in Baden-Württemberg als auch in Rheinland-Pfalz gesehen. Fakt ist aber auch, dass gerade im direkten persönlichen Vergleich von Herrn Kretschmann und Frau Eisenmann die überwiegende Mehrheit der Befragten in Baden-Württemberg sehr klar und deutlich für den Ministerpräsidenten votiert hat.

Die CDU verliert erneut. Lag es an der Kandidatin, am Corona-Management oder haben die jüngsten Affären aus Berlin das Vertrauen kurz vor der Wahl beschädigt?
Für tiefere Analysen und eine genaue Ursachenforschung ist es so kurz nach der Auszählung noch zu früh. Allerdings steht fest, dass die CDU – wiederholt – das schlechteste Ergebnis bei einer Landtagswahl in Baden-Württemberg eingefahren hat. Wohlgemerkt in ihrer früheren Herzkammer! Dieser Trend lässt sich allerdings schon länger beobachten. Seit dem Allzeithoch von 56,7 Prozent der Stimmen bei der Landtagswahl 1976 geht es mehr oder weniger kontinuierlich abwärts. Daher lag das wohl nicht nur allein an der Spitzenkandidatin.

Es sind nun zwei Koalitionen möglich: Eine Fortsetzung von Grün-Schwarz, aber auch Grün-Rot-Gelb. Was erwarten Sie?
Das wird wirklich spannend, denn die Signale sind ambivalent. Letztlich haben die Wählerinnen und Wähler einerseits die CDU klar abgestraft und andererseits die Grünen klar gestärkt. Knapp die Hälfte der Befragten war in den Umfragen direkt vor der Wahl mit der Landesregierung zufrieden. Auch Winfried Kretschmann scheint nicht abgeneigt, die Koalition mit der CDU fortzusetzen. Allerdings knirscht es bereits eine ganze Weile innerhalb der Koalition ganz gewaltig. Schon vor der Wahl wurden, auch bei den Grünen, die Stimmen derer immer lauter, die eine Ampelkoalition wagen wollen. Das gestrige Wahlergebnis hat diese Konstellation auf jeden Fall deutlich wahrscheinlicher werden lassen.

Welche Auswirkungen hat das Wahlergebnis auf die Bundestagswahl? Sollten wir uns auf neue Regierungskoalitionen im Bund einstellen?
Die Große Koalition im Bund war, wie wir alle wissen, keine Liebesheirat von CDU und SPD. Sie war der Not geschuldet, dass die FDP die Jamaika-Koalition hatte platzen lassen und andere Koalitionsoptionen nicht möglich waren. Daher scheint eine Ampelkoalition mit Blick auf die gestrigen Wahlausgänge in Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg sicherlich auch im Bund möglich. Allerdings sollten wir uns aber auch nicht zu sehr davon blenden lassen. Letztlich waren es zwei Landtagswahlen, die sehr stark der Logik von Persönlichkeitswahlen folgten, mit zwei sehr populären Amtsinhabern Winfried Kretschmann und Malu Dreyer.

Im Vorfeld der Wahlen in Baden-Württemberg und Rheinlad-Pfalz wurde gemutmaßt, dass das Abschneiden der CDU die Kanzlerkandidatur in der Union entscheidet. Sind jetzt die Würfel für Markus Söder gefallen?
Das glaube ich noch nicht. Natürlich war das gestern alles andere als Rückenwind für den neuen CDU-Vorsitzenden Armin Laschet. Aber die Frage der Kanzlerkandidatur entscheidet sich woanders, nicht zuletzt auch in der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, die aber ja gerade wahrlich genug andere Herausforderungen zu meistern hat…

Zur Person
Prof. Dr. Daniel Buhr ist Leiter des Steinbeis Transferzentrum Soziale und Technische Innovation sowie außerplanmäßiger Professor für Politikwissenschaft an der Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Fakultät der Eberhard Karls Universität Tübingen.

Christoph Heise

Christoph Heise

Existenzgründung und Unternehmensförderung, Kommunikation,
IHK-Zentrale
Position: Stellvertretender Hauptgeschäftsführer, Bereichsleiter
Schwerpunkte: Pressearbeit, Redaktion "WNA | Wirtschaft Neckar-Alb", Online-Redaktion, Koordination Interessenvertretung
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