Afrika

Verbindlichkeit auf Distanz

Von Unterschieden in der Geschäftskultur bis zum rechtlichen Rahmen: Der Aufbau von Geschäftsbeziehungen nach Afrika ist für deutsche Unternehmen nicht immer einfach, doch er kann sich richtig lohnen. Zwei Erfolgsbeispiele aus der Region.

Andreas-Christoph BeyerttAndreas-Christoph Beyertt, Geschäftsführer von Viavi Solutions. Foto: PR

Bei Viavi Solutions in Eningen trifft Tradition auf Innovation: Hier entstehen Messgeräte für das Testen, Überwachen und Optimieren komplexer Netzwerke und Datenströme. „Vielen in der Region sagt der Name Wandel & Goltermann noch etwas. Aus diesem Unternehmen hat sich das entwickelt, was heute der deutsche Standort von Viavi Solutions ist“, erzählt Geschäftsführer Andreas-Christoph Beyertt. Viavi Solutions ist ein US-amerikanischer Konzern mit Hauptsitz in Arizona, der unter anderem Prüf- und Messtechnik für Kommunikationsnetze sowie optische Sicherheits- und Präzisionsprodukte entwickelt und produziert.

Wachstum in Schwellenländern
Das Team in Eningen unter Achalm ist dabei auf Lösungen spezialisiert, die bei der Bitfehlermessung in Laboren, Komponenten und Netzwerken eingesetzt werden. „In diesem Marktsegment sind wir sogar Weltmarktführer“, sagt Beyertt. „Wenn wir wachsen wollen, müssen wir uns jedoch global orientieren, denn vom deutschen Markt allein könnten wir nicht leben – im vorigen Geschäftsjahr machte der nur 11 Prozent unseres Umsatzes aus.“

Wir müssen mit unseren Messgeräten dorthin gehen, wo sie gerade gebraucht werden

Andreas-Christoph Beyertt

Vor allem im Bereich Prüf- und Messtechnik sind die Wachstumsraten in den Schwellenländern seit einigen Jahren deutlich höher als in Westeuropa. Daher ist auch Viavi Solutions zunehmend in Afrika und im Mittleren Osten aktiv. „Wir müssen mit unseren Messgeräten dorthin gehen, wo sie gerade gebraucht werden“, so Beyertt. „Sobald neue Technologien eingeführt werden, entsteht natürlich in allen Märkten ein Nachfrageschub. Insgesamt aber ist das Wachstumspotenzial in Ländern, die gerade erst mit dem Ausbau ihrer Infrastruktur begonnen haben, einfach höher.“

Transparente Prozesse
Viavi Solutions betreibt daher Vertriebsbüros in Städten in insgesamt 137 Ländern, unter anderem in Dubai. Von hier aus werden die Kunden im Mittleren Osten und in Afrika betreut so-wie Kontakte zu Telekommunikationsgesellschaften angebahnt. Neben der Expertise vor Ort schwört Beyertt aber auch auf interkulturelles Training: „Wenn man von Deutschland aus Geschäftsbeziehungen ins Ausland aufbauen will, ist das unerlässlich – nicht nur, um Fettnäpfchen zu vermeiden, sondern auch, um zu verhindern, dass es aufgrund der unterschiedlichen Gepflogenheiten rund um Liefer- und Zahlungsbedingungen zu Problemen kommt.“

Um den Kunden Sicherheit zu geben und gleichzeitig einen zuverlässigen Zahlungsfluss zu gewährleisten, setzt Viavi Solutions bei Auslandsgeschäften auf Garantien oder Letters of Credit. „Wichtig ist, dass der Prozess für alle Beteiligten transparent und verbindlich ist. Sonst kann man sehr lange auf sein Geld warten oder liefert zweimal. Zum Glück haben wir da aber sehr gute Erfahrungen mit unserer Hausbank gemacht“, sagt Beyertt.

Lennart BraunLennart Braun, Director of Sales bei der Cerona GmbH. Foto: PR

Starkes Netzwerk
Auch Lennart Braun weiß, wie wichtig für das Auslandsgeschäft Sensibilität für die unterschiedlichen Gebräuche und vor allem für die rechtlichen Rahmenbedingungen in anderen Ländern ist. Er ist Director of Sales bei der Cerona GmbH, einem Unternehmen, das sich auf die Wiederaufbereitung von gebrauchten Druckmaschinen spezialisiert hat.

„Ganz konkret handelt es sich um Leasing-Rückläufer aus Deutschland und Europa, etwa um Kopierer, Drucker oder auch Großgeräte aus dem Bereich Production Printing“, berichtet Braun. Am Firmensitz in Tübingen-Lustnau werden die Altgeräte professionell aufbereitet, sodass sie als hochwertige Gebrauchtgeräte in Privathaushalten und Unternehmen in aller Welt einen neuen Platz finden können.

Wir haben nach und nach unser Einzugsgebiet erweitert

Lennart Braun

Ein großer Teil der aufbereiteten Geräte findet inzwischen seinen Weg in afrikanische Länder, denn hier entstand in den vergangenen Jahren ein besonders starkes Netzwerk von Vertriebspartnern und Kunden. „Das fing 2008 an“, sagt Lennart Braun. „Zuerst waren wir vor allem in Nigeria aktiv. Dabei haben wir recht schnell entdeckt, dass auch in anderen westafrikanischen Ländern ein wachsender Markt für Secondhand-Geräte besteht – dass es dort Kunden gibt, die genau das suchen, was wir anbieten. Daher haben wir nach und nach unser Einzugsgebiet erweitert, zum Beispiel um Togo und die Elfenbeinküste.“

Um Kontakte nach Afrika aufzubauen und zu pflegen, muss das Team von Cerona teils auch kreative Wege beschreiten. So gilt es etwa, strategisch mit den Devisenbeschränkungen umzugehen, die in einigen afrikanischen Ländern den Zahlungsverkehr beschränken. „Für eine Überweisung in Fremdwährungen sind vielerorts beglaubigte Dokumente erforderlich, die belegen, dass tatsächlich ein Kaufvertrag mit einem Lieferanten im Ausland abgeschlossen wurde“, erklärt Braun. „Manche Unternehmen in Westafrika können deshalb die Anzahlung für eine Bestellung nicht an uns überweisen, sondern müssen sie über Bekannte in Deutschland an uns schicken.“

Vertrauensverhältnis erarbeiten
Hinzu kommt, dass die Einreise aus afrikanischen Ländern aktuell nur unter strengen Visa-Auflagen möglich ist. Im Fall des Falles müssen sich die Kunden vor Ort daher darauf verlassen, dass sich die Technik-Profis in Tübingen für ihre Belange einsetzen. „Das macht schon etwas mit einer Geschäftsbeziehung, wenn man sich nicht einfach in ein Flugzeug setzen und sagen kann: Das klären wir persönlich“, findet Braun. Deshalb spiele bei Geschäften mit afrikanischen Firmen das Vertrauensverhältnis eine so große Rolle. Habe man sich das Vertrauen der Kunden erarbeitet, könne man aber lange mit ihnen rechnen. „Daher würden wir ganz klar sagen: Ja, es kostet Zeit und Energie, Geschäftsbeziehungen nach Afrika aufzubauen und zu pflegen“, sagt Lennart Braun. „Aber die Investition lohnt sich.“ /

(Dieser Artikel erschien in der WNA-Ausgabe 4+5/2024.)