Neue Möglichkeiten

Plan B

Nicht immer läuft alles genau so wie geplant. Isabell Wohlgeboren und Kai Kleiß erzählen, wie sie ihre Einpersonenunternehmen mit einer Kurskorrektur zum Erfolg geführt haben.

IHK Reutlingen, Tübingen und ZollernalbDie Reutlingerin Isabell Wohlgeboren in ihrer Saftstoff-Ape. Foto: PR

Isabell Wohlgeboren aus Reutlingen ist gelernte Fachfrau für Systemgastronomie und hat mit ihrer Firma Saftstoff eine leckere Geschäftsidee entwickelt: Sie stellt alkoholfreie und gesunde Obst- und Gemüsedrinks nach eigenen Rezepten und in bester Qualität direkt dort her, wo sie getrunken werden.

Als Isabell Wohlgeboren ihr Einpersonenunternehmen im Jahr 2016 gründete und in die Selbstständigkeit startete, träumte sie eigentlich vom eigenen „Saftladen“. Diesen Plan musste sie allerdings angesichts der hohen Pachtpreise für Ladenlokale in gut frequentierten Lagen schnell wieder aufgeben. Stattdessen legte sie sich eine Piaggio-Ape zu, baute diese um und stattete sie mit hochwertigem Equipment aus. In diesem „Saftmobil“ kann sie nun bis zu 500 Saftportionen herstellen.

Ein Drink ist an ein Parfüm angelehnt
Mit Obst, Gemüse und Gewürzen im Gepäck, wenn möglich in Bioqualität, fährt sie seither auf Märkte, Messen und zu Firmenfesten, zu privaten und öffentlichen Veranstaltungen. Die Getränke werden vor Ort in der mobilen Bar gepresst, gemixt und kühl serviert: in fünf verschiedenen Variationen, zusätzlich gibt es immer auch einen saisonalen Drink. Isabell Wohlgeboren nutzt weder zusätzlichen Zucker noch Eiswürfel, die den Geschmack verwässern. Ins Glas kommen fein pürierte Drinks, fruchtig und erfrischend, allesamt Vitaminbooster.

Isabell Wohlgeboren experimentiert gerne mit den verschiedenen Aromen ihrer Zutaten und mixt auch ungewöhnliche Säfte, die eine Geschichte erzählen. So entwickelte sie etwa für die Metzinger Firma Hugo Boss, bei der sie regelmäßig Station macht, einen Saft mit Schokolade, Erdbeeren und Ingwer – angelehnt an eine Parfümkreation des Modeunternehmens.

„Meine beste Werbung ist gute Mundpropaganda“

Isabell Wohlgeboren, Saftstoff

Dann kam Corona
Am Anfang ihrer „Saftkarriere“ fuhr die Unternehmerin beliebig Märkte an. Mittlerweile hat sie sich einen festen Kundenstamm aufgebaut, der glücklicherweise ständig wächst. „Für Fahrten ins Blaue ist mir jetzt das Risiko zu hoch“, sagt sie. Meistens handelt sie eine Mindestabnahmemenge mit ihren Kunden aus. Das senkt die Kosten und die Kunden können sich darauf verlassen, dass genügend Säfte für alle Gäste bereitstehen. Neuen Kunden bietet Isabell Wohlgeboren gerne eine Verkostung an, um sie von ihren Produkten zu überzeugen. „Meine beste Werbekampagne ist gute Mundpropaganda“, ist sie überzeugt.

2020 waren ihre Auftragsbücher voll, dann kam Corona. Eigentlich wollte sie damals ihren Teilzeitjob als Schulbegleiterin aufgeben und Saftstoff in Vollzeit betreiben. Doch zwei Jahre lang gab es kaum Aufträge. „Dieses Jahr sieht es wieder gut aus, ich kann voll durchstarten“, freut sich Isabell Wohlgeboren. Vor allem zwischen April und Oktober ist sie mit ihrer Ape unterwegs. Der Traum vom eigenen kleinen Laden ist für Isabell Wohlgeboren allerdings trotz allem lange noch nicht ausgeträumt. Mit ihm könnte sie ihre Säfte auch im Winter anbieten.

IHK Reutlingen, Tübingen und ZollernalbBereit für die Kundinnen und Kunden: Kai Kleiß in seinem Alb-Kiosk in Münsingen. Foto: PR

Aus der Not eine Tugend gemacht
Kai Kleiß hat als Kleinstunternehmer aus der Not eine Tugend gemacht. Sein Laden Shisha-Love, den er 2016 in Münsingen eröffnet hat, lief zunächst sehr gut. Doch dann kamen Steuererhöhungen für Shisha-Tabak und Gesetzesänderungen, die den Umsatz seines Verkaufsschlagers einbrechen ließen. „Es konnten nur noch 25-Gramm-Dosen verkauft werden, der Preis hat sich im Vergleich zur alten Verpackungseinheit fast vervierfacht“, erzählt Kleiß. „Mein Geschäft war damit sehr schnell rückläufig.“

Er brauchte also eine Alternative, einen Plan B. Denn vom Verkauf von Shisha-Tabak und Zubehör allein konnte er sein Ladengeschäft in der Innenstadt nicht mehr betreiben. „Die Lage ist sehr zentral. Dennoch wurde ich an diesem Standort von den meisten Leuten gar nicht wahrgenommen, weil ich bis dahin ja nur einen bestimmten Kundenstamm mit meinem Angebot angesprochen habe.“

„Ich kann meine Ideen nach meinen individuellen Vorstellungen umsetzen“

Kai Kleiß, Alb-Kiosk am Marktplatz

Das wollte, musste er sogar ändern. Ihm kam die Idee, einen Kiosk zu eröffnen, dessen Sortiment Jung und Alt gleichermaßen in den Laden lockt. Außerdem entschied er, in seinen Räumen die einzige Postfiliale in der Innenstadt einzurichten. „Damit erreiche ich alle Leute, denn der Weg zur nächsten Poststelle in Auingen ist weit. Sie kommen, geben Pakete ab und kaufen parallel dazu noch Zeitungen, Snacks, Zigaretten, Shisha-Tabak oder Getränke bei mir ein.“

200 Kunden am Tag
Bis zu 200 Kundinnen und Kunden betreten nun täglich seinen Alb-Kiosk, der am Marktplatz vor allem auch für ältere Menschen sehr gut zu erreichen ist. Die Toto-Lotto-Annahmestelle wird ebenfalls gut frequentiert. „Die Mischung macht mein Konzept aus“, ist Kleiß überzeugt. Doch der Erfolg hat auch seinen Preis, wie der 35-Jährige einräumt. Unter der Woche ist sein Kiosk von 9 bis 12 Uhr und von 14 bis 19 Uhr geöffnet. Viel Freizeit bleibt da nicht. Zwar hat der Geschäftsmann eine Teilzeitkraft eingestellt und würde sich noch weiter unterstützen lassen, aber Fachkräfte sind rar.

Bereut hat Kai Kleiß die Erweiterung vom Shisha-Laden zum Alb-Kiosk dennoch nicht. Die Selbstständigkeit ist – trotz erhöhter Arbeitszeit, Existenzängsten und wenig Freizeit – genau sein Ding. „Ich bin mein eigener Chef und kann meine Ideen nach meinen individuellen Vorstellungen umsetzen.“ Genau diese Ideen, so sagt Kleiß, hätten dazu geführt, dass er nun sein Geschäft erfolgreich und ganz an den Ansprüchen der Kundschaft ausgerichtet betreiben kann. /

(Dieser Artikel erschien in der WNA-Ausgabe 6+7/2023.)